Dem Himmel so fern

von Juliane Schader 31. Oktober 2011

Früher stieg man zum Bestaunen des Sonnenuntergangs aufs Dach. Heute versperren hochgerüstete Grenzanlagen den Weg, damit die Bewohner des ausgebauten Dachgeschosses nicht gestört werden.

Man mag zu den Veränderungen, die der Prenzlauer Berg in den vergangenen Jahren mitgemacht hat, stehen, wie man will – eines muss jeder zugeben: Die Zahl der Verbote hat eindeutig zugenommen. Den Hirschhof als öffentlichen Park nutzen? Verboten. An sommerlichen Abenden bis zum Morgengrauen vor den Cafés und Kneipen sitzen? Verboten. Parken wo man will? Verboten. Die M10 als Möbeltransporter nutzen? „Mit dem Lattenrost kommen Sie mir aber nicht in die Tram.“

Nur der Himmel, der war von dieser Entwicklung bislang verschont. Denn auch wenn es der Vermieter nicht unbedingt gerne sah; das Nutzen der Flachdächer als Sonnendeck und das Wandern auf dem First bis zur nächsten Straßenecke gehörten doch zum guten Ton und einem Prenzlauer Berger Sommer unbedingt dazu. Bis begeisterte Dachfrequentierer ihren gewohnten Weg plötzlich von Stacheldraht und Sperranlagen blockiert vorfanden.

„Durch Privatisierungen und immer mehr Dachgeschosswohnungen mit Balkon wuchs das Bestreben der Eigentümer, die Dächer unzugänglich zu machen“, erklärte Michail Nelken (Linke), bis zur letzten Woche Stadtentwicklungsstadtrat in Pankow, unlängst der taz. Der Bezirk müsse das akzeptieren, solange die Konstruktionen nicht von der Straße aus sichtbar und damit als Verunstaltung zu verbuchen seien. Die Einzäunungen seien zwar ein kultureller Verlust, aber für das Amt nicht von Interesse, solange der Schornsteinfeger nur seine Arbeit verrichten könne, so Nelken.

 

Spontane Grenzziehung? Immer eine schlechte Idee

 

Wer als Eigentümer auf seinem Dach gerne Stacheldraht verlegt, der kann daran also nicht gehindert werden. Auch wenn schon ein Hauch von Geschichtsbewusstsein eigentlich ausreichen sollte, um das Errichten unnatürlicher Grenzen in einer Stadt wie Berlin noch einmal zu überdenken.

Aber auch die Prenzlauer Berger, deren Vermieter bislang nicht die Absicht haben, einen Zaun zu ziehen, können nicht länger ungestört über den Dächern der Stadt den Sonnenuntergang bestaunen. So vermittelt es zumindest ein Anschreiben an die Bewohner eines Hauses in der Sonnenburger Straße, das vor zwei Wochen auf der Internetseite „Notes of Berlin“ veröffentlicht wurde. „Gehen, Yoga, Tai-Chi, Küssen etc. auf Prenzlberger Dächern sind keine Suizidversuche“, heißt es da, nachdem offenbar beunruhigte Nachbarn die Polizei gerufen hatten, als sie jemanden auf dem Dach erblickten. Dabei sei es dem Betroffenen doch nur um „verantwortungsvolles Auskosten der letzten innerberlinischer Freiräume gegangen“, schreibt er oder sie. Statt dessen habe es enorm viel Ärger gegeben.

Denn natürlich ist es nicht erlaubt, einfach so über die Dächer der Stadt zu toben. Nur wirklich verboten war es deshalb noch lange nicht. Bislang.

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