Keine Spekulationen

von Thomas Trappe 20. September 2012

Der Bezirk will sein Vorkaufsrecht für Immobilien nutzen, um die Preistreiberei im Wohnungsmarkt zu stoppen. Weitere Maßnahmen zur Regulierung sind geplant.

Gesetzlich geregelt und damit möglich ist es schon lange. Man könnte es also einfach machen. Doch, wie es nun mal so ist, sagt der für Stadtentwicklung zuständige Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), nachdem er tief Luft geholt hat: „Einfach mal machen ist in Berlin oft schon ein Problem.“ Und deshalb, so Kirchner weiter, werde bis jetzt in seinem und jedem anderen für Stadtentwicklung zuständigen Bezirksamt in Berlin regelmäßig nicht vom Vorkaufsrecht für Immobilien Gebrauch gemacht. Das soll sich ändern, zumindest im Bezirk Pankow und damit auch Prenzlauer Berg. Kirchner hofft, damit eine der schlagkräftigsten Waffen gegen Immobilienspekulation auch in Berlin endlich scharf machen zu können.

Das Vorkaufsrecht wird Kommunen im Baugesetzbuch eingeräumt. Es besagt, dass sie zuerst zugreifen darf, wenn ein Grundstück verkauft werden soll. Was im Umkehrschluss heißt, dass die Kommune den Verkauf an einen privaten Investor verhindern und damit der Immobilienspekulation vorbeugen kann. Das Vorkaufsrecht ist an Bedingungen geknüpft, zum Beispiel die, dass das Grundstück in „einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich“ oder einem Gebiet mit Erhaltungssatzung liegt – damit wäre ein großer Teil Prenzlauer Berger Immobilien erfasst. Das Vorkaufsrecht wird in Hamburg und München praktiziert, in Berlin nicht. Kirchner sieht damit die Chance vertan, ein wirksames Instrument zur Wohnungsmarktregulierung zu nutzen. „Stattdessen stempeln wir am laufenden Band Bescheide ab, dass wir auf unser Vorkaufsrecht verzichten.“ 

 

Das Skalpell auf dem Tisch reicht

 

Das kräftigste Gegenargument gegen Vorkauf ist bisher, es überrascht nicht, ein finanzielles, wenn auch fast nur theoretisch. Denn zwar muss der Bezirk beim Kauf des Grundstücks Geld ausgeben – doch das kommt in aller Regel zurück. Denn das Grundstück bleibt beim Vorkauf nicht in der Hand der Kommune, sondern muss weiterverkauft werden. Der Vorteil bei diesem Verfahren liegt auf der Hand. Da beim Vorkauf der Verkehrswert des Grundstückes zählt, muss sich der Bezirk an keinem preistreibendem Bieterverfahren beteiligen. Das Grundstück kann dann ohne Verluste weiterverkauft werden an den vom Bezirk präferierten Käufer – der ohne dieses Verfahren wahrscheinlich im herkömmlichen Verfahren untergegangen wäre. An wen solche Grundstücke gehen sollen, steht für Kirchner schon weitgehend fest. „An Wohnungsbaugenossenschaften oder kommunale Wohnungsunternehmen.“ 

Geboren ist die Idee, das Vorkaufsrecht auch in Berlin einzuführen, bei der an diesem Montag abgehaltenen Tagung „Soziale Stadterneuerung“, organisiert von Kirchner und mit Vertretern von Senat, Bezirk, den Städten Hamburg und München und Stadtentwicklern. Kirchner bittet deshalb um Verständnis, dass das Instrument Vorkaufsrecht erst noch gestimmt werden muss. Weder stehe fest, ob andere Bezirke mitziehen, und auch die Pankower Bezirksverordnetenversammlung müsse noch grünes Licht geben, wenn es darum geht, im Haushaltsplan einen entsprechenden Posten zu schaffen. Kirchner aber ist zuversichtlich, dass es eventuell bereits im kommenden Jahr losgehen könnte. Dass dann massenweise Immobilien vom Bezirk gekauft werden, heißt das nicht, wie Kirchner am Beispiel Hamburg deutlich macht. Dort wurde fünfmal mehr mit dem Vorkauf gedroht als wirklich vorverkauft. „Es ist ein Skalpell, das einfach nur auf dem Tisch liegen muss.“ Soll heißen: Ein Grundstücksbesitzer verkauft lieber an einen seriösen Investor als an einen unseriösen, da ihm sonst der Verlust beider Käufer und ein niedrigerer Erlös droht. 

 

Schutz vor der zweiten Sanierungswelle

 

Die Tagung des Bezirks stand unter der Maßgabe, Wege aufzuzeigen, wie in Prenzlauer Berg langfristig sichergestellt werden kann, dass ein „differenziertes und bezahlbares Wohnungsangebot“ erhalten bleibt und damit eine „ausgewogene soziale Mischung und die Bereitstellung einer nachfragegerechten sozialen Infrastruktur“. Dass dies schon streckenweise gescheitert ist, zeigte sich im Helmholtzkiez, ein Musterbeispiel für Gentrifizierung, das bei der Tagung besprochen wurde. Auf diesen und andere Stadtteile, so prognostiziert Kirchner, wird wohl bald die Ausweisung neuer Erhaltungsverordnungs-Gebiete zielen. Damit soll verhindert werden, dass sich nach einer zweiten Sanierungswelle der Wohnraum in diesen eigentlich schon als durchsaniert geltenden Gebieten weiter verteuert. 

Parallel wird im Bezirksamt gerade ein neuer „Fachbereich für Soziale Stadtentwicklung“ aufgebaut. Aufgabe dieses Bereiches sei es, so Kirchner, „das Klein-Klein bei der Stadtentwicklung hinter sich zu lassen“. Zu dieser großen Linie wird aller Voraussicht auch gehören, das Umwandlungsverbot in Erhaltungsgebieten von Detailregeln zu entrümpeln. Bis jetzt kann selbst der Einbau von Doppelwaschbecken unter Umständen untersagt werden. Diese Genehmigungen für Kleinstmaßnahmen „bindet zu viele Ressourcen“, sagt Kirchner. Gespräche mit dem Senat zum Thema soll es bald geben. Doch auch ohne das Land will Kirchner jetzt offenbar vorangehen. „Sonst sitzen wir in drei Jahren noch da und reden darüber, was man gegen die Immobilienspekulation machen könnte.“

 

 

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