Trotz harter Arbeit verdienen Reinigungskräfte oft zu wenig. Katharina Florian möchte mit ihrem Unternehmen „Kehrwork“ faire Arbeitsbedingungen schaffen.
Sie putzen Toiletten, sie schrubben Flure und leeren Mülleimer. Teilweise haben sie nur wenige Minuten, um einen Bereich zu säubern, immer wieder müssen sie aggressive Putzmittel verwenden. Die meisten haben mehrere Putzstellen, hetzen von einem Ort zum nächsten. Der Job einer Reinigungskraft ist schwere körperliche Arbeit.
Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Famose Frauen aus Prenzlauer Berg“
Dennoch erfahren die Menschen in der Reinigungsbranche kaum Wertschätzung. Das zeigt sich in der Bezahlung, der schlechten Absicherung und in der Unsicherheit der Jobs. Oft müssen diejenigen, die diese Arbeit professionell erledigen, sehen, ob sie mit ihrem Geld bis zum nächsten Monat auskommen.
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Die schmutzigen Seiten der Reinigungsbranche
Das musste auch Katharina Florian feststellen. Als sie selbst nach einer Unterstützung für ihren Familienhaushalt suchte, bemerkte sie, wie prekär die Arbeitsbedingungen sind. „Ich habe verschiedene Dienstleistungsangebote getestet. Aber die Arbeitsbedingungen waren überall eine Katastrophe. Auf den Abrechnungen standen teilweise nur 9,46 Euro brutto Stundenlohn drauf. Da dachte ich, das kann nicht sein. Das ist eine solche Ausbeutung.“ Sie habe kein Verständnis dafür, wenn Unternehmen den Markt als Grund angeben und dann schlecht bezahlen.
Tatsächlich können viele in der Reinigungsbranche kaum von den niedrigen Löhnen leben. 2022 veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft einen Bericht, demzufolge rund 3,6 Millionen Privathaushalte in Deutschland Haushaltshilfen beschäftigen, ohne diese offiziell angemeldet zu haben – meist weit unter dem Mindestlohn, ohne Versicherungsschutz und ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ein Großteil ist weiblich. Viele sprechen auch nach Jahren kaum Deutsch und haben wenig soziale Kontakte. Freiwillig ist das nicht. Denn wer über 40 Stunden die Woche arbeitet, um zu überleben, hat einfach keine Zeit für andere Dinge.
Barrieren durchbrechen
„Die wichtigen Diskussionen, die werden alle schon geführt. Wir haben den Equal Care Day, wir haben den Frauentag am 8. März. Wir kämpfen an vielen Fronten und wissen genau, an welchen Stellen es hakt“, sagt Katharina Florian. Allerdings verfolge sie diese Kämpfe seit mindestens zehn Jahren. Ältere Generationen würden sogar sagen, dass sie sich schon in den 1970ern damit auseinandergesetzt hätten. „Was ich mir wünsche ist, dass mehr Leute tatsächlich was machen. Haltet euch doch nicht fest an den Problemen, sondern probiert mal aktiv aus, ob sich die Barrieren nicht durchbrechen lassen.“
Sie selbst hat deshalb im November 2021 ihr eigenes Unternehmen gegründet, um in der Reinigungsbranche aufzuräumen. Mit „Kehrwork“ verfolgt sie einen sozialen und ökologischen Ansatz, der ein gutes Gehalt ermöglichen und gleichzeitig Zeit freiräumen soll. „Das hat damit zu tun, dass in der Branche sehr, sehr viele Menschen einen Migrationshintergrund haben, viele haben eine Flucht- oder Gewalterfahrung oder tragen ein psychosoziales Trauma mit sich herum“, sagt sie. Und Sprachkurse oder Therapien bräuchten eben Zeit. „Wir haben mit über 90 Prozent eine hohe Frauenquote in der Branche in der Reinigung von Privathaushalten und davon sind sehr viele Menschen alleinerziehend“, weiß die Unternehmerin. Auch das dürfe man nicht ignorieren.
Seit August 2022 bietet das Startup nun seinen Service von Pankow aus an. Der überwiegende Teil der 13 Mitarbeiter*innen hat vorher schon im Bereich der Gebäudereinigung gearbeitet. Auch Sandra Gleiß putzt für „Kehrwork“. Die Mutter eines Sohnes kennt sich in der Branche aus, hat schon für zahlreiche Firmen gearbeitet. Insgesamt drei, vier Jahre, sagt sie. Damals sei der Zeitdruck enorm gewesen, in ihrer jetzigen Stelle sei das anders. „Es wird mehr darauf eingegangen, wenn man eine alleinerziehende Mama ist, so wie ich“, sagt sie.
Suche nach langfristigen Perspektiven
Tatsächlich macht das Reinigungs-Startup fast alles anders als ein Großteil der Branche. 1950 Euro beträgt das Festgehalt bei einer 30-Stunden-Woche, die Wegzeit gilt als Arbeitszeit, zusätzlich gibt es ein BVG-Ticket und Weiterbildungsangebote, für die „Kehrwork“ die Kosten übernimmt. Auch die Vermittlung zu psychosozialen Angeboten oder einer Rechtsberatung sind möglich. Katharina Florian versucht, individuelle Lösungen und langfristige Perspektiven für ihre Mitarbeiter*innen zu finden, die teilweise jahrelang prekär gearbeitet haben.
Damit das funktioniert, müssen die Kund*innen auch mehr zahlen. Rund 112 Euro kostet ein dreistündiger Einsatz in einem 3- bis 4-Personen-Haushalt. Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen bereit sind, diese Ausgabe zu tätigen. Der Auftragskalender ist voll: Aktuell reinigen die Mitarbeiter*innen von „Kehrwork“ um die 150 Privathaushalte und 15 bis 20 Gewerbe – auch in Prenzlauer Berg. „Wir haben die Struktur für andere Arbeitsbedingungen geschaffen, aber die Kund*innen sind diejenigen, die das durch die Beauftragung praktisch umsetzen. Wenn diese Idee nicht von so vielen Menschen verstanden und mitgetragen würde, dann wäre Kehrwork auch nicht mehr als ein Konzept“, sagt sie.
In den letzten Monaten konnte sie nicht nur beweisen, dass die Reinigungsbranche anders arbeiten kann, sondern dass sich dadurch auch das Leben ihrer Mitarbeiter*innen verändert. Viele würden ihr Leben neu gestalten, sagt die Unternehmerin. Es habe Trennungen aus toxischen Beziehungen geben, einige erlebten eine andere Unabhängigkeit, weil sie nicht mehr auf das Netzwerk der Familie angewiesen seien. Emanzipation habe einfach auf vielen Ebenen stattgefunden.
Auch die Arbeitskraft von Sandra Gleiß‘ wird dadurch angemessener und respektvoller entlohnt. Nun hat sie nicht nur eine faire Arbeit, sondern auch Zeit, sich um ihren Sohn zu kümmern und mit ihm den Nachmittag zu verbringen.
Titelfoto: Katharina Florian hat ein faires Reiningungsunternehmen gegründet / © Caroline Wimmer