Katholiken

Gott aus politischen Gründen verzogen

von Katharina Angus 2. Dezember 2022

Braucht die Kirche bessere Lobbyarbeit? Ja, sagt das Zentralkomitee der Katholiken – und steuert seine Arbeit seit Kurzem von Prenzlauer Berg aus.


Britta Baas ist Pressesprecherin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK). Vor ein paar Monaten ist das Zentralkomitee von Bonn aus nach Berlin gezogen, um näher am politischen Geschehen der Hauptstadt zu sein. Ein Besuch in den neuen Räumen auf der Schönhauser Allee.

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Frau Baas, was ist das ZdK?

Baas: Das Zentralkomitee der Katholiken ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte, der katholischen Verbände und weiterer Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Politischen Laienkatholizismus gibt es bereits seit der Revolution von 1848. Damals war das Ziel, sich als Katholik*innen in die Politik einzubringen, um in einem sich evangelisch und preußisch entwickelnden Staat nicht unterzugehen, sondern eigene Rechte zu verteidigen. Das hat später zu Konflikten geführt, die sich zum Beispiel im Kulturkampf 1871 bis 1878 niedergeschlagen haben. Das ursprüngliche Vereins- und Verbandsgeschehen trägt das ZdK bis heute weiter.  Zum Einen verstehen wir uns als Vertreter*innen des sogenannten Laien-Apostolats, zum Anderen sind wir als ZdK in intensiver Kommunikation mit allen politischen Playern – bis auf die AfD, die klammern wir aus.

Das Premiumprodukt des ZdK sind die Katholikentage, die alle zwei Jahre stattfinden. Im Alltag beobachtet das ZdK die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben und vertritt die Anliegen der Katholik*innen in der Öffentlichkeit. Dazu gehört es, sich immer wieder aktuell einzubringen. Wir engagieren uns für den gesellschaftlichen Frieden, für Klimaschutz, für Integration, für Religionsfreiheit, für Lebensschutz, gerade am Anfang und am Ende des Lebens, um nur einige unserer Themen zu nennen. Und natürlich sind wir auch engagiert für Kirchenreform. Seit 2019 ist das ZdK einer der Träger des Synodalen Weges in Deutschland. Das bindet viele Kräfte. Aber wir halten dieses Engagement für zentral.

Im Sommer hatten wir eine große Debatte um den haben wir eine große Debatte um den Paragrafen 218, weil unsere Präsidentin Mitte Juli in der Wochenzeitung Die Zeit einen Artikel platziert hatte, in dem sie auf der einen Seite für den Erhalt des Paragrafen 218 plädierte, auf der anderen Seite aber auch die Frauenrechte zu bedenken gab.

Diese Äußerungen haben zu heftigen innerkatholischen Debatten geführt und es ist auch wichtig, dass sie geführt werden. Ein großes Thema wird auch die Triage, gerade wenn im Winter die Corona-Infektionen wieder ansteigen. Wir wollen nicht, dass beispielsweise bei einer Person die Behandlung aufgegeben wird, nur weil ein anderer die besseren Überlebenschancen hat. Die Menschenwürde muss auch im medizinischen Bereich erhalten bleiben.

 

Wie finden sie als ZdK ihre Positionen?

Baas: Das ZdK hat klassische Verbandsstrukturen. Wir haben zweimal im Jahr eine Vollversammlung, die ihre Beschlüsse öffentlich macht. In der Zwischenzeit positionieren sich der Hauptausschuss, das Präsidium oder die Präsidentin des ZdK, Dr. Irme Stetter-Karp.

 

Einer der Gründe für Ihren Umzug nach Berlin bestand darin, näher an der Lobbyarbeit zu sein. Was sind wichtige Punkte, in denen Sie versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen?

Baas: Ein konkretes Beispiel ist das Engagement für den Paragraph 218. Wir finden es richtig, sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Frau, als auch das Lebensrecht des werdenden Kindes in die Waagschale zu werfen. Seit 1995 gilt in Deutschland der Kompromiss, dass Abtreibung zwar rechtswidrig ist, aber nicht strafrechtlich verfolgt wird, die Pflichtberatung vorausgesetzt. Heute verzeichnen wir in Deutschland europaweit die wenigsten Abtreibungen (Deutschland liegt europaweit auf dem fünften Platz – Anm. d. Red.) ). Wir halten das für eine Folge der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung.

 

Eine niedrige Abtreibungsrate kann auch auf verbesserte Verhütungsmöglichkeiten zurückzuführen sein.

Baas: Aber die gab es ja in der Neunziger Jahren auch schon. Die Beratung tritt in dem Moment ein, wo ein Konflikt entstanden ist.

 

Aber die Beratung ist ja in jedem Fall vorgeschrieben, auch wenn die Frau sich bereits eigenständig für eine Abtreibung entschieden hat.

Baas: Genau. Die Notwendigkeit der Beratung besteht immer, denn nur in der Beratung bekommt man einen Beratungsschein und der Beratungsschein ist Voraussetzung für einen möglichen Schwangerschaftsabbruch.

 

Und Sie finden es nicht überholt, Frauen so zu bevormunden?

Baas: Nein, das finden wir nicht überholt. Wir sind der Meinung, dass genau dieser Prozess der Beratung ein ganz entscheidender Faktor dafür ist, dass bestimmte Prozesse in Gang gesetzt werden. Dass man die Möglichkeit hat, der Frau im Konflikt auch zu sagen, welche Hilfen, welche Optionen wären da, wenn sie sich entscheidet, das Kind zu bekommen und gleichzeitig, das betone ich ausdrücklich, das Selbstbestimmungsrecht der Frau respektiert. 1999 wurde von engagierten Katholik*innen der Verein, Donum Vitae gegründet, der in der gesetzlichen Beratung mittägig ist. Viele Mitglieder des ZdK haben das unterstützt.  Zu einer Zeit, in der die deutschen Bischöfe auf Geheiß Roms aus der Beratung ausgestiegen sind. Es gab innerhalb der katholischen Kirche so viele Konflikte um diesen Paragrafen, dass es uns jetzt nicht leichtfiele, uns völlig davon zu verabschieden.

 

Innerhalb der katholischen Kirche vertreten Sie oft vergleichsweise progressive Positionen. Wie schwierig macht das die Zusammenarbeit, zum Beispiel mit der deutschen Bischofskonferenz?

Baas: Es freut uns immer, wenn man uns als mutig wahrnimmt. Unsere Haltung versuchen wir, so gut wie möglich, am Leben Jesu zu orientieren. In der komplexen Gegenwart von Politik und Gesellschaft erleben wir aber kollidierende Rechte und widerstreitende Positionen. Wir nehmen die Komplexität des Lebens wahr und versuchen, komplex auf sie zu reagieren. Bei manchen Themen werden wir für diese Vorgehensweise scharf angegriffen. Es ist eine Minderheit im deutschen Katholizismus, die uns kritisiert, aber diese Minderheit ist laut und in bestimmten Kontexten gut vernetzt. Unsere Reaktion darauf ist, immer wieder freundlich zu erklären, warum wir tun, was wir tun. Aus Fundamentalismus erwächst nichts Positives.
Mit den deutschen Bischöfen ist das ZdK gerade seit Beginn des Synodalen Weges in einem beständigen, lebhaften Austausch. Wir erleben: Die deutschen Bischöfe sind kein Block, sondern verschieden. An vielen Stellen ist das Vertrauen enorm gewachsen.

 

Momentan fragen sich viele Menschen, wie man heute noch Mitglied der katholischen Kirche sein kann. Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen notwendigem Engagement zur Besserung einer Institution und Mitschuld durch Mitgliedschaft?

Baas: Da gibt es in der Tat eine große Ambivalenz. Ich würde sagen: Die Grenze muss jeder für sich selbst bestimmen. Die Struktur des ZdK ist über die Zeit gewachsen, wir verstehen uns als Teil der Kirche und vertreten die katholische Zivilgesellschaft. Deshalb sehen wir uns auch in der Mitverantwortung dafür, dass sich die Kirche verändert, dass sie ihrer Verantwortung nach innen und nach außen gerecht wird. Deshalb engagieren wir uns nicht zuletzt dafür, dass Opfern sexualisierter Gewalt Gerechtigkeit widerfährt. Gleichzeitig ist das ein Bewusstwerdungsprozess, der mehrere Jahre gedauert hat, festzustellen, dass auch in katholischen Vereinen und Verbänden Missbrauch ein Thema ist. Neben anderen katholischen Vereinen und Organisationen entwickelt das Präventionskonzepte. Wir sind uns bewusst, dass wir Teil des Ganzen sind und versuchen, uns dem zu stellen.

 

Wie erleben Sie die Reaktionen in der Nachbarschaft auf Ihre Präsenz in Prenzlauer Berg?

Baas: Mir gefällt es sehr gut, dass wir hier mitten in Berlin sind, nicht in einer katholischen Spezialwelt. Hier erreichen uns alle möglichen Anfragen. Mich berührt dieser Ort sehr positiv, mit seinen Geschichte atmenden Räumen. Dieses Gebäude, in dem das Generalsekretariat des ZdK sitzt, beheimatete früher eine Katholische Schule, die die gesamte DDR-Zeit über existiert hat und bis heute existiert – sie ist nach Weißensee umgezogen. In der NS-Zeit war die katholische Gemeinde hier bei uns ein wichtiger Ort des Widerstands. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, frage ich mich oft, wer wohl schon vor mir hier gesessen hat.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft und das ZdK in Berlin?

Baas: Ich wünsche mir, dass wir weiterhin gut ankommen, dass wir aber im besten Sinne niemals „etabliert“ werden, sondern immer in Bewegung bleiben und als dynamisch wahrgenommen werden. Dass uns der Geist erhalten bleibt. Und ich hoffe, dass wir uns hier zuhause fühlen werden.

 

Titelbild: Katharina Angus

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