Ein Start-up gegen den Pflegenotstand

von Sarah Schaefer 10. August 2020

In der Winsstraße arbeitet ein internationales Team daran, Pflegekräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu vermitteln.


Die Weltgesundheitsorganisation hat 2020 zum Jahr der Pflegekräfte und Hebammen ausgerufen, um auf die Bedeutung dieser Berufe aufmerksam zu machen. Das war noch vor Corona. Klar ist: Die Pflegebranche leidet unter einem massiven Fachkräftemangel. Ein Start-up aus Prenzlauer Berg möchte dem etwas entgegensetzen, indem es Pflegeheime und Kliniken in Deutschland mit Fachkräften aus dem Ausland zusammenbringt. Wir haben mit Alexander Gründler und Matti Fischer gesprochen, den beiden Gründern von Careloop.

 

Ihr seid auf die Idee mit Careloop gekommen, weil ihr selbst Schwierigkeiten hattet, Pflege-Unterstützung für eure Großeltern zu bekommen. Welche Erfahrungen habt ihr bei der Suche gemacht?

Matti: Ich habe versucht meinen Eltern dabei zu helfen, eine ambulante Pflege für meinen Opa zu organisieren. Dafür habe ich die Pflegedienste rauf- und runtergegoogelt. Trotzdem war es schwierig, jemanden ans Telefon zu bekommen. Und wenn ich mal jemanden erreicht habe, hieß es, dass es nicht ausreichend Mitarbeiter gebe, um weitere Menschen zu betreuen. Wir haben dann über persönliche Kontakte die Pflege für meinen Opa organisiert. 

Alexander: Ich hatte kurze Zeit später ein ähnliches Problem, wir haben für meine Oma einen Platz in einem Pflegeheim gesucht. Es gab lange Wartezeiten. Da haben Matti und ich uns zusammengesetzt und überlegt, wie man das lösen kann. Bevor wir gegründet haben, haben wir Interviews mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geführt. Alle haben uns bestätigt, dass der Personalmangel das Kernproblem ist. 

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Auf eurer Seite steht, dass eure Plattform „den traditionellen Bewerbungsprozess auf den Kopf stellt“. Was heißt das?

Alexander: Unsere Plattform ist zugänglich für Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die auf der Suche nach Pflegekräften sind. Gleichzeitig können Fachkräfte aus dem Ausland bei uns ein Profil erstellen. Dabei geben sie unter anderem an, ob sie in einer Klinik oder einem Pflegeheim arbeiten möchten und in welcher Abteilung. Wichtig zu wissen ist natürlich auch, an welchem Ort sie arbeiten wollen und wie ihre Gehaltsvorstellungen sind. Auf dieser Grundlage ermitteln wir, welcher Kandidat zu welcher Stelle passt, und dann kann sich der Arbeitgeber bei der Fachkraft bewerben. Wir bekommen für die Vermittlung und Unterstützung von den Arbeitgebern eine Provision, für die Pflegekräfte ist das Angebot kostenlos.

 

In welchen Ländern findet ihr die Pflegekräfte?

Alexander: Es ist weltweit möglich, sich bei uns anzumelden. Wir konzentrieren uns aber gerade auf eine Zusammenarbeit mit Vietnam, den Philippinen, Mexiko, Kolumbien, Chile und Argentinien. Auch aus Tunesien, der Türkei und dem Iran gibt es Kandidaten bei uns. 

Matti: Wir haben uns andere Projekte mit Arbeitskräften aus dem Ausland angeschaut, bei denen viele Pflegekräfte wieder zurück in ihre Heimatländer gegangen sind. In unseren Augen lag das daran, dass vorher nicht genug abgeklopft wurde, wo und wie die Menschen eingesetzt werden wollen. Da gibt es viele Faktoren, die eine Rolle spielen, zum Beispiel, ob der kulturelle Hintergrund in die Teamstruktur passt. 

 

Hast du dafür ein Beispiel? 

Matti: Wir arbeiten mit einer Einrichtung in Niedersachsen zusammen, in der bereits viele Menschen aus Südamerika angestellt sind. Das Team wünscht sich, dass diese Struktur so erhalten bleibt, weshalb sich die Einrichtung um Kandidaten aus südamerikanischen Ländern bemüht. 

 

Diese drei Pflegerinnen sind über die Plattform nach Deutschland gekommen und arbeiten in einem Pflegeheim in Berlin. Foto: Careloop

 

Wie wählt ihr die Fachkräfte aus? 

Matti: Voraussetzung ist natürlich, dass die Kandidaten die nötigen beruflichen Qualifikationen mitbringen. Dokumente von der Hochschule, aber auch von der Sprachschule lassen wir von Dritten prüfen, um sicherzugehen, dass sie stimmen.

Alexander: Die Kandidaten müssen mit ihren Deutschkenntnissen mindestens auf B1-Niveau sein. Wir arbeiten vor Ort mit Sprachschulen zusammen, um die Kandidaten weiter zu schulen. Es ist auch enorm wichtig für uns, die Motivation des Kandidaten zu verstehen und zu testen, warum er oder sie nach Deutschland kommen möchte, um ein möglichst langfristiges Arbeitsverhältnis für den Arbeitgeber zu gewährleisten. 

 

Welche Motivationen sind das? 

Alexander: Der Wunsch, berufliche Perspektiven zu haben, sich eine Existenz aufzubauen, und in einem modernen Gesundheitswesen zu arbeiten. Deutschland ist für viele interessant – wie die EU insgesamt. Natürlich spielt auch die Gehaltssteigerung eine Rolle. Die Arbeitsbedingungen im deutschen Gesundheitswesen sind nicht optimal, aber sie sind oft besser als in den Heimatländern unserer Kandidaten. 

Matti: Das deutsche Gesundheitssystem hat international einen guten Ruf, die Corona-Krise hat das noch verstärkt. 

 

Haben die Länder, mit denen ihr zusammen arbeitet, nicht selbst Bedarf an den Fachkräften?

Matti: Wir rekrutieren nur aus Ländern, die einen Überschuss an Pflegekräften haben. Oft arbeiten wir mit Menschen zusammen, die in ihrem Heimatland weniger arbeiten als sie möchten oder sogar arbeitslos sind. Innerhalb der EU kann man eigentlich gar keine Kandidaten mehr rekrutieren, denn die EU-Länder leiden in den meisten Fällen noch stärker unter dem Fachkräftemangel als wir in Deutschland. 

 

Habt ihr schon Arbeitskräfte vermittelt?

Alexander: Ja, die ersten Kandidaten sind schon in Deutschland angekommen, in Berlin, Bayern und Niedersachsen. Bis Ende des Jahres wollen wir 30 Vermittlungen schaffen. 

 

Ihr seid mit eurem Unternehmen kürzlich von Spandau in die Winsstraße in Prenzlauer Berg umgezogen – warum? 

Alexander: Unsere Mitarbeiter kommen aus aller Welt. Viele sind neu in Berlin und leben in Prenzlauer Berg und benachbarten Bezirken. Wir beide stammen aus Charlottenburg, aber wir leben mittlerweile auch in Prenzlauer Berg. 

Matti: In Berlin gibt es viele andere Start-ups, mit denen wir im Wettbewerb um Mitarbeiter stehen. Da ist es einfach besser, wenn das Büro in einem internationalen Umfeld und an einem zentralen Standort ist.

 

Großes Bild: Careloop-Mitarbeiter*innen und Mitgründer Alexander Gründler (Mitte) vor den Büroräumen in der Winsstraße. Foto: Matti Fischer

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