Radeln und Abstand halten

von Sarah Schaefer 15. April 2020

Nachdem Friedrichshain-Kreuzberg vorgelegt hat, will auch Pankow vorübergehend Radwege breiter machen. Die „Pop-Up-Bikelanes“ sollen in Corona-Zeiten Platz für den nötigen Abstand schaffen.


Rauf aufs Rad: Wer zur Zeit lieber auf den öffentlichen Nahverkehr verzichtet, aber dennoch mobil sein will (oder muss), weicht möglicherweise auf das Fahrrad aus – mit ausdrücklicher Empfehlung von Rad-Expert*innen: „Das Infektionsrisiko ist auf dem Sattel deutlich geringer als in öffentlichen Verkehrsmitteln, man bewegt sich und hält einen drohenden Lagerkoller durch Homeoffice und Social Distancing auf Sicherheitsabstand“, heißt es in einem Newsletter von Berlins landeseigenem Unternehmen Infravelo, das für Projekte der Rad-Infrastruktur zuständig ist.

Doch auf den Fahrradspuren kann es eng werden – leidgeprüfte Radler*innen aus Prenzlauer Berg wissen das. Da bleibt nicht immer genug Raum, um den nötigen 1,5-Meter-Abstand zu halten.

 

Blick nach Bogotá

Um mehr Platz für Radfahrer*innen während der Corona-Pandemie zu schaffen, hat Kolumbiens Hauptstadt Bogotá kurzerhand 117 Kilometer Hauptverkehrsstraße für den Fahrradverkehr freigegeben. Dagegen wirken die Maßnahmen aus Friedrichshain-Kreuzberg fast zurückhaltend, doch in Berlin ist Pankows Nachbarbezirk mit seinen temporären Radspuren Vorreiter: Seit Ende März hat der Bezirk gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) insgesamt fünf erweiterte Radspuren eingerichtet, unter anderem an der Petersburger Straße. Einige der neuen Radwege waren ohnehin geplant und wurden nun vorläufig umgesetzt.

Nun ziehen weitere Bezirke nach – auch Pankow. Vier Straßen sind hier für die „Pop-Up-Bikelanes“ im Gespräch. Wie Verkehrsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf Anfrage mitteilte, werden voraussichtlich die Danziger Straße und die Schönhauser Allee auf mindestens einem Abschnitt eine erweiterte Radspur bekommen. Noch offen seien Strecken auf der Hansastraße und stadtauswärts auf der Prenzlauer Promenade.

„Wenn alles optimal läuft“, so Kuhn, könne die Umsetzung eines ersten Abschnitts auf der Danziger Straße „wohl bis Ende der Woche erfolgen“. Bevor die temporären Radspuren eingerichtet werden können, muss die Senatsverwaltung zustimmen.

 

Mehr Platz auch für Fußgänger*innen gefordert

Dass nun auf manchen Straßen eine Autospur wegfällt, rechtfertigt SenUVK mit einem Rückgang des Autoverkehrs während der Corona-bedingten Einschränkungen. Nach Messungen der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) ist der Autoverkehr in der zweiten Märzhälfte auf einigen Hauptstraßen der Stadt um bis zu ein Drittel zurückgegangen. Relativ hoch ist das Auto-Aufkommen aber immer noch auf dem Messabschnitt in der Bornholmer Straße/Wisbyer Straße: Hier waren in den letzten beiden Märzwochen noch immer gut 80 Prozent des regulären Autoverkehrs unterwegs.

Nicht alle sind Fans der temporären Radspuren. In Tempelhof-Schöneberg übte die CDU Kritik. „Es hat keinen Sinn, Geld und Personal in Radspuren zu investieren, die eh wieder zurückgebaut werden“, zitiert die Berliner Morgenpost den verkehrspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Bezirk Ralf Olschewski. Die breiteren Fahrstreifen könnten außerdem zu mehr „nicht erforderlichen Fahrten“ führen. Und die Pankower CDU? Eine entsprechende Anfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Fahrradverbände und Verkehrsinitiativen hingegen fordern derartige Maßnahmen für ganz Deutschland – nicht nur für Radfahrer*innen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) setzt sich dafür ein, dass „besonders enge Straßen oder Straßen in der Nähe von stark frequentierten Fußwegen“ wenn möglich für Autos gesperrt und für Fußgänger*innen freigegeben werden. Der Verein Changing Cities, der seinen Sitz in Prenzlauer Berg hat, fordert in einer Petition unter anderem „größere autofreie Shared Spaces“. Zudem sollten Wohngebiete für den KfZ-Durchgangsverkehr gesperrt werden – ganz im Sinne der Kiezblocks, die in Pankow bereits einige Anhänger*innen haben. 

 

Der temporäre Radweg in der Lichtenberger Straße in Friedrichshain Foto: Sarah Schaefer

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