Stadt

Stadt neu denken

von Julia Schmitz 14. Juni 2018

Francesca Ferguson ist Prenzlauer Bergerin und hat ein „Festival für Architektur und Andersmachen“ gegründet. „Die Stadt braucht wieder mehr Durchmischung“, hat sie mir im Interview erzählt.

Rasant steigende Mietpreise, Bodenspekulation und Luxusbauten: Berlin hat momentan gefühlt von allem zu viel. Um Politik, Architekten und Bewohner und ihre Interessen zusammenzubringen, hat Francesca Ferguson ein Festival gegründet, bei dem vom 14. Juni bis zum 1. Juli in rund 250 Talks, Diskussionen, Führungen, Ausstellungen, Workshops das Thema Stadt neu ausdiskutiert wird.

 

2015 ging das Festival MakeCity zum ersten Mal über die Bühne, nun findet die zweite Ausgabe statt. Wie ist die Idee zu dem Festival entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?

Francesca Ferguson: Ich habe schon 2002 im Café Moskau ein Festival organisiert, bei dem wir versucht haben, viele verschiedene Szenen aus den Bereichen Stadt und Architektur zusammenzubringen. Nachdem dann 2013 die Idee einer Internationalen Bauausstellung in Berlin im Keim erstickt wurde, war es meiner Meinung nach an der Zeit, ein Format zu entwickeln: Bei dem man nicht nur die Planer und die Spezialisten mit einbezieht – wie bei einer klassischen Architektur- oder Design-Biennale – sondern auch die sehr wache und aktive Zivilgesellschaft, die Verwaltung, die Stadtkultur und die Politik zusammenfasst. Wir freuen uns auf einen spannenden Diskurs darüber, was man in Berlin in Bezug auf Wohnen und Leben anders machen muss und kann wie sich das gemeinsam gestalten lässt.

 

Du sitzt mit deinem Unternehmen Make_Shift im Herzen von Prenzlauer Berg und wohnst selbst seit dem Mauerfall in Berlin. Wie würdest du die Veränderung des Stadtteils in den letzten Jahren beschreiben, was ist dir in deinem Kiez aufgefallen?

FF: Natürlich die totale Gentrifizierung! Es werden immer mehr Wohnungen in Eigentum umgewandelt und die Mieten steigen. Bei uns im Hirschhof gab es einen riesigen Garten, den sich fünf oder sechs Gebäude teilten – als zwei Gebäude von neuen Eigentümern aufgekauft wurden, haben diese sofort Zäune durch den Hof gezogen! Überhaupt werden immer mehr Grenzen und Zäune gezogen, die zu einer „Ent-Mischung“ der Gesellschaft führen. Wir konnten ein paar Sommer lang eine wunderbare Durchmischung genießen, bis der Zaun gebaut wurde.

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Stadt

Miteinander Stadt gestalten – hier auf dem Tempelhofer Feld © Viviana Abelson

 

Dazu passt das Motto des diesjährigen Festivals „Berlin Remixing | Stadt neu gemischt“.

FF: Genau. Die Stadt wird definitiv entmischt, das sieht man auch an den Strukturen der Schulen: Es gibt wenige Eltern aus der gehobenen Mittelschicht, die bereit sind, ihre Kinder in eine Schule im Wedding zu schicken, wo es größere Unterschiede in den Einkommensgruppen und Herkunftsländern gibt. Man muss das unbedingt ansprechen: Wie kann man Architektur, Stadtquartiere und Nachbarschaftsräume entwickeln – also Wohnmodelle und Gewerbe – die für eine tatsächliche Durchmischung sorgen? Ansonsten läuft es auf das Modell hinaus, das schon in vielen Städten, z.B. in Manhattan, herrscht: Dort ist der Immobilien-Investor gezwungen, einen Teil soziale Wohnungen einzubauen – dafür gibt es dann gesonderte Eingänge und Bereiche, die für die sozial schwachen Bewohner nicht zugänglich sind. Was soll das? Sowas wollen wir hier nicht!

 

Mit deinem Festival rufst du zu Diskurs und Partizipation auf. Jetzt gibt es in Berlin ja schon eine ganze Menge davon – wie könnte man Partizipation noch weiterführen?

FF: Das hängt natürlich von Projekt zu Projekt ab – wer sich engagieren möchte, kann sich mittlerweile einfach an die aktiven Gruppen wenden. Kathrin Lompscher (Die Linke), die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, möchte sogar ins Gesetz schreiben lassen, wie Beteiligung seitens der Bevölkerung funktionieren sollte. Das ist aber gleichzeitig auch wahnsinnig anstrengend: Möchte man eine Baugruppe gründen oder will man einer Genossenschaft angehören und gemeinschaftliches Wohnen pflegen – es gibt so viele verschiedene Fälle, bei denen Einmischung und Einbringung erforderlich ist! Viele davon werden bei MakeCity zur Sprache kommen. Man darf aber nicht vergessen: Für die Architekten, Politiker und Planer ist Partizipation ein anstrengender Prozess, für den Immobilienentwickler macht es den Bauprozess teurer. Man muss in Kauf nehmen, dass man damit keinen einfachen Weg geht, sondern sich mit vielen verschiedenen Parteien auseinandersetzen muss.

 

Wenn sich ab sofort jeder für seine Wunschvorstellung der Stadt einsetzt, gibt es dann nicht ein großes Durcheinander? Wie bekommt man die verschiedenen Gruppen unter einen Hut?

FF: Natürlich erfordert das professionelle Vermittlung und es gibt in vielen europäischen Städten mittlerweile Organisationen dafür. Die kennen Wege, wie man den Austausch und die Prozesse fördert, lenkt und gut strukturiert. Denn das ist eine große Kunst! Rund um das Dragoner-Areal in Kreuzberg z.B. ist auch eine solche Agentur im Einsatz.

 

Auch dein Festival setzt sich aus einem 12-köpfigen Kuratorenteam und über 100 Gründungspartnern aus aller Welt zusammen. Wie habt ihr es geschafft, sich auf ein Programm zu einigen, dass tatsächlich international gültig ist?

FF: Das ist unser Versuch: Wir wollen „glokal“ sein, also Debatten führen, die sowohl für Berlin gültig sind, aber auch andere Städte betreffen. Über mehrere Monate haben wir in Workshops zu den drei Themenfeldern „Strukturen & Prozess“, „Architektur & Raum“ und „Stadt & Natur“ Menschen aus unserem großen Netzwerk eingeladen, vorbildliche Projekte aus anderen Ländern ausgewählt und Projekte in Berlin gesucht, an denen sich die Gemüter erhitzen und wo es Gesprächsbedarf gibt.

Zum Abschluss: Was sind deine drei Highlights des Festivals?

FF: Nur drei? (lacht) Extrem spannend sind die drei Baufelder am Blumengroßmarkt in Kreuzberg, weil hier Architekten sozialen Raum sowie gemischte Arbeits- und Wohnräume entwickelt haben. Dann die Niederländische Botschaft, die während des Festivals ein riesiges Areal im Hof öffnen wird – die Berliner Hofstruktur ist auch ein wichtiges Thema von MakeCity – und dort viele Veranstaltungen abhalten wird. Wenn man etwas über Integration erfahren möchte, sollte man bei refugio in Neukölln vorbeischauen: Dort gibt es z.B. Führungen, die die Stadt aus der Sicht von Neuankömmlingen zeigen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

„MakeCity – Festival für Architektur und Andersmachen in Berlin findet vom 14. Juni bis zum 1. Juli an zahlreichen Orten in Berlin – auch in Prenzlauer Berg – statt. Der Eintritt ist frei, für manche Veranstaltungen ist eine vorherige Anmeldung nötig.

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