Mehr Milieuschutz, weniger Gentrifizierung?

von Kristina Auer 19. Oktober 2017

Der Bezirk erweitert die soziale Erhaltungsgebiete Bötzowstraße und Humannplatz und beschließt drei neue in Pankow. Kritiker bezweifeln die Wirkung von Milieuschutz.

Der Milieuschutz in Pankow wächst. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat am Mittwoch die neuen sozialen Erhaltungsgebiete Komponistenviertel, Langhansstraße und Pankow-Süd beschlossen. In Prenzlauer Berg werden die zwei bereits bestehenden Milieuschutzgebiete Bötzowstraße und Humannplatz erweitert. Mit einer Erhaltungsverordnung kann der Bezirk in diesen Gebieten städtebauliche Veränderungen regulieren. Die zentralen Punkte: Mietwohnungen dürfen nicht ohne Weiteres in Eigentumswohnungen umgewandelt werden und Modernisierungen den zeitgemäßen Standard nicht überschreiten. Grundrissveränderungen wie Zusammenlegungen von Wohnungen, Zweitbalkone oder Luxusbäder werden nicht genehmigt. Ziel ist es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in diesen Gebieten zu erhalten und die Verdrängung von wirtschaftlich schwächeren Mietern zu verhindern.

 

 

Erhaltungsgebiet Bötzwostraße wächst nach Norden

 

Künftig zählen auch die rund 1100 Wohnungen zwischen Greifswalder, Danziger, John-Schehr- und Hans-Otto-Straße zum Milieuschutzgebiet Bötzowstraße. Ein Gutachten der Gesellschaft S.T.E.R.N. für behutsame Stadterneuerung hat für das Gebiet einen sogenannten Aufwertungsdruck bestätigt. Das bedeutet, dass sich das Gebiet ohne Erhaltungsverordnung voraussichtlich stark verändern würde – zu Ungunsten der jetzigen Bewohner. Aktuell wohnen in dem Erweiterungsgebiet nördlich der Danziger Straße rund 2800 Menschen. Die Haushaltsgröße von 2,2 Personen pro Wohnung liegt über dem Bezirksdurchschnitt von 1,8 Personen pro Haushalt. Das Gutachten zeigt außerdem einen hohes Bevölkerungszuwachs von elf Prozent in den letzen fünf Jahren an. Der Bezirksdurchschnitt liegt bei sieben Prozent.

Das umrandete Gebiet nördlich der Danziger Straße gehört jetzt auch zum Milieuschutzgebiet Bötzowstraße (Quelle: Bezirksamt Pankow von Berlin)

 

Milieuschutzgebiet Humannplatz: Erweiterung bis zum S-Bahn-Graben

Das Erhaltungsgebiet Humannplatz wird stattdessen nach Süden ausgebaut: Die Häuser zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee, Wichertstraße und S-Bahn-Trasse werden aufgenommen. Hier wohnen rund 2200 Menschen. Das Gebiet war bisher eine nicht milieugeschützte Insel zwischen den Erhaltungsgebieten Arnimplatz, Helmholtzplatz, Ostseestraße/Grellstraße und Humannplatz. Möglicherweise wurde das Gebiet bei der Planung bisher vergessen, weil sich außer Wohnungen auch viel soziale Infrastruktur dort befindet: Die Heinrich-Schliemann-Oberschule, Berlin-Kids-Kita, der Jugendclub W24 und die Pfarrkirche Heilige Gemeinde befinden sich in dem Abschnitt, der Dunckerclub übrigens auch.

Laut Antrag leben in dem Abschnitt mehr Kinder als im Bezirksdurchschnitt, der Anteil der unter 6-Jährigen liegt bei 9 Prozent im Vergleich zu 7 Prozent in ganz Pankow. Der Anteil der Erwerbsbevölkerung ist laut Antrag mit 67 Prozent deutlich höher als im Bezirksdurchschnitt (53 Prozent). Der Seniorenanteil beträgt nur sechs Prozent im Vergleich zu 15 Prozent im Pankower Mittel. Der Anteil der nicht-deutschen Bewohner und derer Mit Migrationshintergrund ist dafür mit 27,3 Prozent höher als in der Umgebung. All diese Kriterien sprechen laut Gutachten dafür, dass Mieter dort ohne Milieuschutz besonders stark von Verdrängung bedroht wären.

Künftig gehört auch der Streifen zwischen Wichertstraße und S-Bahn zum Milieuschutzgebiet Humannplatz (Quelle: Bezirksamt Pankow von Berlin)

 

Kritik an Eingriff ins Privateigentum und mangelnder Wirkung

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Dem Beschluss der Zählgemeinschaft aus Linke, Grüne und SPD in der Pankower BVV die neuen Erhaltungsgebiete in der BVV-Sitzung ging eine ausgedehnte Diskussion voran. CDU, FDP und AfD stimmten in großen Teilen gegen die Aufstellung und Erweiterung der Milieuschutzgebiete. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Kraft kritisierte den pauschalen Eingriff in das Privateigentum der Wohnungsbesitzer. Der jährliche Bericht aus den Gebieten zeige, dass gar nicht viele unzulässige Baumaßnahmen überhaupt beantragt würden. Zudem gebe es auch Mieter, die sich eine Modernisierung ihrer Wohnung wünschten, so Kraft. Ein weiterer Kritikpunkt: Weil Grundrissveränderungen nicht erlaubt sind, gebe es zu wenige Wohnungen für Familien.

 

Kraft bezweifelte außerdem die generelle Wirksamkeit der sozialen Erhaltungsgebiete. In Prenzlauer Berg sei „alles durchgentrifiziert“, obwohl ein großer Teil des Stadtteil unter eines der sieben Erhaltungsgebiete falle.

 

In der Tat räumte auch Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) ein, die Erhaltungsgebiete seien „nicht ein starkes politisches Instrument“ zur Verhinderung von Gentrifizierung. Allerdings habe man auch keine besseren zur Hand:

 


Dass es nur wenige unzulässige Bauanträge gebe, hänge damit zusammen, dass die Bauherren die Kriterien in Erhaltungsgebieten kennen und nicht Genehmigungsfähiges erst gar nicht beantragten, so Kuhn weiter. Gerade hier zeige der Milieuschutz Wirkung. Ihm sei jede Wohnung, in der Mieter geschützt werden lieber, als ein völlig freier Immobilienmarkt.

 

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