Mehr Symbolpolitik wagen

von Thomas Trappe 1. September 2011

In dieser Woche dürfen 22.000 Migranten im Bezirk wählen. Das Rathaus fordert auf zur regen Beteiligung. Kleiner Haken: Die Stimmen sind so viel wert wie kein kleines Steak.

Manche Dinge sind einfach symbolisch, so von vornherein. Trockenschwimmen zum Beispiel, oder Guido Westerwelle im Außenministerium. Stört keinen, tut niemandem weh, bringt nichts. Es soll hier nicht abgestritten werden, dass es die eine oder andere Handvoll Bürger gibt, die auch Wahlen zu den eher symbolischen Gesten ohne praktische Folgen zählen, aber diese Mitteilung aus dem Hause Bürgermeister hat uns dann doch etwas überrascht: Matthias Köhne, Bürgermeister von Pankow (SPD), ruft dazu auf, sich an der symbolischen Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus zu beteiligen. Gewählt werden kann in dieser Woche im Café Oase im Interkulturellen Haus. Danach gibt’s vielleicht noch Kuchen, den kann man dann ganz in echt aussuchen.

Ist es also schon wieder soweit, wird in Prenzlauer Berg schon wieder nur symbolisch gewählt? Nicht ganz, man sei beruhigt, es trifft nur die Ausländer. 22.000 sind das laut Verwaltung im Bezirk, und die dürfen nun mal nicht wählen. Dass das irgendwie nicht ganz fair ist, das denkt man jetzt anscheinend im Pankower Rathaus. Und wenn Verwaltungen schlechtes Gewissen kriegen, passiert nun mal sowas: Symbolische Wahlen.

Nun gut, die Idee stammt nicht vom Rathaus selbst, sondern von der Initiative „Jede Stimme zählt“, die in ganz Berlin symbolische Wahlen durchführt und an diesem Sonntag die Ergebnisse im Haus der Demokratie in der Greifswalder Straße präsentieren wird. Man wolle dafür kämpfen, dass auch Migranten über kommunale Politik mitbestimmen können. Sinnvolle Aktion eigentlich. Aber vielleicht nichts für eine offizielle Verwaltungsstelle, möchte man ganz keck einwenden.

So wirkt das Ganze, nun ja, ein bisschen gehässig. Ihr dürft zwar wählen, liebe Migranten, aber eure Stimmen zählen nicht, jedenfalls nicht über ein politisch sehr symbolträchtigen Nachmittag in der Greifswalder Straße hinaus. Ein wenig wie die nette Tante mit der vielen Schokolade, die im Kindergarten die Kleinen ganz verrückt macht – und dann die ganze Schokolade selber isst. Blöde dicke Tante.

Man verzeihe den Vergleich zwischen nach Schokolade lechzenden Kindern und Wahlrecht fordernden Migranten, aber eigentlich ist der auch behördlich abgesegnet. Denn Vorbild für die virtuelle Wahl, so erklärt die Integrationsbeauftragte des Bezirks Karin Wüsten auf Anfrage, sei die vielerorts bekannte U-18-Wahl, bei der Jugendliche schon mal üben können, wie das mit der Demokratie so gemeint ist.

Klar, die Jugendlichen sind irgendwann erwachsen und dann aus der symbolischen Wahlphase raus, räumt Frau Wüsten ein. Aber die Migranten-Symbol-Wahl-Sache sei ja auch nur ein erster Schritt. Sollten sich viele Menschen an der Aktion beteiligen, könnte das ein Signal an die Politik sein, aus symbolischem echtes Wahlrecht zu machen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Migranten kein Beispiel an manchem deutschen Wahlberechtigten nehmen. Und einfach aufs Wählen verzichten. Bringt ja eh nix. 

 

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