Sport als Luxusartikel

von Juliane Schader 4. Januar 2011

Zwei Jahre lang haben die Sportscouts des SV Empor Berlin Kita- und Schulkinder für Sport begeistert. Ende Januar läuft die Finanzierung des Projektes aus.

Ein paar Tage bleiben den Kita- und Schulkindern in Pankow noch, dann ist Schluss mit dem Luxus: Mit Fußball-AGs am Nachmittag, mit Sportfesten, mit Sportunterricht bei ausgebildeten Fußballtrainern und auch mit Kursen in Gewaltprävention. Zwei Jahre lang haben die Sportscouts des SV Empor aus Prenzlauer Berg mit ihnen gearbeitet. Nun läuft die Finanzierung des Projektes aus. Die fünf festangestellten Mitarbeiter gehen zurück in die Arbeitslosigkeit.

Im Februar 2009 hatten die Sportscouts als Teil des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) ihre Arbeit aufgenommen. Diesen hatte der rot-rote Berliner Senat geschaffen, um Menschen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos waren, zurück ins Berufsleben zu führen. In ganz Berlin entstanden über 7500 sozialversicherungspflichtige, durch Förderprogramme von Bund und Land finanzierte Stellen, die gesellschaftlich sinnvoll sein sollten, ohne eine Konkurrenz zu bereits bestehenden Arbeitsplätzen zu schaffen. Der Senat hatte errechnet, dass er für jeden im ÖBS Beschäftigen 279 Euro im Monat mehr zahlen müsse, als wenn dieser Hartz IV bezöge. Nun fehlt auch dieses Geld.

 

Kinder für sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Sport im Verein begeistern

 

„Wir haben schon vorher mit Schulen zusammengearbeitet“, sagt Carsten Maaß vom SV Empor. Doch mit den fünf ÖBS-Stellen habe man das Angebot stark ausbauen können. „Früher konnten wir an Schulen in ganz Pankow zwölf AGs anbieten, mittlerweile sind es doppelt so viele.“ Dazu kämen Kurse zur Gewaltprävention, Antiaggressionstraining sowie spezielle Angebote wie Sportfeste. Es gehe darum, Kinder mit einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung vertraut zu machen und sie für regelmäßigen Sport im Verein zu gewinnen. „Mit dem Wegfallen der fünf Vollzeitstellen Ende Januar müssen wir unsere Arbeit wieder deutlich zurückfahren.“

Andreas Seidler ist einer der fünf, deren Vertrag nun ausläuft. Aufgewachsen ist er in der Danziger Straße, Ecke Schönhauser Allee. Schon als Kind hat er beim SV Empor Fußball gespielt, als dieser noch BSG Empor HO hieß. Doch seit zwölf Jahren ist Sport für Seidler tabu: Ein doppelter Bandscheibenvorfall machte den gelernten Maurer arbeitsunfähig. Die Umschulung zum Industriekaufmann brachte ihm kein Glück; den ersten Arbeitsvertrag unterschrieb er erst wieder vor zwei Jahren, als er beim SV Empor anfing.

 

Aus dem ÖBS zurück in die Arbeitslosigkeit

 

„Die Stelle war von Anfang an auf zwei Jahre befristet, jedoch mit Aussicht auf eine Verlängerung“, erzählt Seidler. Für ihn gehe es nun, wie auch für seine vier Kollegen, zurück in die Arbeitslosigkeit. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, aber Erfolg hatte ich nicht. Ich bin einfach zu alt.“

Seidler ist Ende 40. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme konnte er im Gegensatz zu seinen Kollegen nicht aktiv mit den Kindern arbeiten. Seine Aufgaben waren die Büroarbeit und die Betreuung der 1500 Vereinsmitglieder des SV Empor. 15 Euro kostet der Mitgliedsbeitrag im Monat – für jeden, der nachweisen kann, dass seine Familie von Arbeitslosengeld I oder II lebt, entfällt er ganz. Jedes zehnte Mitglied profitiere von dieser Regelung, meint Seidler. „Wenn ich mich nicht mehr darum kümmere, den Eltern das zu erklären und die notwendigen Belege anzufordern und weiterzuleiten, macht das keiner. Sport im Verein fällt für diese Kinder dann flach.“

Dennoch hat er Verständnis, dass in Krisenzeiten an Projekten wie den Sportscouts gespart wird. „Für mich hat es sich auf jeden Fall gelohnt, endlich mal wieder etwas Sinnvolles zu tun. Und wenn es nur für zwei Jahre war.“



Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar