Wir sind Politesse

von Lydia Dartsch 30. Oktober 2013

Falschparker fotografieren und per App beim Ordnungsamt anzeigen könnte bald möglich sein. Bringt das Blockwarte oder Dialog? Das Ordnungsamt Pankow findet’s schick und macht mit.

Wusch! Da war der Radler bei Rot über die Ampel gerauscht: Handy zücken, fotografieren und per Handy-App melden. Das könnte ab nächstem Jahr mit der Straßensheriff-App möglich sein. Neben Kampfradlern sollen Nutzer damit auch falsch geparkte Autos per Foto samt Standortinformation melden können. Diese Informationen landen dann auf einer Karte – allerdings, ohne das Nummernschild zu veröffentlichen. So sollen Bereiche identifiziert werden können, in denen es gehäuft Verstöße gibt. Ist der Fahrzeughalter registriert, bekommt er sogar eine Nachricht.

Klingt nach einem Online-Pranger für Falschparker, einem Überwachungsinstrument für Hobbypolizisten und Blockwarte. Es war auch schon von „Stasi-App“ die Rede. Das sieht Heinrich Strößenreuther, der die Straßensheriffs gegründet hat, völlig anders. Kennzeichen würden nicht veröffentlicht, sondern lediglich statistische Daten erhoben, wo besonders viel falsch geparkt werde oder wo es im Straßenverkehr besonders gefährlich sei. Diese Informationen sollen alle Nutzer einsehen können.

 

„Dein Autodach ist noch offen. Es regnet gleich.“

 

Strößenreuther will Dialog schaffen, wie er immer wieder betont: Die Nutzer sollen Falschparker zuerst per Mitteilung darauf aufmerksam machen, dass sie anderen im Weg stehen. Sie können auch schreiben, dass das Licht am geparkten Wagen noch brennt oder das Autofenster heruntergekurbelt ist. Auch flirten soll mit der Messaging-Funktion der App möglich sein.

„Die Menschen sollen aufmerksamer miteinander umgehen“, sagt Strößenreuther, der früher Manager bei der Deutschen Bahn und Kampagnenplaner bei Greenpeace war. Mit der App bezweckt er eine Verhaltensänderung bei den Verkehrsteilnehmern: „Wenn jemand beispielsweise vor einem abgesenkten Bordstein parkt, sieht das aus Autofahrer-Perspektive noch nicht schlimm aus. Für körperlich eingeschränkte Menschen, Senioren mit Rollatoren, Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen ist das aber ein Hindernis beim Überqueren der Straße – eine große Einschränkung in ihrer Lebensqualität“, sagte er.

 

Falschparker gefährden Menschen

 

Noch gefährlicher sei es, wenn Autos auf Radwegen parken und Radfahrer auf die Straße ausweichen müssen. Dabei habe es sogar tödliche Unfälle gegeben: „Dabei wollte der Autofahrer nur mal schnell Brötchen holen“, sagt Strößenreuther.

Doch mit der App sollen Falschparker auch beim Ordnungsamt angezeigt werden können. Ein Drohpotenzial, das Strößenreuther beabsichtigt. Wiederholungstäter sollen so abgeschreckt werden, sich daneben zu benehmen. Die App zählt mit, wie oft ein Kennzeichen bereits gemeldet worden ist und bietet dem Nutzer an, Anzeige zu erstatten.

 

Parkraumwächter per Smartphone zu Brennpunkten schicken

 

So etwas hat sich das Ordnungsamt Pankow erträumt: Torsten Kühne (CDU), Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice war so begeistert von der Idee, dass er den Initiatoren seine Kooperation angeboten hat.

Geld werde das Amt nicht beisteuern und sich auch nicht in die Programmierung einmischen, sagte Kühne. Stattdessen werde man mit den Entwicklern besprechen, wie eine Anzeige über die App funktionieren und wie man die persönlichen Daten der Beteiligten schützen könne. Außerdem könnten die 150 Mitarbeiter der Parkraumüberwachung die App auf ihren Smartphones nutzen und dort kontrollieren, wo besonders häufig Falschparker gemeldet werden.

 

Nicht genug Personal für Anzeigenflut

 

Noch ist es recht kompliziert, eine Anzeige wegen Falschparkens zu erstatten. Das könnte sich durch die App und die Kooperation mit dem Bezirk ändern. Für das Ordnungsamt könnte eine Anzeigeflut die Folge sein: „Wir hoffen, dass die Bürger die Anzeigefunktion mit Augenmaß nutzen. Denn tausende Hinweise zu bearbeiten können wir personell gar nicht leisten“, sagt Kühne. In den meisten Fällen würden die Verfahren ohnehin eingestellt.

Ob die App kommt, ist abhängig vom Erfolg der Crowdfunding-Kampagne. Von den 33.000 Euro, die dafür benötigt werden, wurden erst rund 9.000 Euro eingesammelt. Noch knapp zwei Wochen hat Strößenreuther Zeit für den Rest. So lange läuft die Aktion. Das soll die Basis-App finanzieren. Für noch mehr Funktionen benötigt Strößenreuther 59.000 Euro. Ihm und Kühne ist angesichts der Resonanz und der bisherigen Spendensumme klar: Es gibt Bedarf für die App.

 

 

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