Phantom für Pankow

von Thomas Trappe 13. Juni 2016

Die AFD wird bei der Wahl wohl auch in unserem Bezirk punkten. Dabei ist die Partei hier nahezu unsichtbar. Und mit eigenen, lokalen Themen fällt sie schon mal gar nicht auf.

Nach jetzigem Stand wird die AFD bei der Wahl im Herbst ungefähr in gleicher Stärke in das Abgeordnetenhaus einziehen können, wie vor fünf Jahren die Piraten. Je nach politischer Stimmungslage in Berlin könnten damit ein bis zwei Dutzend AFD-Abgeordnete im Landesparlament sitzen und eine Handvoll in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die AFD wird damit aller Voraussicht nach für mindestens eine Legislaturperiode eine relevante Größe auf Berliner Oppositionsbänken. Doch für welche Politik wird sie dabei konkret stehen? Es ist eine Frage, die beim Blick in die Verlautbarungen der Partei auf Bezirksebene nur schwer zu beantworten ist. Ob diese Undefinierbarkeit Teil eines politischen Kalküls oder schlicht personeller Notlage geschuldet ist – schwer zu sagen. Fest steht, dass die AFD in die Lokalpolitik gehen will, ohne sich bisher groß mit Lokalpolitik auseinandergesetzt zu haben.

Zwei bis drei AFD-Leute aus dem Bezirksverband Pankow haben eine realistische Chance, über die Landesliste der Partei ins Abgeordnetenhaus zu ziehen. Sehr wahrscheinlich dabei ist der Journalist Ronald Gläser, der seit mehr als zwanzig Jahren für die national-konservative „Junge Freiheit“ schreibt. Jüngst zum Beispiel fand Gläser dort den Brückenschlag von der hohen „Kopftuchquote“ in Steglitz über migrantische „Streßtypen“ hin zur Vertuschung von Bandenkriminalität in Einkaufszentren. Auf Twitter beschwert sich Gläser gerne über zu hohe Steuern in Deutschland und fordert die Abschaffung des kleinen Waffenscheins. Auf Platz 18, und damit nur mit etwas Glück im Parlament, findet sich Bezirkssprecher Herbert Mohr. Er ist 27 Jahre alt, hat in Pankow sein Abitur gemacht und ist ausgebildeter Physiotherapeut – auf der AFD-Homepage bezeichnet er sich als „wertkonservativ und liberal“. Auf Platz 20 der Landesliste findet sich dann Hanno Bachmann, der den Berliner AFD-Fachausschuss Integration leitet, der sich wiederum vorrangig mit der Abschiebung von Asylbewerbern beschäftigt.

 

BVV-Kandidaten sind Pegida-nah

 

Die Liste für die BVV-Wahl führt Christian Buchholz an, über den weder die AFD-Homepage noch das restliche Internet verlässliche Angaben macht. Genau wie über Liane Bottin und Thomas Weisbrich, die auf den Listenplätzen vier und fünf stehen. Auf Platz zwei steht Bezirkssprecher Mohr, auf der Drei Stefan Kretschmer. Dessen Facebookseite gibt etwas Aufschluss über seine politische Ausrichtung. Kretschmer gibt hier den klassischen Sorgenbürger, der zum Kernklientel der AFD gehört. So thematisiert er auf seiner Seite mit Vorliebe seine Sorgen vor islamistischen Terroranschlägen, seine Sorge vor dem Euro und seine Sorge vor der Islamisierung Deutschlands. In der AFD würde sich Kretschmer wohl eher dem rechten Gauland- als dem gemäßigten Petryflügel zuordnen: So bekannte er sich auf Facebook auch schon ausdrücklich zur Pegida-Bewegung, und zwar zu einem Zeitpunkt, als deren Führer Lutz Bachmann kurzzeitig wegen rassistischer Facebookeinträge die Dresdner Bühne verlassen musste.

Eine klares politisches Profil lässt sich aus dieser personellen Zusammenstellung nur schwer definieren, als sicher kann aber gelten, dass der AFD-Bezirksverband gerne mal sehr weit rechts blinkt. Zum Beispiel, indem der Verband unter anderem Jürgen Elsässer zu Vorträgen einlädt. Also einen der führenden Protagonisten und Propagandisten der Neuen Rechten, die sich inzwischen unter der Knute eines Regimes wähnt, das den Untergang Deutschlands vorantreibe. Um lokale Themen geht es in der AFD Pankow hingegen fast nie, schaut man auf die sowieso spärlichen öffentlichen Äußerung des Verbands.

 

 Die AFD kämpft für: Parkplätze

 

Auf dessen Internetseite finden sich seit Januar 2014 aktuelle Meldungen und Meinungsbeiträge. Die allermeisten beschäftigen sich mit bundes- oder europapolitischen Fragen oder sind schlicht gänzlich unkommentierte Verlinkungen auf Presseberichte. Nur wenige Male in der gesamten Zeit kann man von einer lokalen Akzentuierung sprechen: Einmal, als eine von einem Rechtsextremisten angemeldete Anti-Asyldemo in Marzahn verteidigt wird. Einmal, als die AFD damit wirbt, dass sie erstmals (und offenbar auch einmalig) als Besucher eine Sitzung der Pankower BVV beigewohnt habe. Und einmal, als die AFD gegen den Wegfall von Parkplätzen bei der geplanten Neubebauung in der Michelangelostraße protestierte. „Unsere Parkplätze sind kein überflüssiger Luxus“, heißt es in der Mitteilung. Das Projekt in der Michelangelostraße ist ein klassisches Mobilisierungsthema – nicht umsonst hat es Michail Nelken, Abgeordnetenhauskandidat der Linken im betreffenden Wahlkreis 9, vor einem Jahr ebenfalls aufgegriffen.

Das passt. Denn bei Linken-Wählern hat die AFD als neue Protestpartei nach den bisherigen Erfahrungen den größten Erfolg. Sie wird daher aller Voraussicht nach auch in Pankow versuchen, Linke zu sich zu ziehen. Schaut man nur auf die Zahlen, ergibt das Sinn: Schließlich erreichte im Bezirk Pankow bei der letzten großen Wahl, zum Bundestag 2013, die Linke die meisten Zweitstimmen. Allerdings kann dies auch am profilierten und für einen liberalen Kurs stehenden Spitzenkandidaten Stephan Liebich gelegen haben. Bei der Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahl 2011 nämlich landete die Linke hinter SPD und Grünen nur auf Platz 3.

 

Eine ewige Warteschlange

 

Prognosen über das AFD-Ergebnis sind damit nahezu unmöglich. Über die künftige Politik allerdings kann man schon eher etwas voraussagen. Die AFD wird wohl an Themen das aufgreifen, was gerade passt und sich in zwei Sorgensätze gießen lässt. Gerne hätte man von der AFD Pankow in einem Interview mehr erfahren, wenn die Partei denn für Interviews bereit wäre oder wenigstens zu Telefonaten. Ende Juni, erklärt AFD-Bezirkssprecher Mohr per Mail, werde es ein Bezirksprogramm geben. Vorher wolle man nichts zu Programmschwerpunkten sagen. Auch bei den beiden Sprechern des Berliner Landesverbands ist nichts zu holen. Dort bekommt aber immerhin beim letzten Anruf-Versuch eine schöne Metapher auf die Politik einer Partei, die sich darauf versteht, das Gefühl zu vermitteln, sie nehme die Sorgen von Menschen ernst. „Sie sind der erste in der Warteschlange“ kann da nämlich der geneigte Anrufer hören. Vom Band, In der Endlosschleife, siebeneinhalb Minuten lang. Am Ende legt die AFD dann einfach auf.

 

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Zur Kompaktübersicht der Wahlprogramme.

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