Paul Schlüter

Pankows jüngster Politiker

von Anja Mia Neumann 24. März 2017

Gleichaltrige wollen nach der Schule nach Hause, um zu schlafen und zu zocken. Paul Schlüter geht in Ausschusssitzungen und Fraktionsklausuren. Seit Oktober ist der 19-Jährige der jüngste Bezirksverordnete in Pankow.


„Am 1. April habe ich Vierjähriges“, sagt Paul Schlüter und er sagt das so als wäre es ein wirklich wichtiger Jahrestag für ihn. So etwas wie Kennenlerntag oder Vereinsjubiläum. Mit dem klassischen Teenie-Leben hat dieser Tag aber wenig zu tun: Denn er ist Schlüters Eintrittsdatum in eine Partei. Mit 15 Jahren ist er Mitglied der Linken geworden – und inzwischen fast täglich auf Sitzungen und Infoveranstaltungen unterwegs. Mit 19 Jahren ist Schlüter der jüngste ehrenamtliche Politiker im Bezirk Pankow.

Schlüter ist ein Workaholic, der den Altersdurchschnitt überall nach unten drückt. Seit den Wahlen im Herbst sitzt er mit 54 anderen Bezirksverordneten in den BVV-Tagungen. Hier werden Einwohneranträge der Pankower bearbeitet und Beschlüsse an den Senat weitergereicht.

Hinzu kommen Treffen in den Ausschüssen, am Wochenende Klausuren in der Fraktion, Bürgerstände auf der Straße mit dem Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich und viel, viel Papierwust, den es zu lesen gilt. Alles neben Schlüters Schule. Die startet morgens um 8 Uhr. Auf der Elinor-Ostrom-Schule nahe der Greifswalder Straße macht er sein Fachabitur und wird Kaufmann für Büromanagement. Wenn es schlecht läuft, ist er gegen 22:30 Uhr zu Hause.

 

Coole Leute und eine Ost-Familie

„Politik ist mein Hobby“, sagt Schlüter. Seine Mitschüler schüttelten darüber meist den Kopf: „Das was ich mache, würden sie für kein Geld der Welt machen, sagen sie immer.“ Für ihn selbst passt das: „Ich mache ja auch noch Party.“ Der 19-Jährige hat zurückgegelte Haare, trägt einen blauen Pullover und einen grauen Schal. Den hat er auch im Café Chagall am Senefelderplatz nicht abgenommen. Es zieht ein bisschen.

Man merkt sofort: Schlüter redet gern und ungezwungen. „Ich war schon immer ein Mensch, der sagt: Ich sehe es nicht ein, dass Andere die Geschicke bestimmen. Ich will mitreden.“ Dass Schlüter den Bezirkspolitiker und den Teenager in einer Person vereint, wird in seinen Antworten erkennbar. Warum er sich denn für die Linke entschieden habe? „Den Gerechtigkeits- und Friedensgedanken sehe ich nur bei der Linken“, sagt er in professionellem Politiker-Sprech. Und fügt kurz darauf hinzu: „Außerdem sind da coole Leute.“ Viele Parteimitglieder kennt er noch aus seiner Zeit im Landesschülerausschuss. Sein politischer Ehrgeiz, der startete damals.

Geboren ist Schlüter in Berlin und lebt mit seinen Eltern in Alt-Pankow. „Wir sind eine klassische Ost-Familie.“ Seine Mutter arbeitet in einem Altersheim als Reinigungskraft, sein Vater ist Polizist und fährt von der Wache am Mauerpark aus auf Streife. Politisch aktiv wie ihr Sohn waren sie nie.

 

Das Gesicht auf dem Plakat und freies Lernen

Der ist jetzt kinder- und jugendpolitischer Sprecher seiner Pankower Partei. Den jungen Menschen im Kiez will er zu mehr Mitbestimmung verhelfen: Sie zeichnen lassen, wie ihre Traumkita oder ihr Lieblingsjungendclub aussehen würde, ist eine von Schlüters Ideen.

Außerdem – wie sollte es anders sein – ist das Thema Schule sein Steckenpferd. „Es finden immer alle ganz abgefahren, wenn ich von freier, demokratischer Schule spreche.“ Die Jetzige ist ihm zu dröge und institutionalisiert. „20 Prozent meiner Lehrer sind Bananen. Für Seite 150 bis 180 im Arbeitsheft brauche ich nicht in die Schule zu gehen.“ Stattdessen sollten Schüler das Lernen lernen und viel mehr selbst bestimmen können, was sie interessiert und darauf Antworten suchen dürfen.

Einen Vorschlag für die Verbesserung der großen BVV-Tagungen in Pankow hat Schlüter auch noch. „Ich finde sie sehr technokratisch. Die unbegrenzte Redezeit ist furchtbar, weil es so viele Selbstdarsteller gibt, die nicht in der Sache diskutieren.“ Abhilfe könnte seiner Meinung nach eine Rede-Ampel bringen. „Davon bin ich ein großer Fan.“ Und der Livestream der Diskussionen ins Internet sollte bald kommen, wenn es nach ihm geht.

Will er Berufspolitiker werden? „Das weiß ich noch nicht. Sein Gesicht auf einem Plakat an einer Laterne zu sehen, wären schon cool. Aber ich will nicht die Bodenhaftung verlieren.“ Für die Zeit nach der Schule hat sich Schlüter erst mal drei Studiengänge rausgesucht: Soziale Arbeit, Verwaltung und Wirtschaftsrecht.

Bevor Schlüter aufbricht, bekommt der Motz-Verkäufer noch eine Spende. Dann läuft er in die Fraktionsräume in der Fröbelstraße, die sein zweites Jugendzimmer geworden sind. Er will sich noch eine Kleine Anfrage durchlesen.

 

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