Kulturkahlschlag – Lohnt sich das?

von Juliane Schader 14. Februar 2012

Sechs kulturelle Einrichtungen stehen auf der Streichliste des Bezirks. Aber lohnt sich deren Schließung wirklich? Wir haben das fix mal durchgerechnet.

Der Bezirk Pankow muss sparen und hat dazu sechs kulturelle Einrichtungen auf eine Streichliste gesetzt. Doch welches Sparpotential bieten diese wirklich, und welche Einnahmen gehen dem Bezirk im Gegenzug durch die Lappen, falls Bibliotheken und Musikschulen wirklich schließen? Die Antworten des Kulturstadtrats Torsten Kühne (CDU) auf mehrere kleine Anfragen von Matthias Zarbock, Bezirksverordneter der Linken in Pankow, geben da Auskunft. Eine Zusammenfassung.

 

Kulturstandort Ernst-Thälmann-Park

Mit der Schließung der Kultureinrichtungen im Ernst-Thälmann-Park sollen 475.000 Euro an Infrastrukturkosten im Jahr eingespart werden. Hinzu kommen im Extremfall knapp 340.000 Euro für Personal. Es könne aber gut sein, dass einige der sieben Angestellten nicht entlassen, sondern an anderen Orten eingesetzt würden, schreibt Kühne.

Im Gegenzug rechnet der Stadtrat mit Einnahmeverlusten von etwa 55.000 Euro durch Wegfallen der Eintrittsgelder und zeitweise Vermietung. Zudem fielen fast drei Viertel des bezirklichen Angebots an Galerien, Theatern und sonstigen kulturellen Veranstaltungen weg. Pankow könne demnach nach der Schließung nur noch marginal kulturelle Angebote machen, schreibt Kühne. Daher plädiert er auch nicht für eine alternativlose Aufgabe des Standorts. Vielmehr suche man derzeit nach Alternativen. Aufgrund der dringend notwendigen Sanierung des Areals im Thälmann-Park, für die der Bezirk kein Geld habe, könne man aber nicht einfach so weitermachen wie zuvor. Falls es zu einem Umzug käme, entständen weitere Kosten, etwa für Transporte und Einlagerungen.

 

Stadtteilbibliothek Karow:

Mit der Schließung dieses Standorts will man jährlich 55.000 Euro Infrastrukturkosten sparen. Das Personal soll in den anderen Büchereien eingesetzt werden, wo man mit dessen Hilfe etwa Öffnungszeiten ausdehnen könnte. Da die nächstgelegene Bücherei in Buch mit Bus, Auto oder Rad schnell erreichbar sei, erwarte man eine nahezu vollständige Leserwanderung, schreibt Kühne.

 

Ehrenamtsbibliothek Kurt-Tucholsky:

Hier sollen gut 28.000 Euro an Infrastrukturkosten eingespart werden. Das Personal arbeitet schon jetzt ehrenamtlich. Die Leser sollen in der Bezirkszentralbibliothek an der Greifswalder Straße sowie in der gerade wiedereröffneten am Wasserturm versorgt werden. Dort könnten dafür zur besseren Versorgung die Öffnungszeiten ausgedehnt werden.

 

Bei beiden Bibliotheken geht man davon aus, dass die Leser auf die Dauer anderen Büchereien des Bezirks besuchen. Daher sollen kaum Einnahmeverluste entstehen. Jedoch rechnet Kühne mit einem Jahr Umgewöhnungsphase – wie viel Geld dem Bezirk in dieser Zeit durch die Lappen geht, könne er aber nicht sagen.

Bei der Leseförderung, die von räumlichen Kapazitäten und Zeitfenstern abhängig ist, geht man davon aus, dass zeitweise nur noch die Hälfte des bisherigen Angebots vom 3000 Geförderten gestemmt werden kann.

Warum es ausgerechnet diese beiden Standorte trifft, kann Kühne nicht erklären. Man müsse halt irgendwo sparen, schreibt der Kulturstadtrat.

 

Musikschulstandort Buch/Karow:

Wenn das Gebäude abgewickelt und an den Liegenschaftsfonds des Landes übertragen würde, sparte der Bezirk knapp 193.000 Euro im Jahr. Ob dazu auch Personalkosten kommen, ist noch offen. Dabei geht es um 240.000 Euro an Honorarmitteln. Wenn diese gestrichen würden, könnten nur noch 60 der bislang 330 Unterrichtsstunden angeboten werden; die würden durch die festangestellten Lehrkräfte an den Musikschulstandorten Pankow und Weißensee abgehalten. Wenn die Honorarmittel auf dem jetzigen Stand erhalten bleiben, schlägt Kühne vor, einfach nur das Gebäude aufzugeben und die Stunden in anderen Räumen anzubieten, etwa in der Robert-Havemann-Schule oder einem weiteren Bezirksgebäude am S-Bahnhof Buch. Falls die Honorarmittel gekürzt werden und demnach 270 Unterrichtsstunden pro Woche wegfallen, drohen Einnahmeverluste von 208.000 Euro pro Jahr.

 

Galerie Pankow:

Knapp 42.000 Euro an Infrastruktur-Kosten sollen durch die Schließung gespart werden. Die Galerieräume können jeweils zum 30. November eines Jahres mit sechs Monaten Frist gekündigt werden. Die Entlassung der Leiterin der Galerie würde noch einmal gut 55.000 Euro bringen – vermutlich wird sie aber an einer anderen Stelle eingesetzt.

Einnahmen erzielt die Galerie bislang nur durch den Katalogverkauf, der jährlich höchstens 600 Euro einbringt, die mit der Schließung wegfielen.

Kühne selbst schreibt, dass die Galerie gemeinsam mit dem ebenfalls zur Diskussion stehenden Museumsstandort Heynstraße der letzte bezirkliche Kulturstandort im Ortsteil Alt-Pankow ist. Da dort Kunst sowohl entstehe als auch zeitgenössische Bildende Kunst gezeigt werde, wirke die Galerie über den Bezirk hinaus.

 

Museumsstandort Heynstraße

Durch die Abwicklung des Museums im ehemaligen Wohnhaus eines Pankower Fabrikanten würde 52.000 Euro im Jahr an Kosten für die Infrastruktur eingespart. Der gültige Mietvertrag läuft am 31. Mai 2016 aus. An den Personalkosten würde sich nichts ändern, da die einzige Mitarbeiterin schon jetzt drei Tage für das Museum Pankow im Allgemeinen arbeitet.

Problematisch könnte bei der Aufgabe noch werden, dass die Sanierung der heutigen Ausstellungsräume mit knapp 43.000 Euro vom Landesdenkmalamt, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie dem Hauseigentümer gefördert wurde. Voraussetzung dafür war unter anderem, dass die Räume öffentlich zugänglich bleiben und als Museum genutzt werden. Ob sich durch die mögliche Schließung Rückzahlungsverpflichtungen ergeben, wird laut Kühne derzeit geprüft.

Der Stadtrat nennt das Museum „Kleinod“; es handle sich „für Berlin um einen einzigartige Präsentation großstädtischen, bürgerlichen Lebens um 1900 an einem authentischen Ort.“ Zudem verweist er auf ein Gutachten des Landesdenkmalamtes von 1993, welches die Erhaltung des Museums und des öffentlichen Zugang als unbedingtes Interesse der Allgemeinheit und des Denkmalschutzes beschreibt.

 

Fazit:

Einsparpotential Infrastruktur: 845.000 Euro

Einsparpotential Personal: 0 bis 635.000 Euro

Verluste (unter anderem): 55.000 Euro Einnahmen aus dem Thälmann-Park, Verlust von drei Vierteln des kulturellen bezirklichen Angebots, Kosten für Umzug und Einlagerung der Kultureinrichtungen des Thälmann-Parks, 1500 Kinder weniger bei der Leseförderung, bis zu 270 Musikschulstunden weniger pro Woche, bis zu 208.000 Euro Einnahmen durch die Musikschule, eventuell Rückzahlung von bis zu 43.000 Euro Förderung zur Sanierung des Museumsstandortes Hehynstraße, 600 Euro aus Katalogverkäufen der Galerie Pankow

 

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