Des Lied ich sing

von Juliane Schader 20. Januar 2015

Am Mauerpark sollen Wohnungen entstehen, doch noch fehlt die Baugenehmigung. Zuständig dafür ist der Bezirk Mitte. Mehr als seinen Bürgern scheint dieser sich dem Investor verbunden zu fühlen.

Links Carsten Spallek, CDU-Politiker und Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte, rechts Thomas Groth, Geschäftsführer der Groth-Gruppe, so stehen Sie mit ihren Unterschriften friedlich vereint auf einem Flyer. „Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger“, heißt es darin, „das Bezirksamt Mitte und die Groth Gruppe möchten Sie gerne zu einer Informationsveranstaltung zur geplanten Bebauung am Mauerpark am 20. Januar 2015 um 18 Uhr in die Ernst-Reuter-Oberschule (…) einladen.“

Bezirk und Investor informieren gemeinsam über ein Neubaugebiet – klingt harmlos, ist es aber nicht. Denn noch hat der Investor kein Baurecht, und es ist der Bezirk Mitte, der ihm dieses gewähren muss. Dafür wird derzeit im Bezirksamt ein Bebauungsplan erarbeitet. Eigentlich sollte es sich dabei von geltendem Baurecht und den Interessen der Allgemeinheit leiten lassen- dafür ist Verwaltung schließlich dar. Indem der Bezirk schon jetzt öffentlich gemeinsame Sache mit dem Investor macht, kommt allerdings der Eindruck auf, dass er sich diesem stärker verpflichtet fühlt als den Berlinern.

 

Eigentumswohnungen, die auf Ziegen starren

 

Zwei Jahre ist es her, dass die Groth-Gruppe das Gelände nördlich des Gleimtunnels erwarb. Seitdem laufen die Planungen für das Baugebiet, in dem nach aktuellem Stand der Dinge 650 Wohnungen entstehen sollen. Baurecht gibt es dort, wie gesagt, bislang nicht. Seit Monaten schiebt der Bezirk Mitte die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans immer wieder auf – wohl bewusst, denn eine Heerschar engagierter Bürger wartet derzeit nur darauf, mit allen Mitteln gegen diesen Plan und damit die gesamte Bebauung vorgehen zu können.

Zum einen fürchten diese, dass schicke Neubauten zwischen Gleim- und Brunnenviertel die Gentrifizierung noch weiter anheizen könnten. Zum anderem machen sie sich um den Erhalt bestehender Angebote wie den Kinderbauernhof Moritzhof und das Treiben im Mauerpark Sorgen. Möchte, wer für viel Geld eine Eigentumswohnung kauft, dort tagtäglich Trommelmusik und Ziegengeruch ertragen? Es wäre nicht dass erste Mal, dass in Berlin später Dazugekommene alte Institutionen aus Lärmschutzgründen wegklagen.

 

Bebauungsplan mit Extras

 

Und noch ein weiterer Faktor bereitet ihnen Bauchschmerzen: Schon vor Jahren war der Investor Klaus Groth in Berlin mit Immobiliengeschäften aufgefallen, die wohl nur durch sehr enge Kontakte zur Lokalpolitik möglich waren, wie damals Fernsehrecherche nahelegten. Nun hat er ein Grundstück erworben, das wiederum mit einem Deal mit der Politik daherkommt: Wenn Groth auf der Fläche nördlich des Gleimtunnels Baurecht bekommt, erhält das Land Berlin im Gegenzug insgesamt sieben Hektar südlich geschenkt, um den Mauerpark zu erweitern. Dies wiederum ist Bedingung der Allianz Umweltstiftung, die in den 1990er Jahren die Gestaltung des derzeit bestehenden Parks finanzierte.

2,3 Millionen Euro müsste das Land der Stiftung bezahlen, wenn der Park nicht Richtung Westen erweitert würde. Die Fläche dafür bekommt es aber nur, wenn es dem Investor Groth Baurecht zugesteht. Falls dieses nicht nach seinen Wünschen ausfällt, kann er vom Land Entschädigung verlangen.

Ganz ohne Druck ist man im Bezirksamt Mitte also nicht, während man an dem Bebauungsplan für das Areal feilt: Ist der Investor nicht zufrieden, lässt er den Deal platzen, und das kommt das Land teuer.

  

Stadtrat oder Investorrat, das ist hier die Frage

 

Dennoch dürfen nicht Investoren entscheiden, wie in einer Stadt gebaut wird. Das muss ein unabhängig arbeitendes Bezirksamt garantieren. Dass dieses jedoch noch frei entscheidet, ist schwer zu glauben, wenn der Stadtrat sich so öffentlich mit der Groth Gruppe gemein macht – zumal das nicht zum ersten Mal passiert: Zuletzt verteilte Carsten Spallek bei einer Pressekonferenz das Marketing-Material des Investors, als handele es sich dabei um Informationsbroschüren des Bezirks.

Die Groth Gruppe fiel zuletzt dadurch auf, Menschen von der anderen Seite des Verhandlungstisches in ihr Team zu holen: Seit September 2013 macht Anette Mischler, zuvor langjährige Sprecherin des Berliner Liegenschaftsfonds, die Pressearbeit. Ein halbes Jahr später folgte Projektentwickler Hendrik Thomsen, früher Berlin-Chef der CA Immo, von der Groth das Grundstück am Mauerpark erworben hat. 

Carsten Spallek hingegen ist, so steht es bis heute auf der Website des Bezirkes Mitte, dort Stadtrat für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Bauen und Ordnung und damit im Dienste der Bürger tätig. Entsprechend sollte er sich verhalten. Wenn er dazu keine Lust mehr hat, muss er gehen.

 

„Informationsveranstaltung zur geplanten Bebauung am Mauerpark“, Dienstag, 20. Januar ab 18 Uhr, Ernst-Reuter-Oberschule, Stralsunder Straße 57 in Mitte.

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