Ur-Grüner aus der Grünen Stadt soll Stadtrat werden

von Anja Mia Neumann 18. Januar 2017

Vollrad Kuhn heißt der Mann, den sich Pankows Grüne als neuen Stadtrat wünschen. Er kommt als Urgestein aus der DDR-Umweltbewegung und lebt am Anton-Saefkow-Park. Seine Nominierung hat ihn „selbst überrascht“.

Pankows Grüne haben getagt – und sich entschieden. Entgegen aller Erwartungen für einen Mann: Vollrad Kuhn, 60 Jahre alt, Mitbegründer der grünen Partei in der DDR und zuletzt Fraktionsangestellter im Abgeordnetenhaus soll Grünen-Stadtrat im Bezirksamt werden. Am Dienstagabend nominierten ihn dafür die Kreismitglieder. In der kommenden Woche wird sich der Ur-Grüne den Bezirksverordneten zur Wahl stellen: Und dann möglicherweise Pankows neuer Stadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste und stellvertretender Bezirksbürgermeister werden.

Der Posten war frei geworden, weil Jens-Holger Kirchner nach zehn Jahren im Amt im Dezember als Verkehrsstaatssekretär in den Senat wechselte. Er selbst hatte noch auf eine Frau als Nachfolgerin spekuliert. Tatsächlich war auch starke weibliche Konkurrenz gegen Kuhn angetreten: Die BVV-Fraktionsvorsitzende Daniela Billig und die Sprecherin für Stadtentwicklung Almuth Tharan, die schon seit 2001 in der BVV sitzt.

 

Sieg gegen 15 Jahre BVV-Erfahrung

 

„Ich bin selbst überrascht“, sagte Kuhn den Prenzlauer Berg Nachrichten nach seiner Nominierung. Der 60-Jährige setzte sich in drei Wahlgängen letztlich deutlich gegen seine fünf Konkurrentinnen und Konkurrenten durch. Neben Billig und Tharan waren das Andreas Rieger aus dem Landkreis Dahme-Spreewald, Heinz Jirout aus Lichtenrade und Ulf Millauer aus München, hieß es vom Kreisvorstand. Im entscheidenden Stechen siegte Kuhn mit 44 Stimmen von 74 gegen Almuth Tharan.

So sah Kuhn aus, als er sich für die Grüne Partei in der DDR engagierte. Ein Twitter-Nutzer sah schon Ähnlichkeiten zu Freddie Mercury.

Quelle: Bundesarchiv, Schöps, Elke/ CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

 

Wie Kuhn punkten konnte? „Ich interessiere mich für nachhaltige Stadtentwicklung, komme als Ur-Grüner aus der DDR-Umweltbewegung und wohne in Prenzlauer Berg am Anton-Saefkow-Park. Das hat wohl überzeugt“, mutmaßt der 60-Jährige. In seiner Rede vor den Mitgliedern habe er davon gesprochen, Pankow „klimafest“ zu machen, sich für mehr Bürgerbeteiligung, Neubau und Bestandssicherung mit einer grünen Infrastruktur und eine verstärkte Verfolgung von Zweckentfremdung einzusetzen. „Außerdem will ich Pankow zum fahrradfreundlichsten Bezirk Berlins machen.“

 

Ein Amt, das kein Altersruhesitz ist

 

Seit 2009 arbeitet Kuhn als freiberuflicher Berater im Energiebereich. Er hat sich um die Energiebilanzen in Schwimmhallen und Gebäuden in Rotterdam und Jamaika gekümmert und Ingenieure im In- und Ausland geschult. Sollte er nächsten Mittwoch gewählt werden, wird er seine Freiberuflichkeit aber aufgeben.

Bis in die 90er-Jahre war Kuhn auch in der bezirklichen Verwaltung und im Abgeordnetenhaus aktiv: Von 1990 bis 1992 war er Stadtrat und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Mitte, wechselte dann von 1992 bis 1995 als Stadtrat nach Treptow, seit 1995 saß er für eine Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus.

„Das Amt als Stadtrat habe ich mir angesichts meines Alters als krönenden Abschluss gewünscht“, sagte Kuhn. Ein lockerer Ruhesitz wird das Amt aber sicher nicht werden. Denn: Streitlustige Anwohner stehen bereit. Zum Beispiel jene der großen Neubauprojekte in Prenzlauer Berg an der Michelangelostraße, auf dem ehemaligen Güterbahnhof Greifswalder Straße und auf dem Alten Schlachthof.

 

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