Tietje will ein Erbe antreten

von Anja Mia Neumann 6. September 2016

Ortstermin mit Rona Tietje. Sie will ihren scheidenden Kollegen beerben – und das Bürgermeister-Amt bei der SPD halten. Ihr Treffpunkt ist ein bisschen nostalgisch und untypisch für Prenzlauer Berg.

Rona Tietje ist ein Kind aus dem hohen Norden, nämlich aus Schleswig, und Verwaltungsjuristin. Sie kommt mit grauem Blazer. So weit so klassisch. Während des Interviews zeigt sich aber auch: Die 34-Jährige hat ein Zungenpiercing und an ihrem Handgelenk hängen mehrere Stoffbänder vom Heavy-Metal-Festival Wacken.

Die SPD-Politikerin will Pankows Bürgermeisterin werden und ihre Chancen stehen nicht schlecht, so sie sich gegen ihre Konkurrenz von Grünen und Linken durchsetzen kann. Vor einem Jahr hat Tietjes SPD-Kollege Matthias Köhne angekündigt: nach zwei Amtszeiten ist Schluss mit Bürgermeister. Tietje könnte ihn beerben  – und möglicherweise etwas lautere Töne im Amt anschlagen.

Wir treffen uns in der Björnsonstraße an der Bornholmer Straße, dort wo viele Kleingärtner ihre Parzellen haben.

 

Frau Tietje, wer sind Sie?

Die Antwort gibt es zum Hören.

 

Warum sind wir hier?

«Ich habe einen sehr persönlichen Bezug zu dem Ort – ich habe früher um die Ecke gewohnt und war oft hier in der Kleingartenanlage spazieren. Und der politsche Grund ist, dass ich finde, dass solche grünen Oasen, aber auch andere Freiräume im Bezirk, erhalten bleiben sollen. Es geht dabei auch ums Vereinswesen, dass Menschen etwas zusammen machen und das ist mir wichtig.»

 

Wo sollen wir wohnen?

«Es ist wichtig, dass gerade in Prenzlauer Berg bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt. Wo noch Lücken sind, da müssen sie mit Neubauten geschlossen werden, aber da stoßen wir an unsere Grenzen. Bei der Umwandlungsverbotsverordnung und dem Verbot der Zweckentfremdung muss nachgebessert werden, Vorverkaufsrechte müssen stärker genutzt werden und wir wollen die Milieuschutzgebiete ausweiten. Wenn diese Maßnahmen alle nicht greifen, dann muss man irgendwann dazu kommen, dass man Wohnraum auch subventioniert.»

 

Wem gehört die Straße?

«Die Radwege müssen sicherer werden, das ist ein großes Defizit. Und an einigen Stellen kann man bei den Parkplätzen zu Gunsten von Fahrradfahrern und Fußgängern ein bisschen zurückgehen. Ich sage aber auch ganz ehrlich: Ich bin jetzt nicht dafür, dass jeder umsteigen und sein Auto stehen lassen soll.»

 

Wie bekomme ich einen Schulplatz?

«Wir werden Kapazitäten schaffen müssen, auch solche, die vielleicht nur temporärer Art sind. Es wird in Zukunft stärker so sein, dass wir weiter modulare Gebäude bauen – mit der Option diese Bauten auch anders nutzen zu können. Langfristige Entwicklungen kann man nicht immer gut absehen, vor einiger Zeit haben wir noch Schulen geschlossen.»

Tietje setzt auch beim Wahlplakat auf die bewährte, klassische Form. Foto: Anja Mia Neumann

 

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Am 18. September sind Wahlen zu Pankows Bezirksverordnetenversammlung (BVV), unserem Bezirksparlament (auch wenn es nicht so heißt, weil es keine Gesetze verabschieden darf).

Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben die Bezirksbürgermeisterkandidaten getroffen. An einem Ort ihrer Wahl, der für sie Prenzlauer Berg ausmacht: Rona Tietje (SPD, 28,1% bei der letzten Wahl), Jens-Holger Kirchner (Grüne, 20,8 %), Sören Benn (Linke, 18,5 %), Torsten Kühne (CDU, 13,9%), Jan Schrecker (Piraten, 10,2%), Sophie Regel (FDP, 1,1%) und Herbert Mohr (AfD, /).

 

Wir haben nach den heißen Themen des Viertels gefragt: Verkehr, Wohnraum und Schulen. Denn die Zahlen sprechen für sich:

  • In nur drei Jahren sind die Mieten in Prenzlauer Berg um 1 bis 2 Euro pro Quadratmeter gestiegen (laut Wohnungsmarktreport 2016 im Kollwitzkiez um 9,0 Prozent auf 12,01 Euro/qm, am Arnimplatz um 14,6 Prozent auf 10,12 Euro/qm und rund um die Prenzlauer Allee um 18,1 Prozent auf 11,80 Euro/qm).
  • Nicht einmal jeder fünfte Prenzlauer Berger nutzt im Alltag ein Auto, um sich fortzubewegen (laut den aktuellsten Zahlen des Senats von 2008 fallen 18 Prozent auf den „Motorisierten Individualverkehr“, 21 Prozent fahren Fahrrad, 27 Prozent mit Öffentlichen, 35 Prozent gehen zu Fuß).
  • Bis zum Jahr 2020 fehlen in Prenzlauer Berg mehr als 1600 Grundschulplätze (laut bezirklichem Infrastrukturkonzept 2016 sind das 11,5 Schulzüge). 280 Oberschüler aus Pankow können zum neuen Schuljahr nicht auf eine ihrer drei Wunschschulen gehen und müssen stattdessen bis zu 60 Minuten pendeln, u.a. nach Marzahn-Hellersdorf.

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Zu Infos über die Abgeordnetenhaus-Wahl in Prenzlauer Berg  geht es hier.

 

 

Gute Wahl wünschen die Prenzlauer Berg Nachrichten!

 

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