Wohnanlage Belforter: Vergleich unterschrieben

von Thomas Trappe 31. Mai 2013

In diesen Minuten hat das Bezirksamt den Vergleich mit Investor Bahr unterschrieben. Die Zustimmung im Bezirksparlament wird im Nachhinein geholt. Das gilt als Formsache.

Das Bezirksamt hat soeben einen Vergleich mit dem Investor Rainer Bahr unterschrieben – es geht um die noch zu bauende und von einer Mehrheit der Kommunalpolitiker grundsätzlich abgelehnten Wohnanlage an der Belforter Straße (zum Dossier). Der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) bestätigte auf Anfrage vor einer Stunde, dass er sich gerade auf dem Weg zur Unterzeichnung des Vergleichs befinde. Dieser „Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Charakter“ wird es Rainer Bahr ermöglichen, sein Wohnprojekt an der Belforter Straße umzusetzen. Drei DDR-Neubauten stehen dort, der Block soll zur Straßburger Straße geschlossen werden – dafür müssen 20 der 110 bestehenden Wohnungen abgerissen werden. Die heutige Einigung ist tief politisch. Es gehe darum, so Kirchner, „Schaden vom Land Berlin abzuwenden“. Beziehungsweise, achtstellige Schadensersatzansprüche Rainer Bahrs.

Die Unterschrift unter den Vergleich nimmt dabei eine Entscheidung vorweg, die erst am kommenden Mittwoch demokratisch legitimiert wird. Dann nämlich wird die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) darüber abstimmen, ob sie der Rücknahme einer Erhaltungsverordnung im betreffenden Gebiet zustimmt. Diese Rücknahme macht den Vergleich, der gerade besiegelt wurde, erst möglich. Kirchner verwies aber darauf, dass der BVV damit nicht die Entscheidungshoheit über das Verfahren genommen werde. Im Vergleich sei eine aufschiebende Wirkung festgeschrieben. Erst wenn die BVV am Mittwoch zustimme, sei der Vertrag rechtsgültig. Inzwischen zeichnet sich ab, dass es eine Mehrheit geben wird. Allerdings müssen die Beratungen darüber in den Fraktionen erst noch stattfinden.

 

Das Amt arbeitete unsauber, die BVV zu hastig

 

Dass der Bezirk gegen Rainer Bahr eine schmetternde Niederlage in Kauf nehmen muss, ist seit ein paar Tagen bekannt. Inzwischen hat das Amt auch den BVV-Antrag veröffentlicht, indem ausführlich begründet wird, warum man den Kampf gegen das Wohnprojekt aufgibt. Es geht dabei um zwei Gerichtsverfahren, die sich mit zwei Amts-Entscheidungen zur Belforter Straße beschäftigen. Im Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht klagte Investor Bahr im Februar 2012 gegen die Erhaltungssatzung, mit der Begründung, dass diese einzig dazu diente, sein Projekt zu verhindern; und nicht etwa der Erhaltung einer historisch erhaltenswerten Wohnbebauung. Das Verfahren läuft noch, und das Bezirksamt geht – auch im Lichte einer vorangegangenen Gerichtsentscheidung – davon aus, „dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Normenkontrollverfahren erfolgreich ist“.

Ausschlaggebend für die jetzt erfolgte Rücknahme der Erhaltungssatzung ist aber ein anderer Prozess: Einem vor dem Landgericht Berlin. Hierbei geht es um Schadenersatzzahlungen, nach Einschätzung Prozessbeteiligter im zweistelligen Millionenbereich. Rainer Bahr klagte vor dem Zivilgericht gegen eine negativ beschiedenen Bauvoranfrage des Amts aus dem Jahr 2010. Dass das Gericht Bahrs Auffassung nicht abgeneigt scheint, machte es in einer Verhandlung im April dieses Jahres deutlich, jedenfalls wird es so in der Begründung des Beschlussantrags wiedergegeben. Erstens, so die Begründung, weil der Bescheid zu spät kam. Zweitens, weil er auf Grundlage eines Bebauungsplans (B-Plan) gegeben wurde, der noch gar nicht rechtsgültig war. Und drittens, hier kommt die Erhaltungssatzung wieder ins Spiel: Weil der B-Plan „keine realistische Aussicht auf Festsetzung gehabt“ habe, da ja zeitgleich der Erlass einer Erhaltungssatzung erwogen wurde, die diesem B-Plan widersprach. Kurz: Das Amt arbeitete unsauber. Und die BVV trug ihren Teil dazu bei, indem sie hastig eine Erhaltungssatzung auf den Weg brachte.

Das Landgericht machte am 11. April dieses Angebot, heißt es im BVV-Antrag: Entweder beide Parteien einigen sich in einem Vergleich oder das Gericht spricht unmittelbar ein Urteil, und die Tendenz war deutlich. Das Bezirksamt entschloss sich zum Vergleich, unter dem nun gerade die Tinte trocknet.

 

Gericht: „Viele Wenns und Abers“

 

Eine Umfrage unter den Fraktionen der BVV macht deutlich, dass sie wohl mehrheitlich zustimmen wird. SPD und Grüne sind dafür. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, sagte Roland Schröder (SPD), „wir wollen schweren Schaden vom Land Berlin abwenden“, übernimmt Cornelius Bechtler das Wording seines Parteifreundes und Stadtrates Kirchner. Die CDU war schon immer gegen die „Verhinderungsverordnung“, wie es Fraktionschef Johannes Kraft ausdrückt. Er wolle jetzt auch das „Versagen von SPD, Grünen und Linken“ diskutieren, denen er vorwirft, politisch motiviert eine nicht tragfähige Erhaltungssatzung durchgepeitscht zu haben. „Die Kollegen müssen sich fragen lassen, wie sie mit Geld des Bezirks und mit Investoren umgehen.“ Bei der Linken, deren Ex-Stadtrat Michail Nelken einst das Verfahren mit Rainer Bahr verantwortete, scheint eine Ablehnung möglich. Wolfram Kempe, Vize im Stadtentwicklungsausschuss, will mit Nein stimmen. Ob das für die gesamte Fraktion gelte, wisse er aber nicht. „Ich bin der Meinung, dass man die Auseinandersetzung hätte weiterführen müssen“, sagte Kempe.

Ob der Prozess vorm Landgericht gewonnen hätte werden können, wird wohl auf alle Tage unbeantwortet bleiben. Der Sprecher des Landgerichts, Ulrich Wimmer, gibt dazu freilich keine Prognose. Nur soviel: Ja, das Gericht gab am 11. April mündliche Hinweise auf eine mögliche Rechtsauffassung seinerseits. Allerdings „sehr vorsichtig“, so Wimmer. „Und mit vielen Wenns und Abers.“ Investor Rainer Bahr will sich äußern, wenn der Vergleich rechtsgültig ist.

 

 

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