Schaubude

Bis in die Puppen

von Christina Heuschen 31. Mai 2023

Die Schaubude Berlin feiert: Vor 30 Jahren startete sie als Puppentheater. Seitdem erfindet sich das Produktionshaus immer wieder neu.


Ein Stuhl steht fest neben dem anderen. Alles in Reih und Glied, zwölf Reihen lang. Nichts bewegt sich hier. Zuschauer*innen, die auf den Stühlen sitzen, haben eigentlich keine andere Chance, als nach vorne auf einen viereckigen Kasten zu gucken: das Theaterportal. Der Raum sieht aus wie im Jahr 1993, geändert hat sich hier scheinbar seit Jahrzehnten nichts.

„Das sind alles Dinge, die man heute gar nicht mehr unbedingt haben möchte, weil jetzt viel lieber flexible Räume haben will“, sagt Tim Sandweg. Dennoch merkt der künstlerische Leiter an, dass man seit der Gründung Schaubude vieles geändert habe. „Ich glaube, dass man sich das vor 30 Jahren noch gar nicht vorstellen konnte, was es heute an Spielformen oder an Vielfalt von Spielformen gibt.“ Tatsächlich stehen zwar auch heute noch vor allem Figuren als Hauptdarsteller*innen auf der Bühne. Doch sonst hält sich die Schaubude kaum an die traditionellen Vorstellungen von Theater.

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Immer wieder was Neues

Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 wandelt sich die Schaubude Berlin immer wieder, eigentlich ist nur der Spielort derselbe geblieben. Damals zog das neu gegründete Figurentheater in die traditionsreiche Spielstätte an der Greifswalder Straße 81-84, in der sich von den frühen 1970er-Jahren bis 1991 das staatliche „Puppentheater Berlin“ der DDR befand. Gerd Taube machte die Schaubude nicht nur zu einem künstlerischen Zuhause für die freie Berliner Figuren- und Puppentheaterszene, sondern etablierte dort erstmals auch einen regelmäßigen Abendspielplan für Erwachsene.

Was als Puppentheater begann, entwickelte sich über die Jahre zum Figuren- und Objetkttheater weiter. Silvia Brendenal, die das Haus 1997 übernahm, stellte auch Dinge in den Mittelpunkt der Inszenierungen – maßgeblich beeinflusst vom französischen „Théâtre d’objets“. Brenedal begründete damit zahlreiche Festivals, darunter das mittlerweile etablierte „Theater der Dinge“ oder das erste Figuren- und Objekttheater-Festival für die Kinder, „Unter dem Tisch“. Seit 2015 leitet nun Tim Sandweg die Schaubude Berlin. Mit ihm hat auch die Digitalisierung Einzug ins Berliner Figuren- und Objekttheater erhalten. In diesem Jahr feiert die Schaubude ihren 30. Geburtstag.

 

„Figure it Out“

Zum Jubiläum präsentiert sie mit dem Festival „Figure it out“ nicht nur einen Querschnitt des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters, sondern zeigt damit auch, dass das Produktionshaus auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert. So zeigt die Berliner Numen Company zum Auftakt ihre Produktion „Hero“. Puppenspieler Tibo Gebert überblendet darin seine eigene queere Biografie mit dem Mythos der Superhelden und fragt damit, wer die eigene Identität bestimmt. Zehn Tage lang nähern sich die Inszenierungen mit Theaterpuppen, Sound-Objekten, Materialien, Avataren oder Maskenspiel einem breiten Themenspektrum: In „Undin“ dekonstruiert die Gruppe „Schroffke!“ Andersens Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ als queer-fantastische Transformationsgeschichte. , beleuchten in „Fünf Exponate“ die postkolonialen Verstrickungen von Gips und Kartoffeln, betrachten die Welt aus Sicht einer Wanze oder begeben sich in „The Truth about Helga“ auf den Rachefeldzug einer Frau im deutschen Kaiserreich. Kleine Formate im ganzen Haus sollen Begegnungsmomente zwischen Publikum und Künstler*innen schaffen.

 

Sinnliche Form, einfacher Zugang

Doch nicht nur wegen solcher Begegnungen unterscheidet sich die Schaubude von größeren Kulturinstitutionen. „Ich glaube auch, dass dadurch das Figurentheater eine sehr sinnliche Form ist; es ist eine sehr direkte Form über die Puppe zu erzählen, die jenseits eines intellektuellen Konzeptes funktioniert.“ Zuschauer*innen hätten so einen ganz anderen Zugang zu den Inhalten. „Der nicht sagt: ‚Du musst das jetzt alles wissen, um das verstehen zu können.‘“

Überhaupt arbeitet die Schaubude Berlin anders als andere Bühnen. Sie ist die einzige, die eine städtische Institution ist, aber als Produktionshaus ausschließlich mit freien Künstler*innen zusammenarbeitet. Ein fest angestelltes Ensemble hat die Schaubude nicht, hier sehen Zuschauer*innen immer wieder Kooperationen – manche tauchen regelmäßig auf, andere einmalig. Neben Adaptionen und Bearbeitungen hat es in der Schaubude eine Zunahme an Stückentwicklungen gegeben.

„Das Programm, was wir machen, orientiert sich sehr stark daran, was die Künstler*innen vorschlagen. Und entsprechend wird sich dieses Haus und dieses Programm sicherlich in die Richtung entwickeln, wie sich auch die Kunst entwickelt“, erklärt Sandweg. Dafür würde er gerne endlich den Standort, an dem seit 50 Jahren Puppentheater gemacht wird, an die heutigen Bedingungen anpassen. So hofft er, dass weiterhin Künstler*innen bis in die Puppen spielen können.

Das Festival „Figure it out“ findet vom 2. bis 11. Juni 2023 in der Schaubude Berlin in der Greifswalder Straße 81-84 statt.

 

Titelfoto: INBAL.CITRU_Gabriel Morales

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