Ukraine

Am wichtigsten ist die Privatsphäre

von Julia Schmitz 7. April 2022

Anfang März hat Verena Wirwohl zwei ukrainische Frauen und vier Möpse in ihrer Wohnung aufgenommen. Wie funktioniert Zusammenleben, wenn man keine gemeinsame Sprache spricht?


Lange darüber nachgedacht hat sie nicht. Als ihr eine Freundin Anfang März ein Foto von Anastasia und Anna* schickte, die eine vorübergehende Unterkunft in Berlin suchten, sagte sie sofort zu. Mutter und Tochter waren kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine per Bus aus Kyiv geflohen, das Nötigste hatten sie in Rucksäcke gepackt. „Außerdem trugen sie beide jeweils zwei kleine Hunde im Arm“, erzählt Verena Wirwohl. „Ich habe selbst einen Mops und hatte gehört, wie schwierig es oftmals für Geflüchtete ist, mit ihren Tieren unterzukommen.“

Anastasia und Anna zogen in das Kinderzimmer ihrer sechs- und achtjährigen Söhne, die sich seitdem das Zimmer mit ihrer Mutter teilen. „Das haben wir schon immer so gemacht, wenn wir Gäste hatten“, so die Alleinerziehende; „es ist für uns also keine große Veränderung.“ Drei der vier Möpse sind mittlerweile in Pflegefamilien untergebracht worden, der altersschwache vierte durfte bleiben. Er versteht sich prächtig mit dem anderen Hund.

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„Sie wollten keine Hilfe von mir annehmen“

Ukraine

Verena Wirwohl mit einem der geflüchteten Möpse / Foto: privat

Auch Anastasia, Anna, Verena und die beiden Jungs kommen gut miteinander aus, obwohl sie keine gemeinsame Sprache sprechen. „Mir ging es von Anfang an darum, den Beiden vor allem Privatsphäre und Ruhe zu geben“, sagt Verena. Die ersten Tage hätten die Frauen hauptsächlich im Zimmer verbracht und nur wenige höfliche Worte mit ihr gewechselt.

Wo das bruchstückhafte Englisch nicht reichte, half eine App mit der Übersetzung. Mittlerweile sei vor allem die 21-jährige Anna aufgetaut, habe für Verena und ihre Söhne Borschtsch gekocht und von ihrem Leben in ihrem Haus in Kyiv erzählt. Über die Erlebnisse auf der Flucht haben sie bisher nicht gesprochen. Aber darüber, dass beide Frauen verheiratet sind und die Männer in der Ukraine zurücklassen mussten.

 

Längerfristige Unterkunft gesucht

Die anfänglich geplanten zwei bis drei Wochen Aufenthalt in der Wohnung in sind mittlerweile längst vorbei, ein Ende ist noch nicht in Sicht. Rechtlich gesehen ist eine Aufnahme von Gästen in der eigenen Mietwohnung bis zu sechs Wochen möglich; danach gilt es als Untervermietung, die nicht alle Vermieter*innen erlauben. Verena sucht deshalb nach einer längerfristigen Unterkunft für Anna und Anastasia, vielleicht findet sich etwas in Berlin, vielleicht in Brandenburg.

Gut möglich, dass die Ukrainerinnen sogar schneller sind: „Am Anfang wollten sie überhaupt keine Hilfe von mir annehmen, haben alles Organisatorische wie die Anmeldung beim Sozialamt selbst erledigt und sich in den Behörden durchgefragt“, erzählt die Prenzlauer Bergerin. Doch letztendlich soll auch dies nur eine Übergangslösung bleiben: Die Hoffnung, dass Anna und Anastasia mit den Hunden bald in ihr Haus in Kyiv zurückkehren können, bleibt.

* Namen von der Redaktion geändert

Titelbild: Privat

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