Gibt es eine sozialverträgliche Lösung, wenn ein Haus teuer verkauft wird? Die Mieter der Stargarder Straße 65 wollen eine Genossenschaft gründen, um den Preis selbst stemmen zu können.
Altbau, 28 Wohnungen, 5 Gewerbe und eine alteingesessene Mieterschaft – das ist das Haus mit den beiden Adressen Stargarder Straße 65 und Lychener Straße 67. Was das Gründerzeitgebäude außerdem noch zu einem für Prenzlauer Berg typischen Haus macht: Es soll verkauft werden. Schon mehrmals hieß es vom beauftragten Immobilienbüro, der Kauf stehe kurz vor dem Abschluss. Aktuell genannter Preis: 10,2 Millionen Euro.
Genossenschaft soll Kauf ermöglichen
Seit die Mieterinnen und Mieter über die Verkaufspläne Bescheid wissen, überlegen sie, wie sie es schaffen können, dort wohnen zu bleiben. Denn ihnen droht ein altes Dilemma: Wird ein Haus zu einem sehr hohen Preis verkauft, muss der neue Eigentümer sehr hohe Mieten einnehmen. Sonst wäre der Kauf unwirtschaftlich und die Investition würde sich nicht rentieren.
Die Nachbarn haben sich organisiert, tagen einmal pro Woche und haben Kontakt zu den bezirklichen Entscheidungsträgern aufgenommen. Der Plan der Mieterinnen und Mieter lautet: Sie wollen eine Genossenschaft gründen und das Haus selbst kaufen. Der Bezirk soll dafür sein Vorkaufsrecht ziehen, das er in Milieuschutzgebieten zugunsten eines Drittkäufers ausüben darf. Fest stehen die Pläne noch nicht. „Wir spielen gerade verschiedene Möglichkeiten durch“, sagte uns ein Mieter.
Stadtrat verspricht Unterstützung
In der Sitzung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Anfang Dezember wandte sich einer der Mieter mit einer Einwohnerfrage an Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) und warb um Unterstützung für den Genossenschaftsplan.
…besonders problematisch ist die Frage der Finanzierung des Vorkaufs. Der Bezirk braucht einen Drittkäufer, der den Kaufpreis bezahlen kann. Deswegen müssen vorab auch alle Risiken geprüft werden, sagt Stadtrat Kuhn in der #bvvpankow
— prenzlette (@prenzlette) December 4, 2019
___STEADY_PAYWALL___
Bisher sei der Kauf noch nicht soweit fortgeschritten, dass beim Bezirk der Verzicht auf das Vorkaufsrecht (der in Milieuschutzgebieten bei jedem Hausverkauf bestätigt werden muss) beantragt worden sei, so Kuhn. Der Stadtrat signalisierte Wohlwollen, meldete aber auch Bedenken an. Problematisch in Sachen Vorkauf sei die Frage nach der Finanzierung. Bei einem Preis von über zehn Millionen müssten hohe Kredite aufgenommen werden. Der Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg habe kürzlich schlechte Erfahrungen mit dem Vorkauf zugunsten einer Genossenschaft gemacht.
„Wenn es soweit ist, dass ein Antrag auf Negativzeugnis gestellt wurde, werden wir auf Sie zukommen, das verspreche ich Ihnen“, sagt Stadtrat Kuhn den Mietern der #StargarderStraße65 in der #bvvpankow #bvvp
— prenzlette (@prenzlette) December 4, 2019
Trotz der Problematik versprach Kuhn, sich für die Mieter der Stargarder Straße 65 einzusetzen. Es sei sehr wichtig, dass die Bewohner sich so früh organisiert und dem Bezirksamt bereits wichtige Daten zum Haus übermittelt hätten. Im Fall eines Verkaufs, könnte diese frühe Organisation entscheidend sein. Ist das sogenannte Negativattest beantragt, hat der Bezirk nämlich nur zwei Monate Zeit, um einen Drittkäufer zu finden, der den Preis bezahlen kann. Verstreicht die Frist, ist das Vorkaufsrecht hinfällig.
***
Die Diskussion um steigende Mieten und fehlende Wohnungen reißt nicht ab. Anfang der Woche gingen Wirtschaftsverbände gegen den von Rot-Rot-Grün geplanten Mietendeckel auf die Straße. Auch uns haben in jüngster Zeit viele Nachrichten von Menschen erreicht, denen in der Diskussion um die Mietpreise die Perspektive der Vermieter*innen und Investor*innen zu kurz kommt. In unserem Themenschwerpunkt sprechen wir darum mit unterschiedlichen Beteiligten über ihre Sicht auf die Berliner Mietenpolitik.
Teil 1: Der Mietendeckel aus Sicht eines Vermieters.
Teil 2: „Die Vermieter fühlen sich wie Kriminelle behandelt.“
Teil 3: Experiment Vorkauf