Im Liegestuhl auf dem Parkplatz

von Susanne Grautmann 18. September 2015

Einen Parkschein lösen und dann: Kein Auto abstellen, sondern lieber einen Liegestuhl. Das passiert heute am Teutoburger Platz. Eine rechtliche Grauzone, die die Frage aufwirft: Wem gehört die Straße?

Ein Stück Pflaumenkuchen mit Sahne, dazu eine Tasse Kaffee, das Ganze im Liegestuhl genossen. Der Liegestuhl steht aber nicht auf dem Balkon, sondern auf dem Parkstreifen.

So stellt sich Conny Weiland vom Nachbarschaftshaus Teutoburger Platz entspanntes Leben in der Stadt vor. „Früher hat man auch auf der Straße gelebt, aber das ist total in Vergessenheit geraten“, meint die 53 Jahre alte Sozialarbeiterin. Die Straße sei nur noch für die Autos da, ansonsten passiere dort nicht mehr viel. Um zu zeigen, was man sonst noch mit den Parkflächen anfangen könnte, beteiligt sie sich heute zusammen mit einigen Freunden am „Park(freien) Tag“ (Parking Day).

Dieser Tag wurde im Jahr 2005 von dem Künstlerkollektiv REBAR aus San Francisco ins Leben gerufen und hat sich zu einem jährlich weltweit stattfindenden Kunstprojekt entwickelt. Die Teilnehmer wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie viel öffentlicher Raum in den Städten für Parkplätze verbraucht wird – und wie man diesen Raum anders nutzen könnte.

 

Fein säuberlich wird ein Parkschein gelöst

 

Also rücken die Aktivisten an und machen aus den Parklücken kleine Cafés oder Spielplätze mit Kunstrasen. Dafür lösen sie auch fein säuberlich einen Parkschein. Aber in einer rechtlichen Grauzone bewegen sie sich trotzdem. Der Grund ist, dass das Zahlen der Parkgebühr ausschließlich zum Abstellen eines verkehrstauglichen Fahrzeugs berechtigt. Also dürfen dort zwar Fahrräder stehen, aber für Liegestühle, Tische und Bänke ist eine Sondergenehmigung nötig.

Cornelia Dietrich von der Bürgerinitiative Gethsemaneplatz hat sich schon an zwei „Park(freien) Tagen“ in Prenzlauer Berg beteiligt. „Die Reaktion von Polizei und Ordnungsamt war in den beiden Jahren ganz unterschiedlich“, erzählt sie. Im ersten Jahr wollten die Ordnungshüter nur das Ticket für die Parklücke auf der Stargarder Straße sehen – damit war alles in Ordnung. Obwohl Geschäftsleute von der Stargarder Straße sogar die Polizei alarmiert hatten.

 

In einem Jahr räumten Polizei und Ordnungsamt die Parklücke

 

Im Jahr darauf sei gleich ein Aufgebot von zwei Polizisten und zwei Ordnungsamt-Mitarbeitern in der Dunckerstraße angerückt, um für die Räumung der besetzten Parklücke zu sorgen. Das kleine „Café“, das sie zusammen mit einigen Mitstreitern aus der Bürgerinitiative in der Parklücke eingerichtet hatte, musste weichen.

Dabei saß dort gerade ein älteres Ehepaar und trank seinen Kaffee“, erzählt Dietrich. Die Beiden seien zu Besuch in Berlin gewesen und hätten es ganz aufregend gefunden, ein kleines Stück vom alternativen Leben in der Großstadt auszuprobieren.

 

Stadtrat kündigt Augenmaß und Fingerspitzengefühl an

 

Conny Weiland sieht das in diesem Jahr entspannt. „Wenn wir räumen müssen, dann machen wir das halt“, sagt sie. Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU) sagte dazu: Das Ordnungsamt werde bei entsprechenden Hinweisen und Beschwerden mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl tätig werden.

Weiland hofft, dass die Aktion einige Leute dazu inspiriert, das Leben auf der Straße umzudenken. Sie findet, der Platz könnte zum Beispiel gut für spielende Kinder gebraucht werden. Der Spielplatz am Teutoburger Platz sei immer hoffnungslos überfüllt. Ähnlich sieht es auf dem Humann-Spielplatz aus. Hier kassierte kürzlich das Gericht eine temporäre Spielstraße, die ein Mal in der Woche sein sollte. Anwohner hatten sich über das Spielen auf der Straße beschwert. Die Gruppe um Weiland vom Teutoburger Platz hat angekündigt, auf zwei Parklücken direkt vor der Tür des Nachbarschaftshauses an der Fehrbelliner Straße 92 zu spielen. Von 16 bis 19 Uhr gibt es dort Kaffee und Kuchen und Angebote für Kinder, um 17 Uhr spielt eine Trommelband.

 

Wem gehört die Stadt?

 

Im Kern geht es bei all dem letztlich um die alte Frage, wem die Stadt gehört. In Prenzlauer Berg ist die Brisanz dieser Frage besonders hoch und sie wird voraussichtlich noch zunehmen. Prognosen des Senats gehen davon aus, dass die Bevölkerung von Pankow bis zum Jahr 2030 weiter wächst – um 16 Prozent.

Schon jetzt fluchen viele Autofahrer über die angespannte Parkplatzsituation. Da werden die zwölf Quadratmeter einer Parklücke schnell zum heißen Pflaster.

 

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