„Keine Ehre für Antidemokraten“

von Gastautor 10. Juli 2013

Soll das Thälmann-Denkmal abgerissen werden oder soll es bleiben? Nach dem Plädoyer einer Anwohnerin für den Erhalt folgt nun ein Statement der Jungen Liberalen gegen Thälmann. 

In der vergangenen Woche hat Anwohnerin Sabine Presch erklärt, warum sie für den Erhalt des Ernst-Thälmann-Denkmals ist. Nun antworten ihr Maximilian Losch von den Jungen Liberalen (Julis).

Debattenbeiträge sind nicht nur dafür da, dass Einzelne ihre Meinung zu einem Thema darlegen können. Es geht auch darum, die Debatte weiter zu führen. In den Kommentaren ist dafür ausreichend Platz!

 

Liebe Frau Presch,

 

haben Sie zunächst vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Anliegen, das Ernst-Thälmann-Denkmal zu beseitigen. Wir freuen uns, dass die öffentliche Debatte über diesen Schandfleck im Stadtbild dank unserer symbolischen Sprengung am 15. Juni 2013 nun eröffnet ist.

Auf Ihre Aufforderung, die JuLis sollten doch anstatt der fragwürdigen Rolle Ernst Thälmanns in der Weimarer Republik die verbrecherische Nazi-Vergangenheit einiger FDP-Mitglieder aus der Nachkriegszeit aufarbeiten, werde ich hier nur kurz eingehen, weil Sie ganz offensichtlich aus einem Mangel an Argumenten für das Ernst-Thälmann-Denkmal von der Sache ablenken wollen. Jeder, der sich ernsthaft mit der Rolle der Nazi-Verbrecher Ernst Achenbach, Werner Best oder Werner Naumann in den Reihen der FDP beschäftigt hat, weiß, dass der FDP-Bundesvorstand bereits 1953 eine Untersuchungskommission einsetzte, um Versuche der Unterwanderung der Partei durch ehemalige Nazis aufzudecken und für die Zukunft zu verhindern. Ich wünschte, unter den die DDR-Fahne schwenkenden Gegendemonstranten bei unserer Aktion wäre nur ein Funken dieses Aufarbeitungswillens vorhanden.

Den Vorsitz dieser Untersuchungskommission führte übrigens Thomas Dehler, erster Justizminister der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1953, später FDP-Fraktionsvorsitzender von 1953 bis 1957 sowie zwischen 1954 und 1957 auch FDP-Bundesvorsitzender. Dehlers Ehefrau war jüdischer Abstammung, weshalb er zur Zeit des Nationalsozialismus Repressionen durch das Nazi-Regime ausgesetzt war. Er leistete aktiv Widerstand gegen die NS-Herrschaft und wurde daher vorübergehend in Schutzhaft genommen. Diese aufrechte Persönlichkeit der FDP-Nachkriegsgeschichte, nach der zu Recht die Bundeszentrale der FDP benannt ist, blenden Sie in Ihrem Beitrag geflissentlich aus. Wie war das noch? Hielten nicht die linksextremen Gegendemonstranten bei unserer Aktion ein Schild mit der Aufschrift „Thomas-Dehler-Haus schleifen!“ in die Höhe?

Doch nun zu Ernst Thälmann, denn um diesen geht es in erster Linie. Frau Presch, Sie haben völlig Recht: Liberal sein heißt, den Gegebenheiten zunächst vorurteilsfrei zu begegnen, aber dann eben auch auf der Basis von Fakten ein Urteil zu fällen. Und hier sind die historischen Fakten zu Ernst Thälmann:

 

1. Ernst Thälmann war ein Feind von Freiheit und Demokratie.

Er wollte die Weimarer Republik von Anfang an zerschlagen und gewaltsam durch eine unfreiheitliche Räterepublik nach sowjetischem Muster ersetzen. Bereits 1921 forderte er: „Diesen Staat bekämpfen wir so lange, bis er nicht mehr als Staat existiert. Wir machen daraus absolut keinen Hehl. Wir haben keine Veranlassung, in dieser oder jener Beziehung gegen diese oder jene Person schonend vorzugehen.“ (Quelle)

 

2. Ernst Thälmann war ein treuer Handlanger Stalins.

Der grausame sowjetische Diktator Stalin sah in Ernst Thälmann einen Verbündeten für einen Umsturz der Weimarer Republik nach sowjetischem Vorbild. Deshalb griff er in die „Wittorf-Korruptionsaffäre“ von 1928 zugunsten des KPD-Parteichefs ein. In der Affäre hatte der politische Leiter des Hamburger KPD-Bezirks Wasserkante, John Wittorf, Parteigelder unterschlagen. Sein Parteifreund Ernst Thälmann war Mitwisser und versuchte den Vorfall zu vertuschen, der jedoch bald aufflog. Daraufhin entband das Zentralkomitee der KPD Ernst Thälmann seiner Ämter. Nur auf Druck seines Förderers Stalin konnte er den Parteivorsitz schon bald wieder einnehmen.

 

3. Ernst Thälmann war ein mittelbarer Wegbereiter der NS-Diktatur.

Von Ernst Thälmann stammt das Zitat: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Diese richtige Erkenntnis hinderte Ernst Thälmann jedoch nicht daran, bei der Reichspräsidentenwahl 1925 auch im zweiten Wahlgang für die KPD zu kandidieren und so den nationalkonservativen Republikgegner Paul von Hindenburg ins Reichspräsidentenamt zu bringen.

Im ersten Wahlgang hatte keiner der sieben Kandidaten die erforderliche Mehrheit auf sich vereinen können. Paul von Hindenburg, der demokratische Zentrumspolitiker Wilhelm Marx und Ernst Thälmann stellten sich im zweiten Wahlgang zur Wahl. Wenn man von der realistischen Annahme ausgeht, dass Thälmanns Wähler niemals dem Nationalkonservativen Paul von Hindenburg die Stimme gegeben, sondern das aus ihrer Sicht „kleinere Übel“ gewählt hätten, dann wäre Wilhelm Marx Reichspräsident geworden. Die Geschichte wäre anders verlaufen.

Doch Thälmann dachte nicht daran, aus politischem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der jungen Republik auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang zu verzichten. So konnte Paul von Hindenburg den Demokraten Wilhelm Marx knapp schlagen. Ausgestattet mit dem Amtsbonus gelang Hindenburg 1932 die Wiederwahl zum Reichspräsidenten. Ein Jahr später sollte er Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennen – mit fatalen Folgen.

Wer weiß, was vielen jüdischen Mitbürgern, Sinti und Roma, Homosexuellen, Sozialdemokraten, Liberalen und anderen Oppositionellen – übrigens auch Kommunisten – und nicht zuletzt den von Hitler mit Krieg überzogenen Ländern an Leid erspart geblieben wäre, wäre Wilhelm Marx 1933 Reichspräsident gewesen. Folglich wurde Ernst Thälmann durch sein unverantwortliches politisches Wirken mittelbar zum Wegbereiter der NS-Diktatur, auch wenn er diese freilich verhindern wollte.

 

4. Ernst Thälmann nahm die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten billigend in Kauf, um die Weimarer Republik zu zerschlagen.

So wollten NSDAP und KPD 1931 gemeinsam mit Hilfe eines Volksentscheides die sozialdemokratische Regierung Preußens stürzen und organisierten 1932 zusammen einen BVG-Streik. Nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Abgrenzung vom vermeintlichen politischen Hauptgegner sieht anders aus!

 

5. Ernst Thälmann war einer der Säulenheiligen der DDR-Diktatur.

Die DDR verehrte Ernst Thälmann, der von 1933 bis 1944 von der nationalsozialistischen Terror- und Gewaltherrschaft inhaftiert und schließlich ermordet worden war, als Helden und Märtyrer und setzte ihm 1986 das Denkmal im Ernst-Thälmann-Park. Dies steht symbolisch für das verzerrte Geschichtsbild der DDR-Diktatur. Ohne Zweifel war Thälmanns Ermordung ein Verbrechen. Doch rechtfertigt dies nicht, einen Feind der Weimarer Republik mit einem Denkmal zu ehren.

 

Sie sehen, Frau Presch, unsere Forderung beruht auf einem Urteil, keinem Vorurteil. Wollen Sie allen Ernstes eine solch problematische Figur weiterhin ehren?

Intolerant ist unsere Haltung keinesfalls. Sie verwechseln Liberalität und Toleranz mit Beliebigkeit.

Uns Jungen Liberalen ist es eben nicht egal, wenn Opfer der DDR-Diktatur, die etwa in der Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen mit freundlicher Unterstützung der chinesischen Tropffolter oder der Kältezelle zum „neuen Menschen“ – dem sozialistischen Menschen – erzogen werden sollten, jedes Mal erneut in ihren Gefühlen verletzt werden, wenn sie sehen müssen, dass das Ernst-Thälmann-Denkmal weiterhin im öffentlichen Straßenbild geduldet wird.

Uns Jungen Liberalen ist es eben nicht egal, dass weiterhin Kinder am kinderreichen Prenzlauer Berg quasi-indoktriniert werden, wenn sie vor dem Denkmal spielen? Wie können Kinder ein kritisches Verhältnis zu Antidemokraten entwickeln, wenn sie von klein auf neben einem solchen Denkmal aufwachsen, das das Straßenbild beherrscht, als gehöre es wie selbstverständlich noch zu unserer freiheitlich-demokratischen Republik!

Und uns Jungen Liberalen ist es eben nicht egal, dass das Denkmal weiterhin auf Kosten des Steuerzahlers gepflegt wird, während das Steuergeld für den Erhalt von Straßen, Schulen und Kinderspielplätzen fehlt.

Da nützt auch der Hinweis nichts, das Denkmal sei „einfach GESCHICHTE“. Ob wir jemanden für ehrwürdig halten, muss in der offenen Gesellschaft stets im demokratischen Diskurs überprüft werden. Keine Ehre für Antidemokraten, die zu ihrer Zeit Demokraten hätten sein können! Daher fordern wir Jungen Liberalen nicht nur den Abriss des Ernst-Thälmann-Denkmals, sondern auch die Umbenennung des Ernst-Thälmann-Parks in Ella-Kay-Park. Ella Kay war eine aufrechte sozialdemokratische Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime. Ehre, wem Ehre gebührt!

In den 1960er Jahren gingen die „68er“ unter anderem auf die Straße, um sich gegen die politische Zumutung zu wehren, die NS-Vergangenheit unter den Teppich zu kehren. 2013 wehren sich die Jungen Liberalen gegen eine politische Zumutung, die die DDR-Vergangenheit verklärt. Den „68ern“ ihr „68″, den JuLis ihr 2013.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Maximilian Losch

Beisitzer für Programmatik der Jungen Liberalen Nordberlin

 

Hier geht es zum Debattenbeitrag für den Erhalt des Denkmals von Anwohnerin Sabine Presch. 

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