Nachdem der Großteil eines Stücks Hinterlandmauer in Pankow aus Versehen abgerissen wurde, steht der Rest nun unter Denkmalschutz – und wirft die Frage auf, wie zukünftig mit Objekten der deutsch-deutschen Geschichte umgegangen werden soll.
Um zu diesem Ort der Erinnerung zu gelangen, sollte man besser festes Schuhwerk tragen: Der kurze Abschnitt der Berliner Mauer steht heute versteckt zwischen Bäumen und Sträuchern am Hang einer Bahntrasse in der Dolomitenstraße in Pankow. Bunte Graffitis bedecken die Betonplatten, die während der Teilung zur „Vorfeldsicherung des Grenzstreifens“ gehörten. Viele Jahre interessierte sich niemand für diesen Überrest, bis der davor liegende Garagenhof abgerissen wurde und den Blick auf die Betonwand freimachte. Im Herbst 2019 versuchte die Stiftung Berliner Mauer daraufhin, auf die Besonderheit des Objekts aufmerksam zu machen, kam aber zu spät: Die Baufirma ließ den Großteil des ursprünglich siebzig Meter langen Mauerstücks abreißen.
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Nun stehen die übrig gebliebenen Meter seit Anfang April offiziell unter Denkmalschutz und haben ein Umdenken ausgelöst. „Es gibt noch zahlreiche Mauerreste in Berlin, die oft unscheinbar sind und im Vorbeigehen nicht erkannt werden“, erzählt Prof. Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer. Vor knapp zwanzig Jahren dokumentierte er für eine Publikation rund 1.800 Objekte im Berliner Stadtgebiet, die einen Bezug zur DDR hatten; eine Stichprobe acht Jahre später zeigte, dass bereits rund 800 davon nicht mehr existierten.
Die noch verbliebenen nach Möglichkeit erhalten zu können, ist ihm wichtig: „Diese Objekte sind Zeugnisse des Grenzsystems und zeigen, dass dieses nicht nur aus der Mauer bestand, wie man sie an der Bernauer Straße oder an der East Side Gallery sieht. Die Hinterlandmauer war eigentlich der wichtigere Teil, weil sie die Grenze nach Osten hin sicherte.“
Oft gestalte sich der Schutz geschichtlich wichtiger Orte allerdings schwierig. Während der ehemalige Kolonnenweg an der Bernauer Straße nur noch in kurzen Abschnitten vorhanden ist und mit Informationstafeln ausgestattet werden konnte, wäre zum Beispiel der Grenzweg am Tegeler Fließ ein sehr langes Flächendenkmal: „Kann man den überhaupt schützen?“, so Klausmeier. Einfacher funktioniert das mit kleineren Artefakten wie der Panzersperre, die während der Grabungen zum Stauraumkanal im Mauerpark gefunden und nun als Denkmal kenntlich gemacht wird.
Großes Interesse an DDR-Geschichte
Für den Erhalt historischer Artefakte setzt sich auch Andreas Otto (Grüne) ein, Mitglied des Abgeordnetenhaus Berlin für Pankow und Baupolitischer Sprecher für Berlin-Brandenburg: „Wir sind verpflichtet, diese Orte zu erhalten, und zwar nicht nur im Rahmen eines touristischen Konzepts, sondern auch für die Anwohner*innen“, unterstreicht er. Man müsse jetzt ermitteln, wie viele dieser Orte es im Stadtgebiet noch gebe und dann entscheiden, welche davon unter Schutz gestellt werden könnten und sollten. „Es wundert mich, dass wir das erst dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer besprechen – aber vielleicht hat es diese Zeit einfach gebraucht“.
Davon ist auch Sören Marotz, Ausstellungsleiter des DDR-Museums, überzeugt. „Vor 20 Jahren hätte niemand gedacht, dass eine WBS 70 wie im Ernst-Thälmann-Park jemals unter Denkmalschutz gestellt würde“, sagt er. Das Interesse an der Geschichte der DDR sei bei der jüngeren Generation, die die Teilung nicht miterlebt hat, deutlich gestiegen.
Vielleicht kann in Zukunft zwar nicht jeder Betonpfeiler, jeder Garagenhof, jede Peitschenlampe aus DDR-Zeiten für die Nachwelt erhalten bleiben – ein Abriss wichtiger Erinnerungsstücke aber rechtzeitig verhindert werden.
Foto oben (v.l.n.r.): Christina Czymay (Landesdenkmalamt), Andreas Otto (Grüne), Manfred Wichmann (Gedenkstätte Berliner Mauer), Sören Marotz (DDR-Museum), Prof. Dr. Alex Klausmeier (Stiftung Berliner Mauer) / Foto: Julia Schmitz