Seilbahn

Pankow träumt vom Fliegen

von Mona Linke 30. Januar 2020

Bürgermeister Sören Benn will den Norden des Bezirks mit einer Seilbahn anbinden – doch der Senat ist misstrauisch. Der Politiker hat sich deswegen jetzt Verstärkung geholt.


Eines kann man Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke) wahrlich nicht absprechen: seine Beharrlichkeit. Wenn er einen Wunsch hat, dann gibt er diesen auch so schnell nicht wieder auf. Seit drei Wochen ist es eine Seilbahn, die sich Benn wünscht. Als Ergänzung zu Bus und Bahn sollen die Pankower mit ihr einfach über verstopfte Straßen und den täglichen Feierabend-Stau hinwegschweben. Vor allem den Norden des Bezirks, die Gebiete zwischen Heinersdorf und Buch wie zum Beispiel das neue Wohnquartier Blankenburger Süden, will der Bezirksbürgermeister mithilfe der Gondeln besser ans öffentliche Verkehrsnetz anbinden.

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Bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Klimaschutz und Verkehr findet die Idee allerdings nur wenig Anklang. Man sehe den Vorschlag “mit Skepsis”, sagt Dorothee Winden, stellvertretende Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung. Und so könnten Benns tollkühne Träume so schnell zerplatzen wie sie entstanden sind. Denn für die Nahverkehrsplanung sind nicht die Bezirke, sondern das Land verantwortlich.

Sören Benn kennt die verzwickte Lage – und hat sich deswegen jetzt Verstärkung von Heiner Monheim geholt, Verkehrswissenschaftler und emeritierter Professor für Raumentwicklung an der Universität Trier. Vergangenen Montag hat er den Seilbahnexperten zu einem Fachgespräch ins Rathaus Pankow eingeladen, um zusammen mit Vertretern aus dem Bezirk auszuloten, ob eine Gondelbahn für Pankow “sinnvoll sein kann”, wie es in der Ankündigung heißt.

 

Eine „urbane Seilbahn“

Dass Benns Wahl gerade auf Monheim fiel, ist dabei kein Zufall. Der gebürtige Aachener ist nämlich nicht nur einer der hierzulande lautstärksten Anhänger städtischer Seilbahnen. Er ist auch Mitgründer und Mitinhaber des Instituts für Raumentwicklung und Kommunikation (raumkom) – einer Trierer Gesellschaft, die nicht nur für Ministerien, Regionen und Kommunen, sondern auch im Auftrag von Unternehmen wie dem Seilbahnhersteller Doppelmayr arbeitet und diesen bei seiner Expansionsstrategie berät, wie aus Monheims Vita hervorgeht.

Und so kämpft der Raumplaner seit Jahren dafür, dass Seilbahnen nicht nur als Touristenattraktion angelegt werden wie beispielsweise in Köln. 1957 für die Besucher der Bundesgartenschau angelegt, überqueren bis heute Touristen und Anwohner  mit der Seilbahn den Rhein. Ein sinnvoller Beitrag zum Nahverkehr ist die Schwebebahn allerdings nicht –  ebenso wenig wie in Berlin-Marzahn, wo seit drei Jahren eine Seilbahn durch die Gärten der Welt tourt.

Eine urbane Seilbahn soll es also für Pankow sein, und Monheim trat an diesem Montagnachmittag an, die Pankower*innen von den schwebenden Gondeln zu überzeugen. So holte der 73-Jährige zu einem knapp 60 Minuten langen Vortrag über Seilbahnen als urbane Verkehrsmittel aus, sprach über technische Voraussetzungen, warf Bilder von Gondeln und Kabinen an die Wand, wie sie bereits über La Paz, Lissabon oder New York hinweg schweben und zählte die Vor- und Nachteile – vor allem aber die Vorteile auf: Seilbahnen seien umweltfreundlich, weil elektrisch betrieben, vergleichsweise schnell, weil Staus und Ampeln einfach “überschwebt” würden, barrierefrei, sehr kostengünstig, sehr sicher und außerdem “in Windeseile” gebaut, beteuerte Monheim.

Bestehende Bus- und Tramlinien sollen nicht gestrichen, sondern ergänzt werden, Fahrradstellplätze um die Seilbahnstation herum errichtet und bis zu 7000 Passagiere in der Stunde transportiert werden. Man neigt an diesem Mittwochnachmittag fast dazu, sich zu fragen, wieso nicht längst die ganze Republik von einem riesigen Seilbahnnetz überspannt ist.  Bis einen die Stellungnahme der Verkehrsverwaltung auf den Boden zurückholt.

 

Zu teuer, zu langsam, zu hoch

Seilbahnen seien “immer mit erheblichen Investitionen verbunden”, außerdem “langsamer als die Straßenbahn” und dienten “in der Regel zur Überwindung von großen Höhenunterschieden in den Bergen oder zur Überbrückung von Flüssen”, zählt Sprecherin Dorothee Winden auf. Für die Innenstadt seien Seilbahnen nicht geeignet, heißt es weiter in der Antwort.

“Während ÖPNV-Verbindungen von Bus, Tram, U- und S-Bahn ein engmaschiges Netz mit einer Vielzahl von Umsteigemöglichkeiten bieten, sind Seilbahnen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die meist nur wenige Umsteigemöglichkeiten bieten”

 

sagt Dorothee Winden. Und die Sprecherin fährt fort: Der Einstieg in die Gondeln sei nicht barrierefrei zu realisieren und an jeder Stelle müsse Personal vorhanden sein, um das Ein- und Aussteigen insbesondere von Kindern und älteren Menschen zu gewährleisten. Fahrgäste mit Höhen- und Platzangst seien von der Nutzung ausgeschlossen, und ab bestimmten Windgeschwindigkeiten müsse der Betrieb eingestellt werden. Man sei skeptisch, ob es sich bei der Seilbahn wirklich um das geeignete Verkehrsmittel handelt, um Gebiete wie den Blankenburger Süden zu erschließen, sagt Winden abschließend.

Sören Benn kennt die Vorbehalte des Senats– und hat deshalb auch Vertreter aus der Verkehrsverwaltung zum Fachgespräch im Rathaus eingeladen. Erschienen ist allerdings keiner der Kollegen, wie Benn ernüchtert feststellen muss, nachdem er zwei Mal seinen prüfenden Blick durch die Reihen hat wandern lassen. “Wir saßen im Oktober bei der Senatsverwaltung und wollten uns am Verkehrskonzept beteiligen. Aber der Senat gibt uns gar nicht die Möglichkeit, Lösungen zu entwickeln”, ärgert sich der Bezirksbürgermeister. Und: “Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es jetzt weitergeht”. In der Senatsverwaltung dagegen betont man “für einen Austausch zur Verfügung zu stehen”, wenn der Bezirk das Gespräch suche, wie Dorothee Winden es formuliert.

 

“Sie schweben aus der Arbeit heraus nach Hause”

Besonders gut stehen die Chancen allerdings nicht, dass Benns Seilbahnträume in naher Zukunft Wirklichkeit werden. Denn den aktuellen Nahverkehrsplan hat das Land Berlin erst vergangenes Jahr verabschiedet. Und weil dieser für die nächsten fünf Jahre gilt, wird bis 2023 zumindest darin von Seilbahnen nicht die Rede sein.

Und doch wird Sören Benn an diesem Tag nicht müde, seine schwebenden Gondeln voller Enthusiasmus zu verteidigen: “Stellen Sie sich das mal vor: Sie schweben quasi aus der Arbeit heraus nach Hause”, ruft der Bezirksbürgermeister durch den Saal. Und: “Das wäre ein Markenzeichen für den Bezirk. Keine andere Stadt in Deutschland hat eine urbane Seilbahn”.

Und tatsächlich scheint die flammende Begeisterung des Linken-Politikers zumindest auf einige anwesende Pankower Eindruck zu machen. Jedenfalls geht ein zustimmendes Nicken durch die vollbesetzten Stuhlreihen im Rathaus Pankow. Einen älteren Herrn scheint die Innovationsfreude sogar ebenfalls gepackt zu haben. Nach dem Vortrag meldet er sich zu Wort und berichtet von Straßenbahnen auf Gummirädern, wie sie bereits durch China fahren. “Da könnte man ja auch mal drüber nachdenken”, sagt der Pankower. Diesmal ist es Sören Benn, der zustimmend nickt.

Ob in seinem Bezirk jemals eine Gondel abheben wird? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Für den Moment jedenfalls kann der Berliner nur weiter vom Fliegen träumen.

Bild oben: Seilbahn in Köln / Wikimedia Commons, Maxim75

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