Vom Versuch, ein DHL-Paket zu bekommen

von Sarah Schaefer 14. März 2019

Eine Prenzlauer Bergerin wollte eigentlich nur ein Paket von ihrer Mutter empfangen. Es folgte eine monatelange Auseinandersetzung mit DHL.


„Ich wollte den einfach gern haben“, sagt Michaela Bergmann* rückblickend über den Mikrowellenofen. Ihre Eltern in Mecklenburg hatten das Gerät ausrangiert, die Tochter in Prenzlauer Berg wollte es künftig nutzen. Also schickte die Mutter ein Paket mit DHL, nach Bergmanns Angaben 15,4 Kilo schwer, Kosten: 16,49 Euro. Dass es vier Monate dauern würde, bis sie das Paket in den Händen halten konnte, ahnte Michaela Bergmann da noch nicht.

Es war Anfang Oktober, als ihre Mutter das Paket zur Post brachte, zwei Tage später kam es in Prenzlauer Berg an. Aber nicht in Bergmanns Wohnung in der Nähe des Humannplatzes, obwohl sie, wie sie sagt, zu Hause war. Stattdessen lag eine Benachrichtigung im Briefkasten: Das Paket sei bei ihrem Nachbarn abgegeben worden.

Nachbar“ ist einen Kilometer entfernt

Bei dem „Nachbarn“ handelte es sich um den Getränkemarkt Bolz in der Ahlbecker Straße, einen Kilometer Fußweg entfernt. Michaela Bergmann wollte das Paket dort abholen, aber es war zu groß und zu schwer. Wegen einer chronischen Erkrankung ist sie eingeschränkt, schweres Tragen ist ein Problem. Ein Auto hat sie nicht. Eines mieten wollte sie nicht. Es ist nicht ihre Verantwortung, den Transport des Pakets zu übernehmen, findet sie. Dafür habe man ja schließlich Versandgebühren bezahlt.

Nun begann das, was Michaela Bergmann später als „Tauziehen“ bezeichnet. Ihre Anrufe bei DHL blieben erfolglos. Da könne man nichts machen, das Paket sei zugestellt – diese Antwort habe sie immer wieder bekommen, sagt Bergmann.

So wurde das Paket nach ein paar Tagen zurück zu den Eltern geschickt. Weitere Anrufe bei DHL, die Mutter wandte sich sogar an die Bundesnetzagentur. Diese schrieb in ihrer Antwort: „Es ist anerkannt, dass eine Ersatzzustellung auch an Nachbarn zulässig ist. Diese müssen aber tatsächlich in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen.“

Im Januar schickte die Mutter das Paket erneut ab. Am 23. Januar erreichte es Prenzlauer Berg und landete: im Getränkemarkt Bolz.

 

Der Klassiker Foto: Julia Schmitz

 

Michaela Bergmann riss der Geduldsfaden: Sie erstattete Anzeige bei der Polizei. Am Telefon erläuterte ihr ein verständnisvoller Polizeibeamter, dass ihre Angelegenheit strafrechtlich nicht relevant sei.

Schließlich sprach Bergmann mit ihrer Nachbarin, die anbot, das Paket mit dem Auto abzuholen. Als die Nachbarin gerade beim Getränkemarkt Bolz war, begegnete sie zufällig einem DHL-Fahrer. Der nahm das Paket mit und brachte es zu Michaela Bergmann. Am 1. Februar, fast genau vier Monate, nachdem ihre Mutter das Paket erstmals verschickt hatte, war der Mikrowellenofen endlich bei ihr zu Hause angekommen.

Eine Entschuldigung, sagt Bergmann, habe sie nie bekommen. Sie habe durch diese Erfahrung das Vertrauen verloren, dass ihre Pakete und Briefe auch wirklich ankommen. „Ich traue mich nicht mehr, etwas mit der Post zu schicken“, sagt sie.

Frust und Begeisterung

Michaela Bergmann ist nicht die Einzige in Prenzlauer Berg, die Probleme mit dem Empfang von Paketen hat. Auf eine Umfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten zu Erfahrungen mit den großen deutschen Paketzustellern gab es zahlreiche Reaktionen, die zeigten: Der Frust ist groß. Ein Klassiker, über den sich viele beschweren: Der Bote bringt das Paket direkt zur Sammelstelle, ohne zu klingeln. Gleichzeitig äußerten sich manche Prenzlauer Berger regelrecht euphorisch über besonders aufmerksame und freundliche Paketboten, etwa im Gleimkiez.

Wir haben DHL Michaela Bergmanns Fall geschildert. „Den Eindruck, dass die Paketzusteller oft einfach Benachrichtigungskarten in die Briefkästen werfen würden, ohne zu klingeln, können wir pauschal so nicht bestätigen“, teilte eine Sprecherin der Berliner DHL-Pressestelle mit.

Für die Auslieferung eines DHL-Pakets gebe es klare Regelungen. Dazu gehöre auch, „dass die Sendungen nicht ohne einen Zustellversuch bei einem Ersatzempfänger abgegeben werden dürfen“. Kann das Paket nicht zugestellt werden, ermögliche man den Kunden eine „zeitsparende und in der Regel bequeme Abholung“ des Pakets bei einem anderen Empfänger „in unmittelbarer Nachbarschaft“.

Fehler sollen ausgewertet werden

Auf unsere Frage, welche Distanzen für DHL noch als „unmittelbare Nachbarschaft“ gelten – Michaela Bergmanns Paket wurde schließlich einen Kilometer entfernt von ihrer Wohnung abgegeben – antwortete das Unternehmen nicht. Ebenso unbeantwortet ließ DHL unsere Frage, wie es die extremen Schwankungen in der Qualität der Zustellung erklärt, von denen unsere Leserinnen und Leser berichten.

Im Fall von Michaela Bergmann bittet das Unternehmen um Entschuldigung für die „Unannehmlichkeiten“ und verspricht, „eventuell festgestellte Fehler (…) gemeinsam mit den Zustellkräften“ auszuwerten und zu besprechen. Immerhin: Eine Entschuldigung hat Michaela Bergmann nun erhalten – auch wenn die noch länger auf sich warten ließ als die Zustellung ihres Pakets.

* Name geändert. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

Foto: Julia Schmitz

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