Haußmann

„LSD“ in der Volksbühne

von Julia Schmitz 7. Januar 2019

Leander Haußmann inszeniert „Haußmanns Staatsicherheitstheater“ an der Volksbühne. Wie viel Prenzlauer Berg steckt darin?


Geschrien wird an diesem Abend ziemlich oft. Ob als Hommage an die „alte“ Volksbühne, die mit der Ära Castorf ein Ende gefunden hat und jetzt nach einem Profil sucht, oder als Ausdruck von Verzweiflung und Wut der Charaktere: „Haußmanns Staatsicherheitstheater“ ist kein Theaterstück leiser Worte, es ist vielmehr üppig, schwelgend, schrill.

Dabei ist der Beginn des Stückes denkbar schlicht, die Bühne leer, eine Frau im hochgeschlossenen, schwarzen Kleid steht ratlos schauend im Scheinwerferlicht. Als Bühnenmitarbeiter zwei Konstruktionen hereinrollen, die einen undichten Dachboden mit trocknender Wäsche, ein angedeutetes Treppenhaus sowie ein Wohn- oder Arbeitszimmer zeigen, gibt es ersten Szenenapplaus: Die von Lothar Holler entwickelte Konstruktion erhebt sich und lässt darunter zwei weitere Etagen eines bröckelnden Berliner Altbaus im Querschnitt zum Vorschein kommen. Wann hat man zuletzt ein so monumentales, bis ins letzte Detail stimmiges Bühnenbild präsentiert bekommen?

Undercover bei den „Nekdeks“

Ein Haus in Prenzlauer Berg soll es sein, auf das die Zuschauer an diesem Abend dreieinhalb Stunden ihre Aufmerksamkeit richten. Hier wird Ludger Fuchs (Horst Kotterba) von einem vermeintlichen, 30 Jahre alten Liebesbrief in seiner Stasi-Akte eingeholt – dumm nur, dass dieser nicht an seine zu der Zeit erst kürzlich angetraute Frau gerichtet war. Was war damals passiert? In einer Rückblende in die 1980er bilden Kiezkneipe, Privatwohnungen und Stasi-Büro des übergroßen Puppenhauses die Kulisse für eine scheinbar gewitzte Aktion der Staatssicherheit: Weil diese den Überblick über die Künstlerkreise in Prenzlauer Berg verloren hat, gründet sie eine „Sondereinheit LSD“, mit der eigene Mitarbeiter in die Szene rund um das Straßengeflecht aus Lychener-, Schliemann- und Dunckerstraße eingeschleust werden sollen.

Man legt die Handgelenkstaschen ab und klebt sich falsche Bärte auf, hüllt sich in ausgeleierte Parkas und Kostüme längst vergangener Jahrhunderte, übt das Rezitieren von Gedichten und das betont Nonchalante. Mit stümperhafter Vorgehensweise sollen Affären inszeniert und Beziehungen zerstört werden, so dass die Szene der „Nekdeks“ – der „negativ-dekadenten Elemente“ – sich selbst „zersetzt“. Doch geht das natürlich schief, wenn der extra für diese Aktion angeworbene inoffizielle Mitarbeiter – eben jener Ludger Fuchs – plötzlich selbst Gefallen daran findet, Kunst zu machen. „Weniger Gedichte, mehr Berichte“, fordert sein Vorgesetzter dann auch recht schnell.

Haußmann
Haußmanns Staatssicherheitstheater / Text & Regie: Leander Haußmann / Foto: Harald Hauswald

Haußmann, der als Regisseur spätestens mit den Verfilmungen von Sonnenallee und Herr Lehmann Berühmtheit erlangte, greift auch in seiner neuesten Theaterinszenierung auf bewährte Motive und Szenen zurück, die die Kleinbürgerlichkeit und Spießigkeit der DDR zum Ausdruck bringen sollen. Und natürlich orientiert er sich auch an realen Geschehnissen, etwa der Aufdeckung Sascha Andersons, der damals Teil der Kunstszene war und sie gleichzeitig an die Staatssicherheit verriet. Gekoppelt mit der Haußmann eigenen Ironie entstehen so herrlich humorvolle Situationen, etwa wenn der junge Stasi-Mitarbeiter (gespielt von Christopher Nell), der sich als „blaublütig“ bezeichnet – schon Vater und Großvater waren beim MfS – die vor Pathos tropfende Hymne auf die „Staahahahahaatsicherheit“ zum Besten gibt. Oder wenn Uwe Dag Berlin mit Häuptlingsfedern auf dem Kopf den cholerischen Wutbürger von Heute mimt.

Doch zu oft entgleitet Haußmann das Humoristische leider in den Klamauk – z.B. wenn sich der inoffizielle Mitarbeiter als Liebhaber im Schrank versteckt -, zu häufig sind die Witze platt, wirken die Dialoge aus Verlegenheit improvisiert, verheddern sich die Figuren zu sehr in der beschaulichen Ostalgie und fragt man sich, welche Geschichte das Stück eigentlich erzählen will und welche Rolle der Prenzlauer Berg spielt. Die Beantwortung dieser Frage verläuft sich in dem pompösen, aber merkwürdig abrupten Ende und lässt den Eindruck zurück: War wohl ganz kuschelig in der DDR, ein bisschen Bespitzelung, okay, aber ansonsten hatten sie es schick!

Das Thema Stasi und Künstlerszene im Prenzlauer Berg halte so viel Material bereit, dass genügend Erzählstoff für den zusätzlich geplanten Film übrig sei, heißt es in der Umgebung des Theaters – und letztendlich passt der Haußmann’sche Humor tatsächlich viel besser auf die Leinwand als auf eine Bühne.

Weitere Termine von „Haußmanns Staatsicherheitstheater“ in der Volksbühne: 24. Januar, 24. Februar 2019.

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