Gut, nicht so opulent. Aber unverkennbar eine Blüte. Im November (Foto: Constanze Nauhaus)

Winterliche Kirschblüten: Stimmt es, dass… ?

von Constanze Nauhaus 21. November 2017

… die Kirschbäume unter der Bösebrücke im Winter blühen, weil eine Wärmeleitung unter den Pflanzungen verläuft? Wir gehen der Frage eines verwunderten Lesers auf den Grund.


Floristisch bewandert sind wir ja auch nicht unbedingt, unsere Kenntnisse beschränken sich auf die Besuche in der KGA Bornholm im Rahmen unserer Hofberichterstattung und das, was die Prenzlauer Berger Sonne im Frühling dem Balkonkasten entlockt.

Nun ist allerdings fast Winter. Und ein Leser wundert sich, wieso denn die Kirschbäume in der Norwegerstraße blühen. Seine steile These: Unter den Bäumen verlaufe vielleicht eine Fernwärmeleitung, die den natürlichen Bio-Rhythmus der Pflanzen durcheinanderbringe. Da können auch wir uns nur wundern. Oder bei Vattenfall anrufen. Denn der schwedische Energiekonzern betreibt das immerhin 2.000 Kilometer lange Berliner Fernwärmenetz wohl auch weiterhin, nachdem der Senat dem Unternehmen im Sommer vor dem Verwaltungsgericht unterlag (wohingegen der Streit um das Stromnetz weiterhin andauert). Klare Antwort von Sprecherin Julia Klausch: „An dieser Stelle verlaufen keine unserer Fernwärmeleitungen.“

Notaustrieb? Klimawandel?

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Bleibt die Frage: Wieso fangen die Bäume jetzt, wenn es kalt wird, plötzlich an zu blühen? Perversionen der Erderwärmung? Die Antwort ist denkbar einfach: „Das hat nichts mit Notaustrieb oder Klimawandel zu tun. Das ist lediglich eine herbstblühende Sorte, die genau jetzt, im November, blüht“, erinnert sich Rima Gutta von der Senatsverwaltung für Umwelt, die vor vielen Jahren für die sogenannte „Sakura-Campaign“ zuständig war. „Sakura“, das sind japanische Kirschbäume. Und davon spendeten, so die Tradierung, ob der deutschen Wiedervereinigung begeisterte japanische Bürger auf Initiative eines japanischen Fernsehsenders im Jahr 1990 9.000 Stück, die im Verlauf der folgenden 20 Jahre vorwiegend in Berlin und Brandenburg gepflanzt wurden.

215 Exemplare dieser japanischen Zierkirsche zieren die Norwegerstraße – der größere Teil den nördlichen Abschnitt zwischen Bösebrücke und Dolomitenstraße. An dieser Stelle steht auch ein Gedenkstein:

Gedenkstein zur Pflanzung der Kirschbäume am Mauerweg im Jahr 1993 (Foto: Constanze Nauhaus)

Gedenkstein zur Pflanzung der Kirschbäume am Mauerweg im Jahr 1993 (Foto: Constanze Nauhaus)

Diese Bäume am neben den Kleingärten verlaufenden Mauerweg gehören zur verbreiteten Kanzan-Sorte, die, ganz Baum, im Frühling blüht. Und zwar rosa, wie das der gemeine Europäer von Kirschblüten so kennt. Von rosa kann momentan aber keine Rede sein, im Gegenteil, trist mutet der Mauerweg mit den kahlen Bäumen an.

Laub und Blüte gleichzeitig

Anders 20 Meter weiter südlich, auf dem anderen Ende der Norwegerstraße. Auch hier stehen noch einmal zweireihig Kirschbäume – eigentlich, da auf beide Straßenseiten, dreireihig. Und auch hier zeigen die Bäume kahle Stellen und herbstliches Laub, aber: gleichzeitig blüht es hier unverkennbar. Gut, von einer Pracht wollen wir nicht sprechen, aber die kleinen, weiß-gelben Blüten lassen sich nicht wegdiskutieren (siehe Bild oben). Von Frau Gutta wissen wir: es handelt sich um eine andere Sorte, einen Herbstblüher. Für die Bio-Nerds: Prunus subhirtella autumnalis. Wer der ein oder anderen Fremdsprache mächtig ist, weiß: Der Name ist Programm.

Dem damaligen Flyer zur Sakura-Kampagne sowie Rima Guttas Erinnerungen ist zu entnehmen, dass es sich an allen drei Standorten nördlich, südlich und auf der Bornholmer Brücke um drei verschiedene Pflanzungen handelt. Während der Mauerweg bereits 1993 bestückt wurde, stammen die Bäume zwischen Bösebrücke und Finnländischer Straße von 1995. Die letzten acht Kampagnen-Bäume wurden am Mauerfall-Gedenktag auf der Bösebrücke gepflanzt, zur Einweihung des dortigen „Platz des 9. November 1989“.

Hier blüht jetzt gar nichts: Platz des 9. November 1989 (Foto: Constanze Nauhaus)

Hier blüht jetzt gar nichts: Platz des 9. November 1989 (Foto: Constanze Nauhaus)

Hier, auf der Bornholmer Brücke, blüht jetzt gar nichts. Ebensowenig wie am Mauerweg darunter:

Und hier sieht es auch herbstlich aus, am Mauerweg (Foto: Constanze Nauhaus)

Und hier sieht es auch herbstlich aus, am Mauerweg (Foto: Constanze Nauhaus)

Hätten wir das Geheimnis um die herbstlichen Blüten also gelöst. Aber bitte jetzt nicht losziehen und munter Kirschzweige für die heimische Vase pflücken gehen. Sonst blüht was. Nicht.

 

In unserer Rubrik „Gerüchteküche“ gehen wir in loser Folge Gerüchten aus dem Kiez auf den Grund. Was ist Dir zu Ohren gekommen? Erzähl es uns in unserer Umfrage, damit wir herausfinden können, was dran ist!

Teil 1: Stimmt es, dass Bornholm bebaut wird?

Teil 2: Stimmt es, dass die Brücke an der Greifswalder Straße nie mehr geöffnet wird?

Teil 3: Stimmt es, dass in Prenzlauer Berg berlinweit die meisten Fahrräder geklaut werden?

Teil 4: Stimmt es, dass der Wasserturm Nena gehört?

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