Wer hat an die Wand gemalt?

von Lisa Steiner 9. Januar 2017

Bunte Bilder zieren ein Haus am Arnimplatz. Es wurde von Hand bemalt, und zwar von Andreas Werner. Wie es dazu kam und über den ungewöhnlichen Beruf des Fassadenmalers.

Andreas Werner ist „Täter“ aus Leidenschaft. Wenn er eine Wand gefunden hat, kann es schon mal sein, dass er mehrere Tage mit Spraydose und Pinsel davor steht. Angst vor der Polizei muss Werner bei seinen Malaktionen allerdings nicht haben. Werner ist nämlich kein Graffiti-Sprayer, sondern Fassadenkünstler. Dass wir hier über ihn berichten, liegt an einem seiner Werke. Es ziert, schon von weitem erkennbar, das Eckhaus an Seelower und Paul-Robeson-Straße. Das Haus ist eine Art „Landmark“ am viel frequentierten Arnimplatz.

 

„Fassadenkünstler kann man nicht lernen“

 

Genau dort treffen wir den Künstler, um mit ihm über das Wandbild und über seinen Beruf zu sprechen. Denn, mal ehrlich, wie wird man eigentlich Fassadenkünstler? „Ich habe keine Ausbildung. Fassadenkünstler kann man nicht lernen“,  antwortet der 37-jährige gebürtige Pankower bescheiden. Was er damit meint: Niemand hat ihm beigebracht, wie man Wände und andere Objekte so bemalt wie eben jenes Haus. Einen Beruf gelernt hat Werner allerdings schon. Mediengestalter. „Ich habe auch in einer Werbeagentur gearbeitet. Aber nicht lange. Ich habe mich dann ziemlich schnell selbstständig gemacht“, sagt Werner. Und zwar mit dem, was er liebt und was er kann: der Fassadenkunst. Das ist nun 13 Jahre her. Und es läuft nicht schlecht. Leider  kommen die meisten Aufträge aber nicht von Hauseigentümern – sonst gäbe es ja mehr so tolle Wände im Kiez.

Kunden sind auch Konzerne, wie beispielsweise Vattenfall oder Eon. Manchmal wünscht sich eine Firma auch eine Innenraumgestaltung. So zum Beispiel Siemens. Man ließ sich von Werner eine Wand mit Turbinen gestalten, weil im Berliner Werk in der nach dem Begründer benannten Siemensstadt ja Turbinen hergestellt werden.

So sieht der Eingang des Eckhauses am Arnimplatz aus. (Foto: Lisa Steiner)

 

Risiko Graffittikünstler

 

„Die meisten Objekte gestalte ich etwas außerhalb von Berlin“, so Werner. Dort würden die Werke sich länger halten. In Berlin hingegen wird Fassadenkunst auch schon mal Opfer von Graffitikunst. Verurteilen will Werner das aber nicht. Auch wenn man ihm ansieht, dass es ihn doch etwas schmerzt, wenn er daran denkt, dass jemand seine Arbeit übermalt. Der Grund für die Milde: „Ich komme ja selbst vom Graffiti.“  

Diese Sozialisierung in der Subkultur hat dem Fassadenkünstler fachlich vieles gebracht. Er kennt sich bestens aus mit verschiedenen Techniken und Farben, das sieht man bei genauerer Betrachtung auch an dem Haus am Arnimplatz. Dachrinne, Markisen, Wandvorsprünge – über alles zieht sich das Gemälde (beziehungsweise die zwei Gemälde, aber dazu später mehr). Und es hält seit Jahren. „Das wäre mit herkömmlicher Wandfarbe nicht möglich“, erklärt Werner. Die Industrie habe aber in den vergangenen 20 Jahren reagiert und spezielle Farben für Fassadenbemalung auf den Markt gebracht. Die ist pigmentstärker, also teurer. Für Markisen und andere Oberflächen braucht man natürlich auch andere Farben als für die Wände. Und trotzdem muss der Farbton stimmen, und die Optik.

 

Zehn Tage für ein Wandgemälde

 

Die Fassade des Hauses im Kiez hat Werner in zwei Etappen gestaltet. Erst für die Kita „Brüderchen und Schwesterchen“. „Das war eine ganz klare Auftragsarbeit, wie 80 Prozent meiner Arbeiten,“ sagt Werner.  „Da kommt das Thema vom Kunden.“ In diesem Fall lag das Thema auf der Hand: Szenen aus dem Märchen Brüderchen und Schwesterchen. Sie zieren die Fassade auf der Seite der Seelower Straße. Und die andere Seite? Warum steht dort „Berlin um 1904“? „Naja, der Hausbesitzer war so begeistert von meiner Arbeit, dass er auch den Rest vom Erdgeschoß gemacht haben wollte. Und weil das Haus aus dieser Zeit stammt, hat das eben gepasst“, sagt Werner. Angelehnt an die Zeichnungen von Heinrich Zille malte er also Alltagsszenen aus der Zeit um die vorige Jahrhundertwende.

Zehn Tage dauerte die Fertigstellung der Fassade am Arnimplatz – pro Seite. Das sei aber nicht die Hauptarbeit. Die findet lange vor dem Malen statt. Erst Recherche zum Thema, im Internet, aber auch schon mal in Bibliotheken. Dann die Entwurfsphase. Abstimmung mit dem Kunden. Dann erst geht es ans Objekt. „Wenn man das kann, ist das dann am einfachsten“, schmunzelt Werner.

 

Manche Wände bemalt er für lau

 

Ob es Werke gibt, auf die er besonders stolz sei? „Das ist eine schwierige Frage. Ich bin generell immer mit irgendwas unzufrieden. Selbst, wenn der Auftraggeber zufrieden ist“, sagt Werner. „Ich finde immer was, das ich noch verbessern kann.“ So kommt es, dass er auch öfter mal mehr an einem Werk arbeite, als er bezahlt bekomme. Aber das findet Werner nicht schlimm. „Man muss diese Arbeit schon lieben, sonst macht man das nicht.“

Den Reichstag oder den Fernsehturm würde der Künstler niemals gestalten wollen: „Die stehen für sich selbst. Ich gestalte viel lieber Fassaden, wo sonst nie einer hingucken würde“, sagt Werner. Manchmal macht er das sogar für lau. Allerdings nur, wenn er die Fassade als Arbeitsfläche spannend findet und man ihm bei der Gestaltung volle künstlerische Freiheit lässt.

 

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