Kein Frieden auf dem Hirschhof

von Kristina Auer 1. Dezember 2016

Die Eigentümer erstritten vor Gericht eine private Mauer. Einen Zugang zum öffentlichen Park wollen sie trotzdem. Anwohner sind empört. Kommt nicht in die Tüte, sagt der Stadtrat.

Die Fehde zwischen Eigentümern, Bezirk und Anwohnern um den historisch bedeutenden Hirschhof im Häuserdreieck zwischen Kastanienallee, Oderberger und Eberswalder Straße geht in die nächste Runde. Die Vorgeschichte dürfte den meisten bekannt sein: Der Häuserinnenhof, der wegen seiner Vergangenheit als Treffpunkt der DDR-Oppositionsbewegung einer der bedeutendsten Plätze in Prenzlauer Berg ist, wird von den Hauseigentümern der Kastanienallee 10 als Privatgrundstück angesehen. Vor Gericht erstritt die Eigentümergemeinschaft den Anspruch auf den Hof gegenüber dem Bezirk, der ihn wegen der Historie gerne als öffentliche Grünfläche erhalten hätte. Der Bezirk wurde also dazu verdonnert, eine vor Jahren abgerissene Mauer wiederzuerrichten, die die Öffentlichkeit vom Innenhof fernhält. Den Bezirk soll das rund 30.000 Euro gekostet haben, so das Bezirksamt.

Kaum wurde mit dem Bau begonnen, war man in der Eigentümergemeinschaft von der Maueridee scheinbar doch nicht mehr so begeistert, manch einer bezeichnete sie gar als „Monstrum“. Unterdessen begann der Bezirk, auf den nebenliegenden Freiflächen einen „neuen Hirschhof“ zu planen, der die restliche Bevölkerung in der hochverdichteten Gegend mit etwas Erholungsraum ausstatten soll. Dort steht jetzt schon ein neuer Spielplatz, gerade wird ein Nachbarschaftshaus gebaut, und der Platz soll in Zukunft noch erweitert und verschönert werden. Was bei den juristisch bestimmten Eigentümern des alten Hirschhofs dazu geführt haben dürfte, dass auch das Interesse an der neuen, öffentlichen Grünfläche wuchs.

Ein Hirsch-Graffitti ziert die Häuserwand am neuen Hirschhof.

 

Umstrittenes Tor

 

Die PBN erreichte jetzt ein anonymer Brief. Darin empören sich die Autoren darüber, dass die Eigentümer der Kastanienallee 10 „im Verborgenen“ ein Tor in die Mauer eingebaut hätten. „Wir waren schon fassungslos, als wir nicht mehr in den alten Hirschof konnten. Und jetzt schafft man von dort einen exklusiven Privatzugang zum neuen Spielplatz“, heißt es in dem Brief. Aufgrund besagter Baustelle eines Nachbarschaftshauses ist der Hirschhof derzeit nur ein kleines Stück weit begehbar, weswegen wir bei unserem Besuch keinen Blick auf die Mauer erhaschen konnten. Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) bestätigt, dass ein Loch in der Mauer sei, die ebenfalls noch nicht fertig gebaut ist.

Im Verborgenen, wie der anonyme Leserbrief vermutet, wurde hier trotzdem nichts gemacht. „Der Einbau des Tors ist zusammen mit der Tieferlegung der Mauer 2015 beim Bezirk beantragt und genehmigt worden“, sagt Frank Boermann. Der Anwalt vertritt die Eigentümer der Kastanienallee 10 vor Gericht. Stadtrat Kirchner bestätigt das, denn: „Die Mauer sollte genauso wieder gebaut werden, wie es sie schon mal gab. Die alte Mauer hatte auch ein Tor.“ Der Bezirk musste das Tor nach dem vorangegangenen Gerichtsurteil mit Vergleich also genehmigen.

 

Bezirk: Tor ja, Durchgang nein

 

Und hier kommt der springende Punkt: Trotz Tor will der Bezirk den Eigentümern der Kastanienallee 10 den Durchgang durch eben dieses zur öffentlichen Grünfläche, dem neuen Hirschhof, nicht erlauben! Das Genehmigen einer Baulichkeit sei absolut nicht dasselbe wie die Genehmigung eines Durchgangs, so Kirchner. Dass private und öffentliche Grundstücke mit Zäunen abgetrennt würden, sei außerdem vielerorts im Bezirk gang und gäbe. „Die Eigentümer können den neuen Hirschhof wie alle anderen über den Eingang in der Oderberger Straße 19 betreten“, sagt der Stadtrat.

Deshalb sind laut Kirchner zwischen Bezirk und Eigentümergemeinschaft jetzt wieder Anwälte im Spiel. Die Eigentümergemeinschaft argumentiere, sie habe ein Recht auf Zugang zur öffentlichen Grünfläche. Im Behördensprech handelt es sich um eine Zuwegung und ein Geh- und Fahrrecht. Der Stadtrat für Stadtentwicklung sieht das anders: „Im Gegenteil! Sie wollten eine Mauer, jetzt kriegen sie eine Mauer!“ Die Angelegenheit sei nicht nur für die Anwohner um den Hirschhof, sondern auch für ihn selbst ein „hochpersönliches Thema“. Anwalt Boermann wollte einen aktuellen Rechtsstreit nicht bestätigen.

 

Das Thema Hirsch dominiert auch auf dem Spielplatz. Dazu kommen drei Schweine.

 

Erst Mauer und dann Zaun?

 

Auch unabhängig von persönlichen Empfindungen kommt Kirchner zufolge ein persönlicher Zugang für die Eigentümer der Kastanienallee 10 nicht infrage. Einerseits könnte über eine Zufahrt auf den Hinterhof im Falle von Bauarbeiten auch Baumaterialien und Ähnliches angeliefert werden. Zum Nachteil der Öffentlichkeit, die den neuen Hirschhof als Erholungsort nutzen möchte.

Auf der anderen Seite würde ein Tor die Mauer überwindbarer machen, und zwar nicht nur von drinnen nach draußen, sondern auch in Gegenrichtung. „Bei den ersten paar Jugendlichen, die dann im alten Hirschhof Radau machen, würde dann wieder von uns verlangt, dass wir dort für Ruhe sorgen“, sagt Kirchner. Das Bezirksamt werde deshalb auf keinen Fall zulassen, dass es einen Durchgang vom alten in den neuen Hirschhof gibt. Im Ernstfall will der Bezirk selbst wiederum einen Zaun bauen: „Wenn sie das Tor tatsächlich einbauen, dann werden wir unsere Flächen schützen“, sagt Kirchner.

Die eingerahmte Fläche kennzeichnet den gesamten Häuserinnenhof. Die mit Bäumen markierte Fläche rechts darin zeigt den alten, die freie Fläche links den neuen Hirschhof. (Quelle: Bezirksamt Pankow)

 

Platzhaus soll im Mai fertig sein

 

Unterdessen werde rege am neuen Hirschhof weitergebaut, so Kirchner. Das neue Platzhaus soll im Mai 2017 fertig sein. „Dann wächst der neue Hirschhof noch schrittweise weiter“, sagt Kirchner. Mit einem neuen Bebauungsplan, der unlängst in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen wurde, ist bereits das neue Grundstück zwischen den Häuserblöcken an Oderberger und Eberswalder Straße mit dazu gekommen. Es gebe im Bezirk aber noch viele weitere gute Ideen, so Kirchner. Gerade sei zum Beispiel ein Zugang zum Platz über die Eberswalder Straße und den Kindergarten neben der Polizeiwache im Gespräch.

Auch die eiserne Hirschfigur, die einst auf dem alten Hof stand und momentan zwischengelagert wird, wird laut Kirchner wenn alles fertig ist wieder auf dem neuen Hirschhof aufgestellt. Einen genauen Zeitpunkt gebe es für die Fertigstellung noch nicht, wahrscheinlich seien ein bis zwei Jahre, so Kirchner. Der Hirschhof werde aber schon früher wieder zugänglich sein, weil die Bauarbeiten schrittweise an verschiedenen Stellen gemacht werden.

 

(Wir haben den Artikel am 30.11.2016 aktualisiert, nachdem wir mit dem Anwalt der Eigentümer sprechen konnten.)

 

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