Investoren spielen Monopoly

von Anja Mia Neumann 1. September 2016

Wenn Investoren auf Shopping-Tour gehen und dabei vergnügt lachen, ist man mittendrin in der Immobilienspekulation. Wenn Mietern vor Verzweiflung die Stimme überschlägt auch. „Die Stadt als Beute“ zeigt all das im Kino.

 

1. „10 Euro netto kalt wird in Zukunft die Standard-Einstiegsmiete in Berlin sein.“

2. „Dann war auf einmal mein Badezimmer-Fenster zugemauert, als ich aus der Klinik kam.“

3. „Wir können uns doch nicht an den schwächsten der Gesellschaft ausrichten, wie sich eine Stadt entwickeln soll.“

 

Diese Sätze fallen im Kinofilm „Die Stadt als Beute“ und dokumentieren Berlins Immobilien-Ausverkauf. Filmemacher Andreas Wilcke hat mit Maklern und Investoren gesprochen, war bei Mietern zu Hause und mit einer Millionenerbin auf Shopping-Tour, er hat den Abriss eines Hauses begleitet und eine Immobilienmesse in der Stadt besucht (hier geht es zum Trailer).

Bild aus „Die Stadt als Beute“ von Andreas Wilcke

 

Der Dokumentarfilm gibt dem Kampf um die Berliner Wohnung viele Gesichter – und allein die betroffenen Menschen sprechen darüber. Für Prenzlauer Berg analysiert ein Kneipier: „In Prenzlauer Berg wird es keine Hartz-IV-Empfänger mehr geben, die gehen alle nach Marzahn und Hohenschönhausen: Da können Sie dann einen Zaun drum ziehen.“

So halten wir es denn auch – und lassen nur noch den Filmemacher selbst in einem Interview zu Wort kommen. Der 41-Jährige hat den Immobilien-Ausverkauf vier Jahre begleitet, rund 200 Stunden Material gesammelt und daraus einen Film gemacht, der nun in die Berliner Kinos kommt.

 

Wie kam es zum Titel „Die Stadt als Beute“?

Andreas Wilcke: „Der Titel gibt sehr gut wieder, dass Häuser Spekulationsobjekte sind. Es geht darum, dass sie nicht nur als Heimat gesehen werden, sondern als etwas, das erbeutet werden kann. Klaus Ronneberger hat ein Buch so genannt und ich habe mich während der Arbeit an dem Film an die Formulierung erinnert. In der Dokumentation sind die Protagonisten die einzigen, die sprechen. Es ist also ein klassischer Dokumentarfilm, bei dem wie bei einer Zwiebel Schale um Schale gepellt wird. Keine Stimme von oben erklärt, wie etwas einzuordnen ist.“

 

Wie viel Prenzlauer Berg steckt in dem Film?

Wilcke: „Ich habe zum Beispiel eine Millionenerbin begleitet, die ich zufällig in der Gleimstraße getroffen habe. Sie hat im Hof gestanden, als ich zu Besuch bei einem Freund war. Wir sind dann über die Dänenstraße bis zur Wisbyer Straße zusammen gelaufen, wo sie sich ein Haus angeschaut hat. Das wollte sie kaufen und sanieren. Außerdem gibt es Herrn Otto und Herrn Reichert aus der Greifenhagener Straße – die bangen um ihre Bleibe. In Prenzlauer Berg hat sich die Entwicklung mit den Immobilien aus meiner Sicht schon ziemlich erledigt.“

 

Wie wohnen Sie selbst?

Wilcke: „Ich wohne selbst zur Miete. Mit Verdrängung habe ich direkt nichts zu tun gehabt, aber einige meiner Freunde. Ich wohne in Friedrichshain in der Nähe der Simon-Dach-Straße und da kriege ich mit, wie sich der Kiez verändert. Auch hier scheint der Prozess schon fast beendet, aus Tante-Emma-Läden sind Sushi-Bars geworden.“

 

***

Berliner Kino-Premiere von „Die Stadt als Beute“ ist am 1. September im Freiluftkino Kreuzberg. Es folgen Termine unter anderem im Kino Krokodil und im Lichtblick Berlin. Alle Daten dazu gibt es hier.

 

 

 

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