Auf Waffelteig gebaut

von Christiane Abelein 31. März 2014

Mit einem kleinen Café in der Oderberger Straße hat es angefangen, heute kann man in jeder deutschen Großstadt und im Internet Waffeln, Schnickschnack und Mode bei „Kauf Dich glücklich“ shoppen. Bald auch im Ausland.

Vom Nebentisch winkt die Kindheit. In einem Café in der Oderberger Straße holt mich das Kaffeeservice meiner Oma ein, klein und zierlich, mit lila Veilchen auf weißem Grund. In den 80ern galt das als altmodisch, heute steht man auf solche Sachen. Zumindest, wenn man ins „Kauf Dich glücklich“ geht.

Wohin man auch schaut, springt einem so etwas wie Nostalgie entgegen: Die Vasen in den selbstgebauten rauen Holzregalen an der Wand entstammen vom Design her einer Zeit, in der Jackie Kennedy als bestgekleidete Frau der Welt galt; die Spielzeug-Bullis mit aufgeklebten Peace-Zeichen, die an der Theke verkauft werden, galten im Original so manchem Hippie als Transportmittel nach Indien oder zumindest an einen FKK-Strand, an dem man ungestört kiffen konnte. Und die selbstgebackenen Waffeln, die hier als Spezialität gelten? Scheinen direkt aus Omas Küche zu kommen.

 

Vom Waffelbäcker zum Tausendsassa

 

Tut sie aber nicht. Sie kommen aus der von Andrea Dahmen und Christoph Munier. Die beiden haben vor zwölf Jahren den ersten Stein des immer größer werdenden „Kauf Dich Glücklich“-Imperiums gelegt, hier in der Oderberger Straße. „Unser Fundament ist auf Waffelteig gebaut“, sagt Christoph Munier und erzählt, wie sie tage- und nächtelang probierten, welches Rezept am besten schmeckt, wie sich kurz nach der Eröffnung 2002 lange Schlangen bildeten und man den Waffelduft bis an die Kastanienallee riechen konnte.

Mittlerweile besitzen Dahmen und Munier in allen großen deutschen Städten einen Laden, Ende April kommt die 15. Filiale dazu (in Nürnberg), im Sommer dann der erste Ableger im Ausland (in Wien); weitere sind geplant. 260 Mitarbeiter haben die beiden Tausendsassa jetzt schon, 60 davon festangestellt. Die berühmten Waffeln – und damit ihre Bäcker – gibt es nur in Berlin, ebenso das selbstgemachte Eis. Die anderen Läden – auch der neue, 200 Quadratmeter große Flagship-Store in der Rosenthaler Straße – haben neben dem oben genannten erinnerungsweckenden Schnickschnack vor allem Mode im Angebot, mittlerweile auch eine eigene Kollektion, die sich „Glücklich“ nennt. All das kann man auch im Online-Shop bestellen.

 

Willkommen in der „Kauf Dich Glücklich“-Welt

 

Doch damit nicht genug: Dahmen arbeitet gerade an einer eigenen Kosmetik-Linie (natürlich bio), vorstellen können sich die beiden auch ein Hotel. Wichtig dabei ist den Gründern: Eine Kette soll „Kauf Dich Glücklich“ nicht werden. Eher eine Welt, in der alles irgendwie zusammenpasst, aber nichts gleich ist. Wie weit werden sie gehen? Sie wissen es nicht. „Wir sind nicht so die Planer, bei uns kommt vieles aus dem Bauch heraus“, sagt die junge Frau, und ihr Geschäftspartner fügt hinzu: „Man weiß ja auch nicht, wann der Sensenmann kommt.“ Ein Ziel aber haben sie schon jetzt: 2016 wollen sie einen Laden in Tokio eröffnen. In japanische Designbücher haben sie es als Konzeptladen schon geschafft.

Dabei hat alles ganz altbacken angefangen: mit Küchenbüffets aus den 50ern. Die sammelten das Mädchen Andrea aus Köln und der junge Christoph aus Bremen zu ihren Studienzeiten an der Universität der Künste. Sie waren ein paar Semester für Produktdesign eingeschrieben und verstanden sich so gut, dass sie zusammenzogen (ohne ein Paar zu sein, wie sie beide immer wieder betonen). Irgendwann jedenfalls sprengten die vielen Liebhaberstücke den Rahmen der gemeinsamen 130 Quadratmeter-Wohnung in Kreuzberg. Warum die Teile also nicht verkaufen – in einem netten Ambiente? Der Anfang vom nicht absehbaren Ende.

 

Prenzlauer Berg als letzte Spielwiese Berlins

 

Dass der erste Laden in Prenzlauer Berg entstand war dabei kein Zufall. Weil man hier zu der Zeit, also rund um die Jahrtausendwende, ohne Geld noch was machen konnte. Außerdem seien die öffentlichen Strukturen noch nicht so stark ausgebaut gewesen. Will heißen: Das Ordnungsamt nahm es nicht so genau – sei es beim Luftabzug über den Waffeleisen, sei es bei den Öffnungszeiten. „Das war hier die letzte große Spielwiese Berlins.“

Heute sei das anders. Nicht nur die Umgebung habe sich verändert, auch das Publikum: Rund die Hälfte der Kunden in der Oderberger Straße und auch im „Glücklich am Park“ an der Kastanienallee seien Touristen. Dahmen und Munier haben ihren ersten Laden deshalb angepasst: „Wir sind minimal schicker geworden, die total abgeranzten Sofas haben wir rausgeschmissen.“ Und: Sie sind mit ihren Gewerberäumen umgezogen in den Wedding. Schließlich habe sich allein die Miete für das Café verdreifacht.

 

Weder Investor noch Kredit

 

Trotzdem brauchten Dahmen und Munier bis heute weder einen Investor noch einen Kredit (Wahrscheinlich sehr zur Erleichterung ihrer Eltern, die einen kleineren bis größeren Schock erlitten hatten, als die Freunde ankündigten, das Studium zu schmeißen, und Eis und Waffeln zu verkaufen). Früher haben sie einfach einen Teil der Einrichtung verscherbelt, wenn sie wegen Geldmangels nicht mehr weiter renovieren konnten. Heute reinvestieren sie den Großteils ihres Gewinns in den Ausbau von „Kauf Dich Glücklich“.

Und sie machen nach wie vor fast alles selbst. Andrea Dahmen kümmert sich um den Einkauf und ihre Mode-Kollektion, Christoph Munier um die Finanzen und die Expansion. Dabei fasst er immer noch selbst an, streicht bei jedem neuen Laden den Boden, korrigiert, wenn etwas zu perfekt ist. Denn das soll es nicht sein. „Das Menschliche muss immer durchblitzen.“ Deshalb haben die „Kauf Dich Glücklich“-Macher zwar eine eigenen Schreinerei, aber keinen professionellen Schreiner. Wird ein neuer Laden ausgebaut, wohnen die Besitzer für einige Zeit in der Nähe, um jederzeit alle Fäden in der Hand zu halten.

 

Geld macht nicht glücklich

 

Dass das viel Zeit in Anspruch nimmt, ist klar. „Früher haben wir für ‚Kauf Dich glücklich’ gelebt, sieben Tage die Woche, wenn es sein musste rund um die Uhr.“ Heute machten sie fast immer um 18.30 Uhr Feierabend und am Wochenende spiele das Geschäft auch keine große Rolle. Dennoch gilt immer noch: „Wir geben beide alles! Und teilen alles durch zwei.“

Denn Geld, das glauben die umtriebigen Geschäftsleute, ist eben nicht der Schlüssel zum Glück. Kaufen aber auch nicht. Der Name ihres kleinen Konzerns ist ironisch-provokant gemeint. Das, so Andrea Dahmen, versteht heutzutage allerdings nicht mehr jeder.

 

Unter dem Titel „Von hier – Geschäftsideen aus Prenzlauer Berg“ stellen wir Unternehmen aus dem Kiez vor. Bisher erschienen Texte über

den Quetschobst-Hersteller „Erdbär – Freche Freunde“,

die Taschen-Entwickler von „Tausche Tasche“,

den Online-Brillenhändler „Mister Spex“,

den Spielekisten-Versand „Tollabox“,

die vegane Supermarkt-Kette „Veganz“,

die frühere DDR-Schuhmarke „Zeha“,

das Frauen-Wirtschaftsmagazin „BizzMizz“

und das Startup „Termin2Go“.

 

 

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