Zum Deal am Rangierbahnhof

von Juliane Schader 13. Januar 2014

Kurt Krieger will am Rangierbahnhof Pankow auf eigene Kosten sozialen Wohnungsbau betreiben. Entgegen den Vorgaben soll er dafür ein großes Shoppingcenter bauen dürfen. Kauft er so Baurecht?

Es klang nach einer schönen Weihnachtsgeschichte, was da kurz vor dem 24. Dezember letzten Jahres durch die Medien schwirrte: 250 Wohnungen mit einer Miete von 5,50 Euro pro Quadratmeter kalt sollen im Herzen Pankows – auf dem ehemaligen Rangierbahnhof – entstehen. Hier baue ein Berliner Unternehmer Sozialwohnungen, hieß es. Denn versprochen hat das Kurt Krieger, Eigentümer der Möbelhäuser Höffner und Sconto sowie der 40.000 Hektar großen Brache am S-Bahnhof Pankow, die früher mal ein Rangierbahnhof war. Dort soll der günstige Wohnraum entstehen.

 

Wie viel Einkaufszentrum darf’s denn sein?

 

Schon seit 2009 gehört Krieger das Areal. Bauen möchte er darauf unter anderem ein Möbelhaus sowie ein Einkaufszentrum. Letzteres ist mit ein Grund dafür, dass die Brache immer noch brach liegt. Denn Krieger denkt groß; 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche soll sein Einkaufstempel haben – zum Vergleich: Die Verkaufsfläche der Schönhauser Allee Arcaden misst etwa 25.000 Quadratmeter.

Aus Sicht des Senats war das lange viel zu groß. Das widerspreche dem aktuellen Stadtentwicklungsplan Zentren, in dem das Land Berlin die Strategie seiner Einzelhandelsentwicklung festgehalten hat. Durch ein Center dieser Größenordnung werde das Einzelhandelszentrum Alt-Pankows gefährdet, hieß es. Immer wieder kassierte Krieger vom Land daher ein klares „Nein“ für sein Shoppingzentrum. Bis sich kurz vor Weihnachten der Wind plötzlich drehte.

Nun soll Krieger sein großes Einkaufszentrum bekommen – aber nur, weil er verspricht, Wohnungen zu bauen und 250 davon 20 Jahre lang für 5,50 Euro zu vermieten. Weitere 250 Wohnungen sollen für 8 bis 10 Euro angeboten werden, und noch einmal 250 Wohnungen dann zum Marktpreis. Der liegt derzeit in Alt-Pankow laut dem Portal Immobilienscout24 für Neubauten bei 10 Euro pro Quadratmeter – fast ein Euro teurer als noch vor einem Jahr, Tendenz weiter steigend.

 

Neubau mit günstigen Mieten lohnt sich nicht

 

Nun sind die Mietpreise bei Neubau nicht nur durch ein Streben nach Gewinn begründet. Das zeigt das Beispiel der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Diese ist vom Senat angehalten, günstige Wohnungen anzubieten und dennoch rentabel zu sein. Bei Neubauten setze man daher auf Quersubventionierung, erklärt Sprecherin Gabriele Mittag: Niedrige Mieten ab 7,50 Euro kalt pro Quadratmeter würden ermöglicht, indem ein Teil der Wohnungen, etwa das Dachgeschoss, zum Marktpreis angeboten würden.

Im Gegenzug bedeutet das, dass eine Neubaumiete von 7,50 Euro nur mit Subventionen zu finanzieren ist. Von Bauunternehmern ist zu hören, dass 9 bis 10 Euro Nettokaltmiete notwendig seien, nur um die Kosten zu decken. Die 5,50 Euro von Herrn Krieger werden damit zum massiven Verlustgeschäft. „Das kostet mich 20 bis 25 Millionen Euro“ sagte Krieger dem Tagesspiegel.

Angenommen, die kostendeckende Miete für eine Neubauwohnung länge bei 9 Euro kalt, und angenommen, die durchschnittliche Wohnung wäre 65 Quadratmeter groß. Bei 250 Wohnungen und 20 Jahren Zusicherung für eine günstige 5,50-Euro-Miete läge Kriegers Verlust, einfach gerechnet, bei 13,7 Millionen Euro. Hinzu kommen weitere 8,7 Millionen Euro, die laut Berliner Zeitung die Flächen wert sein sollen, die Krieger dem Bezirk schenken möchte, um zwei Schulen darauf zu bauen. So erklärt sich Kriegers Rechnung.

 

Nicht Baurecht wird verkauft, sondern Bodenwertsteigerung abgeschöpft

 

Günstige Wohnungen werden geschaffen, eine Brache endlich entwickelt – es könnte so schön sein. Wäre da nicht der schale Nachgeschmack, der bleibt, wenn ein Unternehmer über 20 Millionen Euro Verlust einkalkuliert und im Gegenzug das Recht bekommt, ein Einkaufszentrum in einer Größe zu bauen, die geltenden Vorgaben widerspricht. In Pankow kann man sich also Baurecht kaufen, scheint die Botschaft dahinter zu lauten. Was natürlich nicht der Fall sei, wie es gleich aus dem Bezirk heißt.

Das Hintertürchen, das man sich geschaffen hat, heißt „Bodenwertsteigerungsabschöpfung“ und wird in München bereits praktiziert. Wenn der Wert eines Grundstücks steigt, etwa indem am Rangierbahnhof Pankow Baurecht geschaffen wird, geht ein Teil der Wertsteigerung ans Land, welches das Geld wiederum etwa in Kitas und Schulen investiert. Oder damit günstigen Wohnraum bezuschusst, was das Modell ist, nach dem am Rangierbahnhof gerechnet werden soll.

 

Wer darf wo günstig wohnen?

 

Warum der Einsatz der Abschöpfung der Bodenwertsteigerung an eine Bedingung wie die Genehmigung des Shoppingcenters geknüpft sein sollte, bleibt zwar weiterhin offen. Aber auch dafür wird man im städtebaulichen Vertrag, der die Details des Deals festhalten soll, sicher noch eine schöne Erklärung finden.

Der Weiteren ist darin noch zu klären, wie groß die günstigen Wohnungen eigentlich werden und wo genau sie liegen sollen. Schließlich sollte sichergestellt sein, dass die 5,50-Euro-Mieter nicht letzten Endes direkt an der S-Bahn wohnen und eine lebende Lärmschutzwand für die Mieter mit Markpreisen bildeten. Zudem muss gewährleistet werden, dass nur sozial Schwache von den günstigen Wohnungen profitieren.

All dies ist nun Thema der weiteren Verhandlungen.

 

Was sonst noch auf dem Areal entstehen soll, steht hier. 

 

UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar