Pflegestufe Ordnungsamt

von Thomas Trappe 16. Juni 2014

Die Stimmung zwischen den Kollegen ist mies wie nie. Die einen klagen über schlechte Schuhe und Angststörungen, andere wollen Gleitzeit, die nächsten Pfefferspray. Mittlerweile versucht ein Antigewalttrainer der Polizei, den Laden in den Griff zu kriegen.

Dass im Amt Pankow die Nerven ausgehen, kann man manchmal schon am Beginn eines Telefoninterviews bemerken. Nachdem die Mitarbeiterin am anderen Ende ihrem Kollegen, den stellvertretenden Personalrat, das Gespräch mit der genervten Ankündigung durchstellt, ein Journalist der „Personalrat Nachrichten“ wolle irgendwas, klingt der Personalrat auch nach Aufklärung des kleinen Missverständnisses nicht begeistert, dass er jetzt über dieses Thema sprechen soll: die beschissene Stimmung im Ordnungsamt. Er tut es dann trotzdem. Da gibt es ja doch Einiges zu sagen, und durch den gerade veröffentlichten Bezirksamtsbeschluss zum Thema „Krankenstand bei der Parkraumüberwachung“ ist das Thema ja auch offiziell in der Welt. Es wird deutlich, dass der Krankenstand nur die Spitze eines Eisbergs ist. Um im Bild zu bleiben: Drunter ist die Stimmung weit unter dem Gefrierpunkt.

Ronald Busse, Stellvertreter im Personalrat des Bezirksamtes, hat mit seinem Gremium gerade eine anonyme Fragebogenaktion unter den insgesamt knapp 200 Mitarbeitern des Allgemeinen Ordnungsdienstes und der Parkraumbewirtschaftung abgeschlossen. Anlass ist die seit längerem beklagte Fluktuation im Ordnungsamt und die Aufforderungen der Bezirksverordnetenversammlung, das in den Griff zu kriegen. An die hundert Fragen seien es gewesen, sagt Busse. Zum Beispiel, ob die Kollegen unter Angststörungen litten oder sich sicherer fühlen würden, wenn sie Pfefferspray benutzen dürften. Auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie habe eine große Rolle gespielt. Die Problemlage sei mannigfaltig, so Busse, der Fragebogen diene einer ersten Orientierung. Busse verweist aber auch darauf, jetzt noch etwas genervter, dass es nicht gerade leicht sei mit den Ansprüchen mancher Mitarbeiter. Vor allem jenen der Parkraumbewirtschaftung.

 

 Gleitzeit im Schichtsystem nicht möglich

 

„Dort sind die meisten Kollegen eingestellt worden, ohne jede Erfahrung im öffentlichen Dienst und daher mit falschen Erwartungshaltungen“, sagt Busse. So gingen viele Kollegen auch jetzt noch davon aus, dass es möglich sein sollte, in Gleitzeit zu arbeiten, „das geht aber in einem Schichtsystem nun mal nicht“. Andere Mitarbeiter klagten über unpassende Kleidung oder die schlechten Diensträume in der Fröbelstraße. „Und oft sind sie sich untereinander nicht grün“, ergänzt Busse. Bei 200 Mitarbeitern und ohne Aussprachen sei so inzwischen ein Arbeitsklima entstanden, das dringenden Handlungsbedarf erfordere. Die Fragebogenaktion des Personalrats ist nur ein Teil davon.

So hat der zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) ein regelrechtes Aktionsprogramm auf den Weg gebracht, um das Ordnungsamt zu befrieden, beteiligt sind neben diversen Bezirksamtsabteilungen Krankenkassen, die Verwaltungsakademie Berlin und ein Antigewalttrainer der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Verwaltungsakademie beginnt gerade mehr als ein Dutzend Workshops mit Teams aus Ordnungsdienst- und Parkraumkontrolleuren, hier sollen die Mitarbeiter unter anderem über ihre Wünsche zum Dienstplan und Weiterbildungen reden, außerdem über Gefährdungen im Außendienst und Gesundheitsfragen. Auch das Betriebsklima wird Thema sein – allerdings nur als Vorspiel zur anstehenden Mittlerrunde zwischen Allgemeinem Ordnungsdienst und Parkraumbewirtschaftung.

 

Gegen Diskriminierung und Mobbing

 

Im Auge des Bürgers sind beide gleich, doch das täuscht. Der gravierendste Unterschied: Mitarbeiter des Ordnungsdienstes verdienen wesentlich mehr als jene der Parkraumüberwachung. Das kann, je nach Dienstjahren, eine Differenz zwischen 500 und mehr als 1000 Euro sein. „Die Besoldung ist auf jeden Fall ein Thema“, sagt Stadtrat Kühne, und ergänzt, dass Kollegen des Allgemeinen Ordnungsdienstes ein weiteres Aufgabenspektrum, mehr Entscheidungsspielraum und damit mehr Verantwortung hätten und deshalb auch mehr Geld verdienten. „Das ist aber schwer zu vermitteln“, so Kühne, „denn auf der Straße sind alle gleichermaßen unterwegs“.

Aber auch Konflikte zwischen Leitungsebene, Teamleitern und einfachen Mitarbeitern sollen in der Mediation angegangen werden. Ein Beispiel: Schuhe. Es gebe, so Stadtrat Kühne und Personalrat Busse übereinstimmend, immer wieder Beschwerden über für den Straßendienst ungeeignete Besohlung. Da müsse viel erklärt werden. In den Mediationsseminaren der Verwaltungsakademie soll es dann außerdem darum gehen, wie Mobbing und Diskriminierung zu vermeiden sind und wie eine „konstruktive Konfliktbearbeitung“ aussehen könnte.

 

Antigewalttrainer gegen Pfefferspray

 

Ganz ähnliche Fragen treiben Bodo Pfalzgraf um, er ist der Vorsitzende des Berliner Landesverbands der Deutschen Polizeigewerkschaft, außerdem Antigewalttrainer. Meist unterrichtet er Polizisten oder andere häufig Konflikten ausgesetzte Berufsgruppen wie Gerichtsvollzieher oder Staatsanwälte. Jetzt kümmert er sich um das Pankower Ordnungsamt. Wie wirke ich auf andere? Was läuft evolutionsbiologisch betrachtet im Kopf ab, kommt es zu einer Stresssituation? Wie komme ich konfliktfrei durch den Dienst? Solche Fragen würden im Training behandelt, erklärt er. „Grundsätzlich glaube ich, dass Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit wesentlich ist, um diesen Job auszuüben. Berlinweit wurde in den Ordnungsämtern in den vergangenen Jahren darauf nicht geachtet.“ Jetzt bekomme man dafür die Quittung. Pfalzgraf versteht sich als Praxiscoach für Situationen, „wenn es zur Sache geht“.

Dem offenbar wieder durch die Verwaltung mäandernden Gedanken, Mitarbeiter mit Pfefferspray zu bewaffnen, steht Pfalzgraf skeptisch gegenüber. „Damit flößen sie Leuten Angst ein, was noch mehr Aggressivität hervorruft.“ Das Gegenteil müsste erreicht werden, „dass die Kollegen sich als Freund und Helfer präsentieren können.“ Das erfordere ein grundsätzliches Umdenken im Ordnungsamt, „in dem Sinne, dass es nicht nur darum geht, möglichst viele Bußgelder einzunehmen“. Auf dieses Seminar muss allerdings wohl noch etwas gewartet werden.

 

 

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