Juristische Streitigkeiten kosten Bezirk viel

von Juliane Schader 1. April 2014

Weit mehr als jeder andere Bezirk hat Pankow in den letzten Jahren für juristische Auseinandersetzungen – wie um die Belforter Straße – bezahlt. Politische Entscheidungen und fehlendes Fachpersonal sind die Gründe. Das Geld fehlt für andere Projekte.

358.769,95 Euro. So viel Geld hat der Bezirk Pankow im vergangenen Jahr für juristische Auseinandersetzungen bezahlt – mehr als jeder andere Bezirk in Berlin. Mitte, wo nach Pankow am meisten Geld ausgegeben wurde, kommt gerade mal auf die Hälfte des Pankower Werts. Im Jahr 2012 lagen die Kosten bei gut 140.000 Euro. Auch damit war Pankow ganz oben mit dabei.

Die Zahlen stammen aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der beiden CDU-Politiker Gottfried Ludewig und Stephan Lenz im Abgeordnetenhaus. Eine wichtige Frage ist dort aber nicht beantwortet: Warum ist der Bezirk, der an anderer Stelle eine komplette Seniorenfreizeitstätte samt Museum schließen wollte, weil ihm 22.000 Euro fehlten, hier so freigiebig?

 

Die Zahlen stammen aus der Kleinen Anfrage im AGH (Drucksache 17/13260) Die Kosten der Bezirke für juristische Auseinandersetzungen im Verlgeich. Die Zahlen stammen aus der Kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus (Drucksache 17/13260).

 

Smileys, Baurecht und schlecht konstruierte Sporthallen

 

Matthias Köhne (SPD), Pankows Bürgermeister und Finanzstadtrat, hat eine einfache Erklärung: So läuft es halt. „Im Bezirksamt gibt es aus allen Bereichen Rechtsstreitigkeiten, die oftmals erst vor Gericht entschieden werden“, sagt er. Von Streits ums Baurecht über Klagen wegen fehlkonstruierter Sporthallen bis hin zum Ärger mit dem Lebensmittel-Smiley – an Gründen, in einen Rechtsstreit zu geraten, fehle es nicht. Das könne man weder planen noch dem entgegenwirken. „Selbst wenn wir davon überzeugt sind, eine rechtssichere Entscheidung getroffen zu haben, kann ein Gericht das immer ganz anders sehen.“

So ist es dem Bezirk unter anderem an der Belforter Straße ergangen. Dort wollte er die Neubaupläne eines Investors verhindern und damit einer weiteren Verdichtung des südlichen Prenzlauer Bergs entgegen wirken. Doch die Mittel, die dabei gewählt wurden, erkannte das Gericht nicht an. Im Ergebnis wird nun doch gebaut und der Bezirk musste insgesamt 600.000 Euro an Schadenersatz und Gerichtskosten zahlen. Letztere sind mit dafür verantwortlich, dass die juristischen Kosten im Jahr 2013 so explodierten.

Alles Schicksal? Nein, meint so mancher Bezirksverordnete. Auch das Amt mache verzichtbare Fehler. So seien im vergangenen Jahr vor allem Fragen des Baurechts vor Gericht gelandet – was kein Wunder sei, fehle dem Amt doch jemand, der Bebauungspläne auf ihre Rechtssicherheit prüfen könne.

 

Bezirksamt versus Fachanwälte

 

Tatsächlich sei die Stelle der Planungsjuristin erst seit diesem Jahr wieder dauerhaft besetzt, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. Ansonsten will er solche Vorwürfe auf seinen Mitarbeitern aber nicht sitzen lassen. „Wir haben 8.000 Vorgänge pro Jahr im Amt. 2013 wurden davon drei vor Gericht verhandelt – und das, obwohl wir es mit großen Projekten und enormen Verwertungsinteressen zu tun haben“, sagt er.

„Es geht um immer mehr Geld, und die Projektentwickler sind entsprechend daran interessiert, ihre Interessen auch durchzusetzen“, erklärt Kirchner. Dafür arbeiteten diese mit stark spezialisierten Anwälten zusammen – die Verwaltung sei da oft einfach überfordert. „Da wird mit ungleichen Waffen gekämpft“, so der Stadtrat. Nun gebe es zwar noch einmal zusätzliche Mittel vom Land, von denen sich auch der Bezirk mal einen Anwalt leisten könne. Die juristischen Kosten würde so aber natürlich noch weiter steigen. 

 

200.000 Euro mehr als geplant

 

Darüber hinaus verweist Kirchner auch auf den politischen Willen, der hinter manchem Rechtsstreit stehe. Das gelte nicht nur an der Belforter, sondern zum Beispiel auch an der Berliner Straße in Alt-Pankow. Dort wurde einem Supermarkt zunächst bewusst die Baugenehmigung versagt, weil dieser den Lokalpolitikern nicht ins Einzelhandelskonzept passte. „Diese kommunalen Vorgaben hat das Gericht korrigiert“, meint Kirchner.

Bleibt bei all diesen Gründen, in einen Rechtsstreit zu geraten, die Frage, wer das letztendlich bezahlen soll? Das sei ganz einfach, erklärt Matthias Köhne: Im Haushalt seien derartige Kosten eingeplant. Wenn mehr ausgegeben werde, müsse das an anderer Stelle ausgeglichen werden.

150.000 Euro pro Jahr waren zuletzt im Pankower Haushalt dafür vorgesehen. Gut 200.000 Euro mussten demnach 2013, dem Jahr des Streits um die Belforter Straße, anderswo eingespart werden. Normalerweise macht der Bezirk immer den Senat verantwortlich, wenn es am Geld fehlt. Hier hat er sich das mit seinen politischen Entscheidungen aber selbst eingebrockt.

 

 

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