Gegründet 1903, Liquidiert 1939

von Juliane Schader 7. Oktober 2013

Ob sie die Ufa mit Kostümen belieferten oder Prenzlauer Berger mit Eiern, nach 1933 war für jüdische Unternehmer nichts mehr, wie es war. Ihrem Schicksal widmet sich nun das Museum Pankow.

Den Brüdern Eduard und Max Moses Wassermann aus Prenzlauer Berg gelang es zu lange, den Repressalien der Nazis zu entwischen.

Eduard war Geflügelhändler und verkaufte seine Waren auf einem Markt in der Wichertstraße, einem Stand am Zentralviehhof und in seinem Geschäft in der Rodenbergstraße. Max hatte sich derweil auf Eierhandel spezialisiert und einen Laden in der Wisbyer Straße. Als ihnen Mitte der 1930er Jahre aufgrund ihres jüdischen Glaubens die Erlaubnis, Waren zu importieren, entzogen wurde, verkaufte Eduard an einen Arier und wurde stiller Teilhaber. Max gründete eine neue Firma und produzierte fortan Anzüge und Mäntel. Weil sie polnische Pässe hatten, wurde sie im September 1939 ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, wo sie starben.

Ihr Erfindungsreichtum, ihre wirtschaftliche Existenz zu erhalten, kostete sie wohl das Leben. Den Gang ins Exil hielten sie nicht für nötig. 

 

18 Unternehmen aus 8000

 

Heute passt ihre Geschichte auf eine Schautafel. Im dritten Stock des Museums Pankow steht sie neben 17 weiteren, die mit kurzen Texten sowie historischen Fotos und Dokumenten vom Schicksal jüdischer Unternehmen im Berlin des Dritten Reichs erzählen. Zusammen bilden sie die Ausstellung „Verraten und Verkauft“, die in der vergangenen Woche eröffnet wurde.

Hervorgegangen ist sie aus einem Forschungsprojekt an der Humboldt-Universitiät, welches anhand von Handelsregistereintragungen die Historie von 8000 jüdischen Gewerbebetrieben rekonstruierte. Als Adressen und Jahreszahlen kann man diese nun in einer Datenbank nachvollziehen. Um die menschlichen Schicksale hinter diesen Zahlen deutlich zu machen, entstand die Ausstellung.

 

Verschiedene Gewerke, ein Schicksal

 

Da ist die Geschichte von Hermann J. Kaufmann, der in seiner Kostümfirma im Hinterhof der Schwedter Straße 360 Mitarbeiter beschäftige und Ufa-Produktionen wie den Blauen Engel ausstattete. Bis die Nazis für ihre Propaganda-Filme zwar weiter gute Kostüme haben wollten, die liefernde Firma aber nicht mehr einem Juden gehören durfte.

Oder die von Siegesmund Selbiger, dessen Glaserei in der Pankower Wollankstraße erst den Konkurs seiner Hausbank und dann die Wirtschaftskrise überstand, nur Boykott und Repressalien der Nazis nicht. Oder die des Kredit-Kaufhauses Jonaß, welches schon 1933 aus seinem Neubau an der Lothringer Straße 1 (heute Torstraße) ausziehen musste, weil ein jüdisches Kaufhaus nicht gegenüber des Friedhofs liegen durfte, auf dem Horst Wessel begraben liegt.

 

Strategien ohne Zukunft

 

An ihren Beispielen zeigt sich, auf wie vielen Ebenen die Nationalsozialisten gegen ihnen unliebsame Geschäftsleute vorging. Und auf welch vielfältige Weise diese darauf reagierten. Arier sollten nicht bei Juden kaufen? Verkauften Juden eben an Juden. Der Handel im Inland wurde verboten? Spezialisierte man sich halt auf den Export. Ein jüdischer Eigentümer war unerwünscht? Übertrug man die Firma auf den Namen der arischen Frau.

Doch auf lange Sicht half keine dieser Taktiken. Manchen der Unternehmer gelang noch rechtzeitig die Flucht ins Exil. Andere, wie die Brüder Wassermann, wurden deportiert.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Januar nächsten Jahres geöffnet. 

„Verraten und Verkauft. Jüdische Unternehmen in Berlin 1933-1945″, die Ausstellung läuft bis zum 5. Januar 2014, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr (feiertags geschlossen), Museum Pankow, Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee 227/228, Hauptgebäude Aufgang B, 3. Stock, Aula, Eintritt frei.

 

 

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