Schüler machen Radio

von Juliane Schader 1. März 2011

Seit vier Jahren machen die Schüler des Schliemann-Gymnasiums in der Pause Schulhof-Radio. Nun beschweren sich die Anwohner über die Lärmbelästigung.

Dass ihre Freundin Nadine heute Geburtstag hat, das soll gleich die ganze Schule wissen, finden Matilda und Xenia. Daher haben sie heute um kurz nach halb zehn an die Tür zum Radioraum ihrer Schule, dem Heinrich-Schliemann-Gymnasium in der Dunckerstraße, geklopft. Es ist die erste große Pause und damit Zeit für das Schülerradio. Vor zwei Minuten ging es auf Sendung; über den Schulhof schallt „Rock the House“ von den Gorillaz. Dann kommen die Siebtklässlerinnen: „Wir gratulieren unserer Freundin Nadine zum Geburtstag und wünschen uns ,American Idiot‘ von Green Day.“ Bastian Gebel dreht an den Reglern, die Musik startet, die zwei Mädchen verschwinden kichernd Richtung Hof.

Seit vier Jahren gibt es am Schliemann-Gymnasium das Schülerradio. Einer Radio-Arbeitsgemeinschaft von etwa zehn Schülern bietet es die Gelegenheit, in kleinen Gruppen jeweils für zwanzig Minuten am Tag Musik, Nachrichten aus dem Schulleben oder sonst alles, was sie interessiert, an die Mitschüler zu bringen. Zwei große Lautsprecher übertragen die Sendung auf den Schulhof, abschalten oder den Sender wechseln geht nicht.

Bastian Gebel macht sein freiwilliges soziales Jahr am Schliemann-Gymnasium. Der Kinderring Berlin finanziert diese Stelle, damit er sich gemeinsam mit einem weiteren FSJler mit mehreren Projekten und Workshops dafür engagieren kann, dass Schüler nicht nur passive Teilnehmer am Schulleben sind, sondern auch selbst aktiv werden und sich einbringen. Zudem versucht er gerade, eine Kampfkunst-AG auf die Beine zu stellen, er hat die Schülerzeitung „Der Buddler“ ins Leben gerufen, und betreut eben das Schülerradio.

 

Geredet wird während des Unterrichts, in der Pause wollen Schüler Musik

 

„Die meisten Zeit spielen wir Musik“, sagt Gebel. Wortbeiträge seien bei den Hörern nicht so beliebt. Wichtige organisatorische Hinweise seien zwar akzeptiert, aber richtige Beträge zu einem Thema würden daher nicht erstellt. „Wir senden alles live.“

Die Musik stammt aus der Datenbank der Schul-Computers, mit dem die Radiomacher arbeiten, oder wird spontan vom MP3-Spieler übernommen. Wenn Schüler mit Musikwünschen kämen, die etwas ausgefallener wären, suche er danach auch mal bei Youtube, erzählt Gebel. „Die Schule hat eine Sondergenehmigung, sodass wir keine Gema-Gebühren zahlen müssen und somit alle Musik spielen dürfen, so lange sie nicht auf dem Index steht.“ Eine Kontrolle durch Lehrer oder die Schulleitung gebe es nicht. „Sie kommen nur manchmal und fragen, ob wir nicht ihr Volleyballturnier für nächste Woche ankündigen können.“

Seit der Gründung des Schülerradios mit dabei ist Lele Lucas. „Die ursprüngliche Idee stammt von Eltern“, erzählt der Schüler der Stufe 13. Konkretisiert habe sie sich in Workshops, die das Schulradio-Network der Medienanstalt Berlin-Brandenburg für interessierte Schüler veranstaltet habe. „Dann wurde Geld organisiert und ein Raum mit der technischen Grundausrüstung vom Mischpult bis hin zu Lautsprechern sowie mit Dämmwänden ausgestattet, und dann ging es los.“

In fünf Seminare hat Lucas mittlerweile gelernt, worauf es beim Radio-Machen ankommt. Mittlerweile kann er selbst Beiträge schneiden, weiß, wie man fürs Hören textet und beherrscht auch die Technik hinter dem komplizierten Mischpult. „Auch wenn wir im Alltag von dessen 500 Knöpfen nur zwei brauchen.“ Ob er sich nach seinem Abitur in diesem Frühjahr einen Job in dieser Richtung vorstellen könne? „Ja, mal sehen.“

 

Anwohner beschweren sich über Lärmbelästigung

 

Aktuell geht es nun erstmal darum, mit den Anwohnerbeschwerden klar zu kommen, die sich in der letzten Zeit gehäuft haben. Denn das Schülerradio beschallt nicht nur den Schulhof, sondern gerne auch noch die umliegenden Wohnzimmer. „Die Schulleitung hat uns mitgeteilt, dass wir das Radio schließen müssen, wenn sich weiter so viele Nachbarn beschweren“, sagt Gebel. Daher hätten sie nun mit einer Wurfsendung die Anwohner um mehr Verständnis gebeten und würden zudem auch besonders darauf achten, dass die begeisterten Radiomacher nicht aus Versehen den Lautstärkeregler etwas weiter aufdrehten, als nötig. „Die Sendung dauert schließlich nur zwanzig Minuten täglich und läuft dazu zwischen halb und zehn vor zehn, also zu einer sozial verträglichen Zeit. Das sollte man auch als Anwohner verkraften können.“

Rücksicht will man aber gerne nehmen – das kennt man beim Schülerradio schließlich schon aus dem eigenen Haus: Immer, wenn bei den Oberstufenschülern eine lange Klausur über die erste große Pause hinweg andauert, muss das Radio ausfallen. Ein entsprechender Klausurplan hängt daher auch gut sichtbar an der Tür zum Radioraum.

Auch die heutige Sendung ist nun vorbei, die Musik wird abgedreht, die Technik ausgeschaltet. Lucas muss zurück in den Unterricht, Gebler geht in sein Büro, die Schülerzeitung tackern, deren zweite Ausgabe in dieser Woche erscheinen soll. Radio gibt es wieder morgen, dann mit den zwei Mädchen am Mikrofon, die gerne Justin Bieber spielen. Die Nachbarn wird’s freuen.

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