Leben mit Hartz IV

von Kristin Freyer 31. Januar 2012

Menschen, die auf Hilfe vom Staat angewiesen sind, verschwinden oft hinter Begriffen wie „Bedarfsgemeinschaften“ oder „Hartz-IV-Empfänger“. Dabei haben sie auch Namen, etwa Bernd und Uwe.

Pankow ist ein Ort, an dem es den Menschen vergleichsweise gut geht. Niedrige Arbeitslosenquote, wenig soziale Ungleichheit. Doch jenseits dieser statistischen Daten gibt es Menschen, die das anders sehen. Zum Beispiel jene in den 27.000 sogenannten Bedarfsgemeinschaften, die 2011 in Pankow gezählt wurden. Menschen, die mit Hartz IV leben. Bernd und Uwe, die ihren richtigen Namen nicht nennen wollen, sind zwei von ihnen. Wir treffen sie in der Hartz-IV-Informationsstelle der Linken in der Kopenhagener Straße.

Bernd ist durch widrige Umstände und zwei Vertragsbrüche in diese Situation gekommen, berichtet er. Anfangs hatte das Jobcenter nur Geld dazugegeben, da sein eigener Lohn zu gering war, um davon leben zu können. Später ist er arbeitslos geworden und lebt seitdem komplett von Hartz IV. „Mit Mitte 50 ist es sehr schwer, in die normale Arbeitswelt zurückzukommen“, sagt er. „Und der Hartz-IV-Regelsatz reicht weder zum Leben noch zum Sterben.“

Zur Information: Bis Ende des vergangenen Jahres standen alleinlebenden Hartz-IV-Empfängern in der Regel 364 Euro zur Verfügung. Pro Tag konnte eine Person beispielsweise knapp 4,30 Euro für Nahrungsmittel ausgeben. Für Kleidung und Schuhe gab es monatlich rund 30 Euro, für Bus und Bahn knapp 23 Euro. Zum 1. Januar 2012 wurden die Hartz-IV-Regelbeträge zwar um 10 Euro erhöht, doch an der Situation der Arbeitslosengeld-II-Empfänger ändert sich damit nur wenig.

 

„Man steht ständig unter großem Druck, nicht genügend Geld zu haben“

 

Bernd spricht von massiven Einschränkungen in seinem Leben. Auf Urlaube und größere Ausflüge müsse er verzichten. Wenn er doch einmal verreise, dann lediglich zu Verwandten. Außerdem kaufe er nur noch bei Discountern ein und achte besonders auf Sonderangebote. „Dominosteine kann ich erst kaufen, wenn Weihnachten schon längst vorbei ist und die Supermärkte sie zu reduzierten Preisen anbieten“, sagt er. Auch mit Freunden könne er nicht mehr wie früher in Cafés oder Kneipen gehen. Und für den Fall, dass eines der Elektrogeräte kaputt gehe, müsse er immer Geld zurücklegen. „Man lebt ständig unter großem Druck, nicht genügend Geld zu haben“, meint Bernd.

Diese Angst wächst noch mehr, wenn aus verschiedenen Gründen die Zahlungen eingestellt werden. Bei Bernd ist dies bisher einmal passiert. Damals hatte das Jobcenter kein Geld mehr überwiesen, da er nicht mehr im Einzugsgebiet des Arbeitsamtes wohnen würde. Bernd war aber weder umgezogen, noch hatte sich seine Postleitzahl geändert. Der einfach Grund: Die Straße, in der er wohnte, wurde umbenannt und das Jobcenter hatte davon zu spät erfahren.

„Auch wenn man die vom Jobcenter geforderten Nachweise zu spät abgibt, bekommt man in dem Monat kein Geld mehr“, sagt Bernd. „Doch selbst wenn ich einen Antrag oder ein Formular pünktlich abgegeben habe, kann ich das nicht beweisen, weil es im Jobcenter inzwischen keine Eingangsstempel mehr gibt.“

 

„Auch der Gesetzgeber hat Schuld an meiner Situation“

 

Uwe bezeichnet sich selbst als arbeitslos seit 1990. Der gelernte Brauer und Mälzer ließ sich in den 90er-Jahren drei Jahre zum Kaufmann ausbilden und arbeitete später befristet als ABM-Kraft. Nach der Einführung von Hartz-IV begleitete er im Rahmen eines 1-Euro-Jobs ältere Menschen und machte anschließend eine Umschulung zum Pflegehelfer, die vom Jobcenter – nach langen Hin und Her – genehmigt wurde. Später arbeitete er erst ein Jahr, dann zwei Jahre befristet in diesem Job. Seit etwa einem Jahr ist er wieder arbeitslos.

Für Uwe ist auch der Gesetzgeber Schuld an seiner Situation. „Da das Jobcenter bei Langzeitarbeitslosen zwei Jahre lang einen Teil des Lohns bezahlt, bekommen viele der Betroffenen nur einen befristeten Arbeitsvertrag für genau diese Zeit und sind anschließend wieder arbeitslos. Das ist eine gewollte Drehtür“, sagt Uwe. „Ich kenne einige, die irgendwann einfach aufgegeben und zum Alkohol gegriffen haben.“ Zudem kritisiert er die festgelegten Wohnungsgrößen für Hartz-IV-Empfänger. Obwohl beispielsweise die Warmmiete der Altbauwohnung einer Bekannten unter dem festgelegten Richtwertlag gelegen habe, sollte sie auf Drängen des Amtes in eine deutlich teurere, aber kleinere und für sie „angemessene“ Neubauwohnung ziehen.

 

Hilfe bietet die Hartz-IV-Informationsstelle an

 

„Wenn die Mieten zu hoch sind, nutzen viele Menschen auch das Geld, das eigentlich für den Lebensunterhalt bestimmt ist und gleichen damit die zu hohen Kosten der Wohnung aus“, sagt Eveline Lämmer (Linke), Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hartz IV Berlin. „Vor einiger Zeit ist ein Mann in unsere Hartz-IV-Informationsstelle gekommen, der vom Jobcenter einen Brief bekommen hatte, weil seine Miete zu hoch sei. Da er aber nicht aus seiner Wohnung ausziehen wollte, hatte er bereits Telefon und Heizung abgemeldet. Nun wollte er Rat, welche Einsparungsmöglichkeiten es noch gebe“, schildert Lämmer.

Bereits seit einem Jahr öffnen die Linken ihre Anlaufstelle für Hartz-IV-Empfänger jeden ersten und dritten Freitag im Monat. Als Ansprechpartner stehen dort unter anderem zwei Anwältinnen für Miet- und Sozialrecht zur Verfügung. Im Durchschnitt kommen etwa zwei bis sechs Menschen vorbei, die Informationen und Hilfe benötigen.

 

 

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