„Dann gehe ich eben illegal anschaffen“

von Constanze Nauhaus 5. Oktober 2017

Seit 1. Juli ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft und wird von der Branche heftig kritisiert – auch Bordelle in Prenzlauer Berg bangen um ihre Zukunft.


Natürlich habe ich Vorurteile. Das merke ich spätestens, als ich mich an einem grauen Freitag kurz vor 11 Uhr vor dem Café Morgenrot umsehe, wo ich mit Marleen* verabredet bin. Was ich über Marleen bis dato weiß: Sie ist Sexarbeiterin. Was ich tue: Ich spreche die blondierte Frau mit den rosa Lippen an und ernte ein kaugummibreites „No, I’m sorry“. „Ich bin Marleen“, meldet sich eine junge Frau neben mir. Ich hatte sie auf der Bank gar nicht bemerkt. Pony, Zopf im Nacken, ungeschminkt. Style: eher Ethno, Sneakers, Rucksack. Wir begrüßen uns und ich stelle mich mental erst einmal in die Schämecke. Typisch überheblicher Großstädter: Ultra aufgeklärt, aber vom Leben außerhalb des eigenen eigentlich keine Ahnung.

Das soll sich in den nächsten zwei Stunden ändern. Marleen geht, wie viele ihrer KollegInnen, gegen ein neues Gesetz auf die Barrikaden – deshalb treffen wir uns hier. Vor drei Monaten ist das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft getreten. „Schutz“, das klingt ja erstmal ganz gut. Aber: „So wenig Sonnencreme die Sonne schütze, so wenig würde das Gesetz Prostituierte schützen“, zitiert Kristina Marlen in einem Kommentar im Magazin „Siegessäule“ aus einer Pressemitteilung des Doña Carmen e.V., der sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt. Marlen weiter: „Ich frage mich, wer hier vor wem geschützt werden soll. Im Zweifel, so denke ich, die bürgerliche Moral vor Anschlägen auf die sexuelle Ordnung.“

 

Kein Recht auf freie Berufsausübung?

 

Versprochen hat man sich vom neuen ProstSchG, das das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz (ProstG) ergänzt, sowohl mehr Schutz von SexarbeiterInnen als auch breitere Möglichkeiten der Kontrolle – sowohl, um Menschenhandel und Zwangsprostitution beizukommen, als auch in Sachen Besteuerung. Doch die Kritik an den neuen Regelungen ist harsch. „Es gibt keine andere Branche in Deutschland, deren Angehörige derart stigmatisiert und ihrer Menschenwürde beraubt werden wie unsere“, regt sich Stephanie Klee auf. Die Aktivistin und Sexualassistentin ist Mitgründerin der Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!“ sowie Vorstandsmitglied des Bundesverbands Sexuelle Dienstleistungen. „Stellen Sie sich mal vor, man würde alle Journalisten mit solchen Auflagen überziehen – Sie würden doch auf die Barrikaden gehen!“

Stein des Anstosses ist vor allem die im neuen Gesetz verankerte Anmeldepflicht für SexarbeiterInnen. Ohne entsprechende Erlaubnis darf niemand der Prostitution nachgehen. „In welcher Branche gibt es so etwas?“, fragt Klee und konstatiert, diese Auflage verstoße gegen das Recht auf freie Berufsausübung. Zudem müssen SexarbeiterInnen die entsprechende Bescheinigung immer während ihrer Arbeitszeit bei sich führen. Was die Gefahr birgt, ungewollt aufzufliegen. Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis ist außerdem die jährliche Teilnahme an einer Gesundheitsberatung. Wie es Klee drastisch ausdrückt: „Weil wir so blöde sind, müssen wir uns denselben Scheiß jedes Jahr anhören.“ Allein die „Pflicht zur Beratung“ ist für sie paradox. „Beratung bringt nur etwas, wenn ich freiwillig hingehe, wenn sie auf einem Vertrauensverhältnis und nicht auf Zwang basiert“, weiß sie. Herauszufinden, ob jemand freiwillig arbeitet oder nicht, sei so nicht zu bewerkstelligen.

 

„Ich wollte anschaffen gehen.“

 

Das wird nicht aufgehen, ist sich auch Marleen sicher. „Wenn ich da sitze mit der Erwartung, ich brauche diesen Zettel, um arbeiten zu können, werd ich doch einen Teufel tun und sagen, ja übrigens, ich habe einen Zuhälter“, meint die 27-jährige gebürtige Bayerin. „Der wird mir nämlich die Hölle heiß machen, wenn ich ohne Schein wiederkomme.“ Die Leute könnten gut Märchen erzählen, weiß sie. „Und nur weil eine Person Migrationshintergrund hat, zum Arbeiten hergekommen ist und nicht gut Deutsch spricht, anzunehmen, dass sie ein Opfer von Menschenhandel ist, ist ja Blödsinn.“

Aufgewachsen in einem Land, das Prostitution zwar nicht verbietet, sie aber stigmatisiert, frage natürlich auch ich Marleen in den ersten zehn Minuten, wie sie denn in diesem Job landete. „Ich kam 2009 zum Studium nach Berlin. Und begann anderthalb Jahre später, anzuschaffen“, antwortet sie, und es klingt, als spreche sie das „endlich“ nur nicht laut aus. Neugier habe sie getrieben. Und, natürlich, die Aussicht auf einen einträglichen Nebenverdienst. Angefangen hat sie in einem Anbahnungslokal in Wilmersdorf, damals lebte sie noch in Prenzlauer Berg. „Ich wollte das machen“, betont sie, die momentan als Escort sowie als Zofe in einem Dominastudio arbeitet. Als Vorbereitung auf den Job beschäftigte sie sich politisch mit dem Thema und nahm an einer Einstiegsberatung beim Hydra e.V., einer Begegnungs- und Beratungsstelle für Prostituierte, teil. „Dort wurde reflektiert, warum ich das machen will. Ob ich mir klar bin über Stigmatisierungen. Ob meine Vorstellungen von der Arbeit mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Und wie ich auf meine Psychohygiene achte.“ Denn ein Doppelleben zu führen, belaste auf die Dauer ungemein. Wie sie das aushalte? „Ich führe keins“, antwortet Marleen bestimmt. „Alle um mich herum wissen, was ich mache. Ich investiere nicht in Freundschaften oder Beziehungen mit Menschen, die mich nicht so akzeptieren, wie ich bin.“ Mittlerweile ist sie selbst bei Hydra aktiv.

 

 

Begriffe wie „käuflich“ sind respektlos

 

Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbeauftragter (BAG), die den Entstehungsprozess des Gesetzes begleitet hat, dient letzteres auch dazu, „eine ethische wissensbasierte Debatte bzw. Wertedebatte zum Thema zu führen, die breit in der Gesellschaft verankert werden sollte. Im Rahmen dieser Diskussion muss auch die Rolle von Freiern als Käufer „der Ware Frau“ grundsätzlich diskutiert werden.“ Ware. Käufer. Für Marleen führen solche Begrifflichkeiten zu einer Selbststigmatisierung und zu Respektlosigkeit durch Freier, denn es spreche ihr Verhandlungsmacht ab. „Wenn jemand etwas täte, was ich nicht will, fiele es mir schwerer Nein zu sagen. Weil ich ja dächte, ich hätte mich verkauft.“ Dabei verkaufe sie ja nicht sich, sondern dass die Kunden Zeit mit ihr verbringen. „Dürfen“, setzt sie hinterher. Ebenso, wie ein Friseur auch nicht seine Hände verkaufe. Marleen selbst nutzt das Wort „Anschaffen“. „Ich mag es. Das hat etwas Aktives. Ich gehe arbeiten, ich gebe den Ton an.“ Auch das, sagt sie, gehört zur Psychohygiene.

Dass man mit Repressionen weder Zwangsprostitution noch Menschenhandel beikommen wird, davon ist Marleen überzeugt. Als viel sinnvoller und effektiver erachtet sie die sogenannte Peer-Education, die auf Gemeinsamkeit setzt: Die gemeinsame Sexarbeitserfahrung, der daraus resultierende Umgang miteinander und bei migrantischen SexarbeiterInnen eventuell auch die gemeinsame Migrationserfahrung oder Muttersprache. Nur so könne Vertrauen entstehen. Bei Hydra etwa gibt es ein Peer-Projekt, bei dem SexarbeiterInnen in Bordellen Aufklärungsarbeit machen.

 

Armutsbekämpfung statt strikterer Gesetze

Außerdem, kritisiert sie, sei man mit dem Wort „Zwang“ schnell bei der Sache, wenn es um Prostitution geht. Klar, es gebe die Getäuschten, die in der Annahme nach Deutschland kommen, als Babysitter oder in der Eisdiele zu arbeiten. Aber auch viele, die schon daheim in der Prostitution gearbeitet haben. „Für die gibt es nur schwer auffindbare, seriöse Informationen, wie man hier am besten anschafft. Manche sind komplett auf sich allein gestellt.“ Das unter diesen Umständen das Risiko hoch sei, in Ausbeutungsstrukturen zu gelangen, weil sie froh seien, wenn sie jemand an die Hand nehme, sei nachvollziehbar. Und trotzdem, es seien Frauen, die sich entscheiden, zu emigrieren, um zu arbeiten. „Sind das dann nicht starke Frauen? Stattdessen spricht man ihnen jedwede Selbstbestimmung ab – die ewigen Opfer.“ Der Schlüssel liege in der Armutsbekämpfung, nicht in strikteren Gesetzen. Marleens Lösungen: „Faire, soziale Wirtschaftspolitik und keine Ausbeutung der Menschen in anderen Ländern.“

Nach den Gesprächen mit Menschen wie Stephanie Klee und Marleen holt mich das Treffen mit Martin Schneider** in eine andere Wirklichkeit zurück. Ich besuche den Bordellbesitzer in seinem Laden in der Danziger Straße. Ich klingele, gehe über den Hof ins Hinterhaus und klopfe an die Tür im Erdgeschoss. Schneider, Typ Mike Krüger, öffnet. „Ja, Frau Nauhaus, schön, komm’Se mal rein.“ Genauso hab ich mir ein Bordell vorgestellt – alles in Rot getaucht. Im Flur ein kleiner Altar mit Sonnenblumen, Buddha, Madonna und Jesus. Wilde Mischung. „Latinas“, sagt Schneider lächelnd. Doch bevor wir uns weiter unterhalten können, klingelt es an der Tür. Eine bebademantelte, kleine, energische Frau springt in den Flur und schiebt uns in eines der vier Zimmer. Schneider schließt die Tür hinter uns. Der Kunde soll unerkannt ins Zimmer gelangen können. Mangels Sitzmöglichkeit nehmen wir neben einem riesigen goldenen Spiegel auf dem roten Satinlaken des Bettes Platz. An der Wand steht mit Edding: „Liebe Ana, ich liebe dich weil du so zärtlich bist.“ Schneider grinst. „Ein Freier. Haben wir drangelassen. Süß, wa?“ Nach etwa fünf Minuten verklingt das Trippeln von Absätzen, der Kunde scheint eine Wahl getroffen zu haben und wir können raus, an die frische Luft.

 

Die Behördenmitarbeiter kennen die „Mädels“ beim Namen

 

„Zu uns kommen alle“, stellt Schneider gleich zu Anfang klar. „Verheiratet, ledig, jung, alt, gutaussehend, weniger gutaussehend. Hälfte Stammkunden, Hälfte Touris.“ Und die Hausgemeinschaft habe auch nichts gegen das Bordell, im Gegenteil. „Wenn die Kinder aus dem Haus mal ihre Schlüssel vergessen, klingeln sie bei uns. Da ist ja immer jemand.“ Schneider, der während des Gesprächs gleichzeitig Anrufe wegdrückt und Emails schreibt, nimmt kein Blatt vor den Mund. Fröhlich setzt sich der umtriebige ehemalige Spediteur und Casinobetreiber in seinem schnodderigen West-Berlinerisch über sämtliche Regeln des guten Anstands hinweg. „Also, Zwangsprostituierte brauchen bei mir gar nicht anzukommen“, meint er. „Die sind auch einfach nicht gut, nicht locker, stehen ständig mit ihrem Zuhälter in Kontakt. Und da ist ja auch der Kunde nicht zufrieden.“ Zu fast jedem Herkunftsland hat Schneider irgendetwas zu sagen. Er habe sich „auf Latinas spezialisiert. Die sind lockerer.“ Mittlerweile hat er, der das Bordell vor einigen Jahren kaufte, den Laden an eine der Damen verpachtet. „So ein Laden muss von einer Frau geführt werden“, ist er überzeugt. „Die kennt die ganzen Befindlichkeiten. Und mich will doch da eh keener sehen!“

Das Gesetz bezeichnet er als Katastrophe, auch, und mit der Kritik steht er nicht allein, weil es ohne die Beteiligung der Betroffenen selbst erarbeitet worden sei. Und auch im Nachgang sei die Branche nicht informiert worden, kritisiert auch Stephanie Klee. Da sei in keinem Bordell irgendeine Broschüre eingegangen, nichts. Für Martin Schneider indes ist klar: Wenn seine „Damen“ bis Januar ihrer Anmeldepflicht nicht nachkommen, macht er den Laden dicht. Er sagt das mit dieser Selbstverständlichkeit von Einem, der völlig mit sich im Reinen ist. Einer von Schneiders Lieblingssätzen lautet: „Wir hatten noch nie Probleme.“ Alle drei, vier Monate komme die Steuerfahndung oder das Finanzamt vorbei. „Das ist immer nett, die kennen meine Mädels ja schon mit Namen.“

 

Keiner sieht rot: Im Bordell auf der Danziger Straße blickt man dem neuen Gesetz bislang gelassen entgegen. (Foto: Constanze Nauhaus)

Keiner sieht rot: Im Bordell auf der Danziger Straße blickt man dem neuen Gesetz bislang gelassen entgegen. (Foto: Constanze Nauhaus)

 

Die Umsetzung: das reinste Chaos

 

Schneider liefert auch bereitwillig alle Zahlen. Stunde 100 Euro, halbe 60. „Da ist Zimmermiete drin und Mädel mit französisch Vorspiel und Verkehr“, leiert er herunter. Davon kriegt die Betreiberin 50 Prozent – inklusive aller Zusatzkosten wie kaffeetrinkende oder duschende Freier. Geld für Extras wie Zungenküsse behalten die Frauen komplett selbst. 40, 50 Prozent, das sind gängige Sätze. „Die Infrastruktur muss es wert sein“, meint Marleen. „Wenn ich in einem Bordell gut verdiene und sich eine Hausdame danach um alles kümmert, können auch 50 Prozent völlig ok sein.“ Marleen glaubt, das Gesetz diene auch der verstärkten Steuerkontrolle. „Ja, manche SexarbeiterInnen arbeiten schwarz“, weiß sie. „Aber wenn man auch die ganze Zeit vom Staat drangsaliert wird, mit Razzien im Dreimonatsabstand, wenn da Polizisten in voller Montur zu dir in Dessous sagen ‚Also, wegen mir müssen Sie sich nicht anziehen‘ – fördert das garantiert nicht die Steuermoral.“

Die Umsetzung des Gesetzes, für die Länder und Kommunen selbst zuständig sind, ist bislang eher von Chaos und Nicht-Zuständigkeiten geprägt als von Effizienz. Als „noch nicht eindeutig geklärt“ bezeichnet Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) die Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirk, er sieht „Regelungsbedarf“. Konkret lässt sich sagen, dass es eine entsprechende Behörde für die Anmeldung eines Prostitutionsgewerbes noch gar nicht gibt – nicht nur in Pankow. Momentan arbeite man mit Übergangslösungen, so Benn. Diese nehmen in der Praxis absurde Formen an, weiß Marleen von Kolleginnen. Wie in einem vom Land Berlin herausgegeben Informationsblatt für Prostituierte vorgeschlagen, seien einige direkt ins Bezirksamt gegangen. Dort habe man sie von A nach B geschickt, niemand habe sich zuständig gefühlt oder überhaupt gewusst, worum es geht.

 

Mit der Taschenlampe die Kondompflicht kontrollieren

 

Als Frage schließt sich auch an, wie der Bezirk mit seinen begrenzten personellen Kapazitäten die Einhaltung der Auflagen kontrollieren will. So dienen wohl Paragraphen wie die Kondompflicht für Freier, ebenfalls Teil des ProstSchG, eher als Absichtserklärung im Sinne von „Leute, nehmt Kondome!“ Stephanie Klee sieht diesen Paragraphen gar als „reine Drohgebärde“. In Bayern, erzählt Marleen, gingen Beamte bei Kontrollen zwar tatsächlich in die Zimmer und guckten mit einer Taschenlampe nach. Das wird für die 25 Pankower Ordnungsamt-Mitarbeiter nicht zu stemmen sein. Ebendort, beim Ordnungsamt, möchte Pankow übrigens eine zukünftige Stelle für das Prostitutionsgewerbe angliedern.

Worin sich alle Kritiker des neuen Gesetzes einig sind: Anstatt Zwangsprostitution zu bekämpfen, wird es ohnehin prekär Arbeitende nur weiter in die Illegalität treiben. Ein Problem ist, dass viele die Voraussetzungen für eine Anmeldung wie Arbeitsvisum oder Aufenthaltsstatus gar nicht haben. „Die müssen illegalisiert arbeiten“, sagt Marleen. Und wenn nun auch noch Bordelle wegfielen durch die höheren Auflagen – laut „Siegessäule“ beträfe das etwa 80 Prozent der kleineren Berliner Etablissements-, fallen Arbeitsplätze und somit geschützte Räume weg. Denn ohne Anmeldenachweis kann keine*r mehr im Bordell arbeiten – wo in Notfällen KollegInnen in der Nähe wären. „Auf der Straße zu arbeiten oder Haus- und Hotelbesuche sind viel gefährlicher“, meint Marleen. Auch Bezirksbürgermeister Benn wagt ein zwiespältiges Statement zum neuen Gesetz. Ob die Ziele, mit denen es verabschiedet wurde, erreicht werden, sei „umstritten und wird der Prüfung durch die Praxis überlassen bleiben müssen.“

 

„Das Rein-Raus-Geschäft bleibt dasselbe.“

 

Fest steht also, dass nichts feststeht. Die Stigmatisierung des Berufsstandes wird auch dieses Gesetz nicht abschaffen, im Gegenteil. „Welche Behörde ist SexarbeiterInnen jemals mit Respekt begegnet?“, fragt Stephanie Klee. „Welche Gesellschaft hat sie je integriert? Dieses Gesetz dient lediglich der absoluten Kontrolle.“ Marleen indes wird sich zum ersten Januar nicht anmelden. Aus Prinzip. „Dann gehe ich eben illegal anschaffen“, sagt sie. Trotziger Stolz schwingt in ihrer Stimme mit. Außerdem: Dass ihre Anmeldedaten etwa ans Finanzamt gehen, sei klar. Aber wer garantiere ihr, dass die entsprechende Behörde in spe ihre Daten nicht auch an Euro- oder Interpol weitergebe? Immerhin ist die Prostitution in vielen Ländern der Erde verboten. Zudem sei ein Nebenjob in der Prostitution für viele Arbeitgeber leider noch immer ein Grund für Nichteinstellung oder Kündigung. Denn SexarbeiterInnen sind nach wie vor nicht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen. Auch Martin Schneider glaubt, dass sich „seine Frauen“ nicht anmelden und das Gesetz ignorieren werden. „Und nach der dritten Kontrolle machen sie den Laden dicht.“ Aber trotzdem wirkt er völlig gelassen. „Keiner weiß, wie’s wird, keiner kümmert sich. Soll ich mich jetzt heißmachen? Das Rein-Raus-Geschäft bleibt dasselbe.“

 

Das Thema Prostitution wird seit jeher äußerst kontrovers diskutiert. Deshalb interessiert uns natürlich, was IHR darüber denkt. Nehmt an unserer Umfrage zur Sexarbeit in Prenzlauer Berg teil – die Auswertung gibt’s nächste Woche!

*Pseudonym

** Name geändert

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