Ultimatum Neubau: Das Haus muss weg

von Anja Mia Neumann 19. April 2016

UPDATE Sind die Tage des Neubaus in der Kollwitzstraße 42 nun endgültig gezählt? Das Gericht hat dem Abriss zugestimmt: Er muss weg. Aber die Bauherrin könnte noch in Berufung gehen.

UPDATE 19. April 2016:

Im Hin und Her um den Anbau im Hof der Kollwitzstraße 42 hat nun auch das Berliner Verwaltungsgericht ein Urteil gesprochen. Es bleibt dabei: Das Haus muss dem Erdboden gleich gemacht werden. Die Bauherrin hatte gegen die Verfügung des Bezirksamts Pankow geklagt, den Neubau abzureißen, weil er die vorgeschriebenen Abstände zum Nachbarhaus nicht einhält.

Einen Deal, nur einen Teil des Gebäudes abzureißen, lehnte das Gericht ab. Begründung: „Die Baubehörde sei grundsätzlich gehalten, den vollständigen Abriss einer die Abstandsflächen nicht einhaltenden Baulichkeit anzuordnen. Der von der Klägerin angebotene Teilrückbau stelle kein zulässiges Austauschmittel dar.“ Auch die Beschwerde, ein Abriss werde zu teuer, nutzte der Bauherrin nicht.

Aber: Noch ist nicht endgültig Recht gesprochen, denn die Klägerin kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragen. (ane)

 

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ARTIKEL vom 12. März 2015:

Seit rund vier Jahren nimmt ein Seitenflügel im Hof der Kollwitzstraße 42 die Luft zum Atmen und das Licht zum Leben. So empfinden es zumindest die Bewohner der angrenzenden Hausnummer 40 und hatten geklagt. Mittlerweile ist klar: Der Bau wurde widerrechtlich hochgezogen – der Abstand zu den Nachbarn ist zu gering – und muss weg, so endgültig entschieden vom Bundesverwaltungsgericht im Mai 2014.

Doch der unbewohnte, graue Betonklotz in Stufen-Optik steht noch immer an Ort und Stelle und verfällt zusehends. Die Eigentümer versuchten zu retten, was verloren geht, argumentierten mit Statikproblemen und wollten wenigstens die unteren beiden Stockwerke des Hauses stehen lassen. Bewegung in die Geschichte kommt jetzt von Seiten des Bezirksamtes: Das hat die behördliche Anordnung zum Abriss erteilt.

 

Ein halbes Jahr bis zum Abriss – sonst droht irgendwann Zwangsgeld

 

„Das komplette Haus muss verschwinden“, sagt Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), der für Stadtentwicklung zuständig ist. Einer Remisenhöhe, die stehen bleibe, weil wegen einer Mauer bis zu 2,30 Metern sowieso kein Tageslicht auf den Hof falle, habe nicht entsprochen werden können. „Wir haben den Eigentümern eine Frist gegeben.“ Ein halbes Jahr, heißt es in dem Bescheid. Da die Anordnung auf den 13. Februar datiert ist und noch ein Monat Widerspruchszeit eingeräumt wurde, sollte das Ultimatum also Mitte September auslaufen.

Bislang gibt es noch keine Abriss-Anzeichen. Was, wenn der Termin verstreicht? „Die erste Aufforderung ist immer erst mal freundlich, dann wird sie bestimmter“, erklärt Kirchner. Die Eskalationsstufen staatlichen Handelns seien vorgegeben. Im Zweifel drohe den Eigentümern ein Zwangsgeld – angekündigt sind 10 000 Euro. Schon im vergangenen Jahr hatte der Stadtrat klargemacht: „Das Urteil ist eindeutig, und zur Not helfen wir bei der Umsetzung.”

 

Ein kurzer Abriss des langen Abriss’

 

Für den Hintergrund ein kurzer Abriss des verfügten Abriss’: Im November 2009 hatten der Bezirk und der damalige Stadtrat für Stadtentwicklung Michail Nelken (Linke) eine Baugenehmigung für einen Seitenflügel und ein Quergebäude erteilt. Doch die Nachbarn wurden nicht informiert und legten im Mai 2010 Widerspruch ein. Daraufhin sagte der Bezirk den Bauherren: Ab jetzt bauen Sie auf eigenes Risiko. Und so geschah es dann auch mit dem Baubeginn am 30. Juni. Aus dem Widerspruch wurden Klagen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Mai 2014 rechtskräftig.

Wie die Eigentümergemeinschaft jetzt weiter vorgeht? Eine Antwort bleibt sie schuldig. Ihr rechtlicher Vertreter, Ernst Brenning, schweigt und war weder schriftlich noch telefonisch erreichbar. Sollte die Taktik „Aussitzen“ heißen, könnte es noch länger dauern, bis der Neubau weg und der Hof wieder grün ist.

 

Kläger sehen Hinhalte- und Verschleppungstaktik

 

Für den Nachbarn Dirk Stallmann – Miteigentümer des Hauses in der Kollwitzstraße 40 und Kläger gegen den Neubau – ist genau das klar: „Hier wird versucht, die Sache zu verschleppen.“ In den Jahren sei viel „getrickst, getäuscht und getarnt“ worden. Er freue sich auf den Tag, an dem nicht mehr eine 22 Meter hohe Brandmauer direkt neben seinem Balkon hoch gehe.

Dem Abriss entgegen stehen auch Probleme mit der Statik: Einige Wände des Altbaus im Vorderhaus Kollwitzstraße 42 sind wohl verschoben worden und wären beim Abriss des Neubaus gefährdet. „Statikprobleme muss der Eigentümer klären“, sagt Stadtrat Kirchner deutlich. Stallmann sieht das Bezirksamt in der Pflicht, mehr Druck auf die Bauherren auszuüben. Wenn sich von deren Seite aus nichts tue, sehe sein Zukunftsszenario so aus: Das Bezirksamt lässt den Bau abreißen. Zunächst auf eigene Kosten – auf denen es womöglich sitzen bleibt.

 

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