Ein klares Jein

von Kristina Auer 11. April 2016

Unsere Bezirkspolitiker versammeln sich diese Woche wieder in der Fröbelstraße. Und glänzen zum Auftakt mit Entscheidungsschwäche: unter anderem bei Flüchtlingsunterkünften und der Grenzverschiebung am Mauerpark.

„Herzlich willkommen zur 39. ordentlichen Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin“ heißt es am Mittwoch Nachmittag (13. April, 17.30 Uhr) wieder im BVV-Saal in der Fröbelstraße. Wie immer haben wir vorab einen Blick in die Tagesordnung gewagt. Der lässt erkennen: Auch Bezirkspolitikern fallen Entscheidungen nicht immer leicht. Diesmal geht es hin und her: unter anderem bei der Verlegung der Bezirksgrenze am Mauerpark. Gleich zu Beginn soll ein früherer Beschluss wieder rückgängig gemacht werden. Außerdem gibt es auf den Prenzlauer Berger Straßen einiges zu beheben. Ein weiterer Dauerbrenner: Einwohner sorgen sich um ein Neubauprojekt – diesmal an der Michelangelostraße.

 

Entscheidungsschwierigkeiten Teil 1: Gebietserweiterung am Mauerpark

 

Unser Top-Thema in dieser Woche: Im Januar beschlossen das Bezirksamt  und die BVV, dass die Bezirksgrenze zwischen Pankow und Mitte geringfügig geändert werden soll, und zwar auf dem Gebiet des Mauerparks. Hintergrund ist die Erweiterung des Mauerparks auf der südwestlichen Seite. Damit die gesamte Parkfläche unter einen Bezirk fällt und unkomplizierter verwaltet werden kann, soll die Grenze zwischen Pankow und Mitte im Westen auf die Wolliner Straße gelegt werden.

Das Problem: Laut unseren Politikern sollte nur das Gebiet südlich des Gleimtunnels in Zukunft zu Pankow gehören, der Gleimtunnel selbst aber weiter zu Mitte. Die BVV Mitte beschloss ebenfalls die Verlegung der Parkflächen nach Pankow, allerdings samt Gleimtunnel. Jetzt soll der Beschluss vom Januar rückgängig gemacht und dann die Grenzverlegung neu beschlossen werden, und zwar so wie es der Bezirk Mitte entschieden hat. Wem beim Durchqueren des Gleimtunnels schon einmal das Regenwasser des Vortags auf den Kopf getropft ist, kann vielleicht erahnen, warum keiner der Bezirke die marode Unterführung haben will. Wenn unsere Bezirkspolitiker mit „Ja“ stimmen, gehört sie – und damit auch die Verantwortung dafür – künftig zu Pankow. In dieser Woche werden wir uns weiter mit dem Thema Mauerpark beschäftigen.

 

Entscheidungsschwierigkeiten Teil 2: Flüchtlingsunterkünfte

 

Bei diesem Thema liegt die Entscheidungsschwierigkeit eigentlich beim Senat. Richtig, es geht um das alte Lied der Containersiedlungen in Prenzlauer Berg. Die vom Senat zunächst benannten drei Standorte in Prenzlauer Berg wurden später wieder zurückgezogen und werden derzeit auf ihre Nutzbarkeit geprüft. Inzwischen ist klar, dass der Standort an der Greifswalder Straße 80d nicht gebaut wird. Weiterhin im Rennen sind die Walter-Friedländern-Straße nördlich 19 am Alten Schlachthof und die Werchneuchener Wiese an der Danziger Ecke Kniprodestraße.

Die Verwirrung um die Standorte bewirkt vor allem eins: Verzögerungen beim Freiwerden der Turnhallen-Notunterkünfte. Laut Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (Grüne) und Bezirksbürgermeister Köhne (SPD) wird zwar grob angepeilt, die Turnhallen bis Ende Juni frei zu machen. Allerdings gestehen die Bezirkspolitiker bereits jetzt ein, dass der Zeitraum nicht überall eingehalten werden könne. Außerdem ist weiterhin fraglich, wann die Turnhallen wieder für den Sport zur Verfügung stehen werden. Sie müssen vorher saniert werden. Bis mindestens Ende 2016 müssen Schulsport und Vereine also noch mit alternativen Angeboten unterstützt werden, so Köhne und Zürn-Kasztantowics. Der Bezirk will sich natürlich beim Senat dafür einsetzen, dass die endgültigen Entscheidungen nun möglichst schnell getroffen werden.

Außerdem zum Thema Geflüchtete: Die Fraktion der Grünen stellt einen Antrag, auch in Pankow eine queere Flüchtlingsunterkunft einzurichten, wie es sie bereits in Lichtenberg gibt. In der offiziellen Sprache soll die Unterkunft für „besonders schutzbedürftige Flüchtlinge“ als Wohnort dienen. Dazu zählen laut den Antragsstellern „Schwangere, Frauen mit Kindern, Lesben, Schwule, Transgender, stark traumatisierte Geflüchtete, Angehörige religiöser oder weltanschaulicher Minderheiten und Menschen mit Beeinträchtigungen.“

 

Worum geht es sonst noch in der BVV?

 

Die Prenzlauer Berger Straßen sind gefährlich. So gilt es einige Unfallrisiken zu begrenzen:

  • An der Kreuzung Richard-Ermisch- und Hermann-Blankensteinstraße am Alten Schlachthof hat die Polizei mehrere Unfälle registriert, weil die Sichtbedingungen an der Kreuzung schlecht sind. Deshalb wird jetzt beschlossen, dass in Kreuzungsnähe in Zukunft nur noch PKWs parken dürfen, die die Sicht nicht noch mehr einschränken. Für größere Lastfahrzeuge wird das Parken dort künftig untersagt.
  • In der Gleimstraße gibt es stattdessen Probleme an den Baumscheiben: Die Metalleinfassungen sind alt und teils verbogen oder umgestürzt, deshalb stehen seit längerem scharfe Metallkanten hervor und gefährden Fußgänger. Die SPD sieht dringend Handlungsbedarf. Der Corpus Delicti kann hier begutachtet werden.
  • Nochmal im Gleimkiez: Die neuen Spielplätze in der Rhinower Straße erfreuen sich scheinbar eines regen Kindertreibens. In der Folge entsteht dort mehr Müll, als die Behälter aufnehmen können. Die SPD beantragt deshalb neue und größere Müllbehälter.
  • Kurios klingt dieser Antrag der Grünen: „Schutz von wildlebenden Tieren in Zirkussen.“ Hintergrund ist der Bundesrat, der sich derzeit mit einem möglichen Verbot von Wildtierhaltung in Zirkussen befasst. In diesem Zusammenhang soll sich laut Grünen auch der Bezirk dafür einsetzen, dass keine Zirkusse mit Wildtieren in Pankow gastieren dürfen.

 

Das fragen die Einwohner

 

Die Vermüllung von Prenzlauer Berg treibt auch die Einwohner um. Eine der Einwohnerfragen befasst sich deshalb erneut mit der Müllkippe auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs, über die wir schon einmal berichtet haben. Das Gebiet am Ernst-Thälmann-Park, auf dem vom Investor Gerome gebaut werden soll, ist Dauerbrenner in der BVV. Im Rahmen der letzten Tagung haben wir uns eingehend mit den Bürgerprotesten zum Bauvorhaben beschäftigt.

Einem anderen Bauvorhaben widmen sich diesmal zwei weitere Einwohnerfragen: nämlich dem an der Michelangelostraße. Dort sollen rund 1.500 neue Wohhnungen entstehen. Eine Anwohnerin sorgt sich um die Koordination des Bauprojekts in Verbindung mit Plänen zur Verkehrsführung des Senats. Die zweite Einwohnerfrage zum Thema befasst sich mit der Umwelt: Der Bürger fragt sich, wie viele Bäume neu gepflanzt werden müssen, um die CO2-Produktion der neuen Nachbarn auszugleichen. Außerdem verweist er auf einen weiteren Klassiker in Sachen Protest gegen Neubauprojekte: das Kaltluftgebiet. Die Bebauung bewirke ein Wegfallen der Kaltluftströme in den Sommermonaten. Der Einwohner fragt sich, inwieweit sich dies auf die Lebenserwartung der dort ansässigen Senioren auswirken wird. Bäume und Kaltluft hin oder her, hier wird klar: Es formiert sich Protest rund um das Bauvorhaben an der Michelangelostraße.

 

Und täglich grüßt: die Symbolpolitik

 

Neues gibt es diesmal auch wieder in Sachen Symbolpolitik: Die CDU-Fraktion stellt einen Antrag auf Schutz der Religionsfreiheit in Flüchtlingsunterkünften. Bemerkenswert ist, dass der Anlass hierfür fehlt, von Verstößen gegen die Religionsfreiheit in Flüchtlingseinrichtungen wird nichts berichtet. Nebulös bleibt auch, wie dieser Schutz konkret aussehen soll. Es sollen „entsprechende Maßnahmen“ getroffen werden, heißt es in dem Antrag lediglich. Wozu also das Ganze? Ganz einfach: „Die Religionsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, das es für jeden Menschen in Deutschland zu schützen gilt.“

 

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