Raus aus Bornholm

von Thomas Trappe 10. März 2015

Neu-Pächter wollten eine Prenzlauer Berger Kleingartenanlage für Anwohner öffnen. Jetzt kommen sie dafür vors Garten-Tribunal.

Wenn einem ein Vorstand einer Kleingartenanlage schreibt, man habe bei der Erstellung einer Homepage Links verwendet, für die man „von den Eignern keine Erlaubnis hatte“, dann kann man sich recht sicher sein, dass dieser Brief tatsächlich aus der Welt der Kleingärten geschickt wurde. Also vermutlich aus der guten alten Zeit, als links einfach noch das Gegenteil von rechts war und man wahrscheinlich eine Genehmigung brauchte, egal, um was es ging. Wie auch immer, der Auszug aus dem Schriftverkehr, der sich gerade zwischen der revolutionären Garde der Kleingartenanlage Bornholm 1 auf der einen Seite und dem Gartenvorstand und dem Kleingartenbezirksverband Prenzlauer Berg auf der anderen abspielt, zeigt: Hier prallen zwei unvereinbare Philosophien innerhalb der Rabatten-Welt aufeinander. Der traditionelle Lesart des Gartenlebens verweist ja gerne auf den Rückzugsraum, der typischerweise durch eine akkurate Hecke geschützt wird. Das geht nicht zusammen mit den neuen Pächtern, die sich als „Bornholmgärter – Netzwerk für moderne Laubenpieper“ seit Monaten für eine Öffnung ihrer KGA einsetzen und dafür auch im Internet mit unabgestimmten Links werben. Dafür und für eine öffentliche Gartenparty, die sie vergangenen Sommer veranstalten, bekommen sie jetzt die Quittung: Sie sollen ihre Parzellen verlieren.

Im September vergangenen Jahres begann es: Damals entschloss sich eine Gruppe von rund 40 Pächtern, also jeder zehnte in der Anlage Bornholm 1, einen Tag des offenen Gartens zu feiern. Nichts, was in einem Veranstaltungskalender im Spätsommer nicht mühelos untergehen könnte, würde es sich nicht um eine Kleingartenanlage handeln mit dieser Geschichte. Die Ursprünge von Bornholm 1 liegen genau wie bei den sieben anderen Kleingartenanlagen in Prenzlauer Berg teilweise vor der Staatsgründung der DDR, und viele der Pächter erlebten hier, teilweise als Dauerbewohner, die gesamte Geschichte der Republik, in deren Grenzgebiet sie gärtnerten. Bornholm 1, gelegen östlich der S-Bahn-Linie an der Bornholmer Straße, befand sich direkt hinter der Grenzlinie, entsprechend üblich waren hier Tage der offenen Gärten. Nach der Wende verschwand zwar die Grenze hinter den Gärten, aber nicht die gut gesicherten Zäune innerhalb der Anlage. Ein Umdenken, sicher auch unter einigen Bestandspächtern, setzt gerade erst durch den Zuzug jüngerer Gartennutzer ein. Viele der Neuen sind international, zum Beispiel der Amerikaner Jay Kaufmann, darunter reichlich junge Familien. Ein Zusammentreffen von Subkulturen, von denen nicht zuletzt Kaufmann immer wieder betont, dass es funktionieren kann. Die Entwicklung nach besagtem Gartenfest bis heute deutet auf das Gegenteil hin. 

 

Der Vereinsausschluss – die Bazooka des Laubenpiepers

 

Denn kurz nach dem Fest war in den offiziellen Glaskästen der Gartenvorstände Bornholm 1 und 2 zu lesen, dass man das zurückliegende Fest aufs Schärfte verurteile. Es habe sich darin ein „Unwesen“ manifestiert, das auf die Spaltung der Gartengemeinschaft ziele. Rechtliche Schritte würden erwogen, hieß es damals. Den Erwägungen, so zeigt sich jetzt, folgten Beschlüsse. Davon berichtet Jay Kaufmann. So habe der Bezirksverband der Prenzlauer Berger Kleingärtner an sechs Pächter in drei Gärten Kündigungsschreiben geschickt. Und wenig später folgte ein weiterer Brief des Gartenvorstands: Darin wurde die Einleitung eines Vereinsausschlussverfahrens angekündigt. Die Bazooka des Laubenpiepers. „Kulturelle Gründe“, sagt Kaufmann etwas ratlos, nach dem Grund für die Kriegserklärung gefragt.

Auf ihrer Homepage haben die Bornholmgärtner, ganz vermutlich ohne Genehmigung, inzwischen die Kündigungs- und ihre von Anwälten verfassten Antwortschreiben veröffentlicht. Demnach heißt es vom Bezirksverband, dass die Gegenseite eine Veranstaltung durchgeführt habe, „die weder dem Schutz und der Sicherheit der Kleingartenanlage diente, noch zur weiteren Festigung des Zusammenhaltes der Kleingärtner beitrug“. Nochmal wird die Spaltung der Gemeinschaft angeprangert und der beim Tag des offenen Gartens abgehaltene Flohmarkt mit Getränke- und Essenstisch. Mit diesem wäre die „steuerliche Gemeinnützigkeit des Vereins gefährdet“ worden. „Mit ihrem Verhalten haben Sie eine so schwere Pflichtverletzung begangen, die es wegen des unentbehrlichen Vertrauensverhältnis unzumutbar macht, das Rechtsverhältnis fortzusetzen.“ Schöner ist ein Verhältnis in der Kleingartenanlage wohl selten beendet worden. Jay Kaufmanns Kündigungsschreiben hörte sich identisch an, ergänzt darum: „Als sogenannter Pressesprecher und Betreiber der Home Page haben Sie Links geschaltet, für die Sie von den Eignern keine Erlaubnis hatten.“

Die gekündigten Pächter schalteten daraufhin die Anwältin ein. Sie erklärte, dass die Kündigungen unwirksam seien. Weder sei klar, warum ausgerechnet nur diese Kleingärtner betroffen seien, noch träfen die Vorwürfe zu. Der Vorstand sei weder zu Gesprächen noch zu Kooperationen bereit, und von einer Gefährdung der Kleingartenanlage könne schon gar nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Mit der Öffnung der Gärten erfüllten ihre Mandanten eine der Voraussetzungen, die der Senat stellt, um den mittelfristigen Weiterbestand der Anlage zu sichern. Kleingartenanlagen seien nämlich, so hieß es in einem Beschluss vor einem Jahr, nur zu rechtfertigen, wenn es eine „stärkere Öffnung der Anlagen für die Allgemeinheit und Integration in den Kiez” gebe. So gesehen wäre es der Vorstand der Gartenanlage, der den Kampf ums eigene Überleben torpedierte. 

 

Kaufmann bestreitet üble Nachrede

 

Dass Kaufmann und die anderen jetzt noch das Ausschlussverfahren aufgedrückt bekamen, liegt nach seiner Ansicht an dem Widerspruch gegen die Kündigung der Parzelle. „Ich bin mir nach den Rücksprache mit der Anwältin absolut sicher, dass wir nicht gekündigt werden können“, sagt er. Begründet würde das Ausschlussverfahren damit, dass Bornholmgärtner dem Vorstand übel nachgeredet und ihn beleidigt hätten, so Kaufmann. „Da ist aber nichts dran.“ Er hofft jetzt, dass der Konfliktausschuss der Kleingartenanlage helfen könnte. Allerdings sei es ihm dank Nichtauskunft des Vorstands unmöglich, einen Kontakt zu dem herzustellen.

Wolfgang Hartpfeil glaubt an den Bestand der Kündigung. Hartpfeil ist Vorstandsvorsitzender des Bezirksverbands der Kleingärtner in Prenzlauer Berg, er unterschrieb die Kündigungen. „Weil sie gegen die Satzung verstoßen haben“, sagt er, „indem sie sich über Beschlüsse des geschäftsführenden Vorstands hinweggesetzt haben“. Hartpfeil meint damit den Tag des offenen Gartens, den sein Vorstand abgelehnt habe, wenn auch nicht schriftlich oder per offiziellem Aushang. Ganz anders stellt es die Anwältin der Gekündigten dar: Laut ihr habe der Vorstand die Aktion akzeptiert, wenn auch nicht ausdrücklich genehmigt. „Es ist allerdings auch nicht bekannt, dass eine solche Genehmigung erforderlich wäre“, heißt es weiter.

Oh doch, meint Hartpfeil, und sagt, dass sogar gegen das Bundeskleingartengesetz verstoßen worden sei. Nach dem Widerspruch der Gärtner würde die Kündigung jetzt gerichtlich durchgesetzt, zeigt er sich entschlossen. Sollte das nicht fruchten, müsste das angestrengte Vereinsausschlussverfahren das Übrige tun, so Hartpfeil. Im Gegensatz zu Kaufmann geht er davon aus, dass ein Ausschluss auch den Verlust der Parzelle nach sich zieht. Es ist nicht Hartpfeils erstes Ausschlussverfahren. „Aber in rauen Mengen machen wir das auch nicht. Vielleicht so ein bis zweimal pro Jahr.“ Die sechs Kündigungen, um die es jetzt gehen, sind damit eine ganz neue Dimension.

 

Gesprochen wird nicht miteinander

 

Gesprochen hat Hartpfeil nach dem Kündigungsschreiben noch nicht mit den Betroffenen. Auch beim Gartenfest war er nicht zugegen, habe aber viel gehört, unter anderem von einem Polizeieinsatz. Der Konfliktausschuss der Kleingartenanlage sei für Kündigungsfragen nicht zuständig, gibt er sich hart, er will da nicht mehr verhandeln. Jay Kaufmann hofft noch immer auf eine Einigung. „Wir wollen weiterhin friedlich nebeneinander leben“, sagt er. „Und rauskriegen, was die Angst ist, die wir offenbar bei manchen auslösen.“

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