Abriss offen

von Thomas Trappe 19. September 2014

Ein Gericht verfügte den Abriss des Hinterhauses in der Kollwitzstraße 42. Der Eigentümer wehrt sich dagegen. Er will wenigstens zwei Etagen stehen lassen.

Im schlimmsten Fall haben einige Bewohner in der Kollwitzstraße 42 im kommenden Winter ein weltkriegsähnliches Loch in ihren Schlaf- oder Wohnzimmern. Nun gut, so weit wird es wahrscheinlich nicht kommen – aber das Szenario scheint der Stand der Diskussion in der Kollwitzstraße 42 zu sein. Würde der Neubau abgerissen, ginge das nicht, ohne die Substanz des Altbaus zu gefährden, argumentiert nämlich die Eigentümergemeinschaft des Hauses im Hinterhof. Dieses Gebäude steht größtenteils noch im Rohbau und war in den vergangenen Jahren Gegenstand diverser Gerichtsverhandlungen – inklusive der letztinstanzlichen, die vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Frühjahr stattfand. Und mit dem Urteil endete, dass das Haus abgerissen werden muss. Begründung: Es steht zu dicht an der Nachbarbebauung, die Baugenehmigung des Bezirks sei zu Unrecht erteilt worden. 

Dem deutlichen Urteile folgten allerdings, anders als von Kommunalpolitikern und Nachbarn gewünscht, nicht ebenso entschlossene Reaktionen der Eigentümer. Bis heute ist von einer Einzäunung des Grundstücks und damit einem beginnenden Abrisses nichts zu sehen, und der für solche Angelegenheiten zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) geht auch nicht davon aus, dass dies im Oktober, diesen Termin avisierte er, noch geschehen wird. „Der Eigentümer des Gebäudes ist in der Pflicht”, erklärt er auf Anfrage, es klingt mehr wie ein Appell als ein Ultimatum. Kirchner berichtet von einem Schreiben der Bauherren an das Bezirksamt, in denen diese darlegen, was alles gegen einen sofortigen Abriss spreche.

 

Untätigkeitsklage gegen den Bezirk

 

Im Schreiben verweisen sie auf eine zirka 2,30 Meter hohe Mauer, die auf dem Grundstück der gegen den Neubau klagenden Nachbarn steht – und erklären, dass bis auf diese Höhe der Hof sowieso vom Tageslicht abgeschnitten sei. Schlussfolgerung: Die ersten beiden Etagen des Neubaus müssten nicht abgerissen werden. Gravierender ist allerdings der zweite Einwand. Hier macht die Eigentümergemeinschaft nach Angaben des Bezirksamts deutlich, dass einige Wände im Vorderhaus der Nummer 42 im Zuge des Neubaus verschoben worden seien, einen knappen Meter. Würde der Neubau nun abgerissen, könnten auch Teile der rückwärtigen Fassade des Vorderhauses zerstört werden. „Es geht darum, Zeit zu gewinnen”, vermutet Kirchner. Bis zum 26. September laufe noch eine Anhörungsfrist, „so viel Zeit sollte man den Eigentümern auch noch lassen, um ihre Argumente dazulegen“. Dass das Haus aber abgerissen werden muss, stehe fest, so Kirchner. „Das Urteil ist eindeutig, und zur Not helfen wir bei der Umsetzung.”

Der Eigentümer des Hauses in der Kollwitzstraße 42 hat sich auf schriftliche und mündliche Anfrage nicht geäußert. Die Nachbarn schon. Dirk Stallmann ist Miteigentümer der Kollwitzstraße 40 und klagte gegen den Neubau. Schon nach dem Urteil im März forderte er das Bezirksamt auf, den Abriss anzuordnen, jetzt gebe es bei ihm „eine gewisse Verärgerung darüber, dass nichts passiert”. Auch Stallmann liegt das Schreiben der Nachbarn an das Bezirksamt vor, auch er berichtet von deren Ansinnen, dass ein Teil des „neu errichteten Seitenflügels dem alten Bestand zugeschlagen werden müsse”, weil dies „konstruktionstechnisch manifestiert” sei. „Dafür gibt es aber keine Grundlage, das Urteil ist eindeutig”, so Stallmann. Auch nur ein zusätzlicher Meter Neubau würde den Lichteinfall auf den Hof erheblich einschränken. Den Einwand mit der Mauer findet er geradezu absurd“.

Stallmann will, dass das Bezirksamt sich nun beeilt, gerade prüfe sein Anwalt eine Untätigkeitsklage gegen die Verwaltung. Stadtrat Kirchner hingegen bittet um etwas Geduld. „Wir leben in einem Rechtsstaat und in dem gibt es Anhörungsfristen. Daran halten wir uns auch.”

 

 

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