Ein Bezirk zum Anbeißen

von Juliane Schader 10. Juli 2014

In Pankows Parks statt Büschen Bohnen und statt Tulpen Tomaten zu pflanzen klingt vielleicht verrückt. Doch das Konzept der essbaren Stadt wurde bereits andernorts erprobt und für gut befunden.

Als hätte der Bezirk nicht schon genug um die Ohren: An Schulplätzen fehlt es, ebenso an Personal, Bezirkseinrichtungen müssen an Dritte abgegeben werden und Geld für Parkpflege, Gebäudesanierung und Spielplatzinstandhaltung ist auch keins da. Aber hey, lasst uns doch Pankow mit Gemüse bepflanzen und zum essbaren Bezirk erklären! So zumindest die neueste Idee der örtlichen Bezirksverordneten.

Wenn man Christoph Maurer Glauben schenkt, ist es die beste, die sie seit langem hatten. Wobei das etwas unsauber formuliert ist, denn andere Ideen als diese kennt Maurer bislang nicht aus Pankow, was verständlich ist angesichts der Tatsache, dass er Pressesprecher der im schönen Rheintal gelegenen Stadt Andernach ist.

Von dort, man ahnt es vielleicht schon, stammt die Idee mit der essbaren Stadt. Und so begeistert, wie Maurer davon erzählt, kann man gar nicht abwarten, bis das Konzept auch hier umgesetzt wird.

 

Allgemeingut Tomate

 

Inspiriert von der alten 68er-Weisheit „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ entschloss man sich vor fünf Jahren in Andernach, im Grau der Stadt nach Natürlichkeit zu suchen. Ein erster Schritt war damals, entlang der alten Stadtmauer Tomaten anzupflanzen und diese zum Allgemeingut zu erklären. „Natürlich hatten wir Bedenken – reife Tomaten eignen sich ja auch gut als Wurfgeschosse“, erzählt Maurer. Doch es kam weder zu Tomatenschlachten noch zu anderen Arten von Vandalismus, und es fuhr auch niemand bei Nacht und Nebel die gesamte Ernte für sich ein. „Unsere Erfahrungen sind rundweg positiv. Die soziale Kontrolle funktioniert“, meint Maurer.

 

Essbare Stadt Andernach

Eine Parkanlage in Andernach – man könnte auch Beet dazu sagen. (Foto: Stadt Andernach/Maurer)

 

Mittlerweile ist das Sortiment stark gewachsen: Kohlrabi, Salat, Beeren, Walnüsse, Bohnen und Mangold, das alles (und noch viel mehr) kann man mittlerweile auf den öffentlichen Grünflächen der Stadt ernten. Zusätzliche Kosten seien dadurch nicht entstanden – „wir pflanzen nun halt Tomaten statt Tulpen“, sagt Maurer. Dadurch, dass jeder sich frei bedienen könne, fühle sich auch jeder verantwortlich für die Pflege. „Es hat etwas Verbindendes; man kommt miteinander ins Gespräch.“

 

Sparsames Gemüse

 

Zudem wird das botanische und kulturelle Wissen der Städter gefördert: Einige Andernacher beschwerten sich bei der Stadtverwaltung, weil türkische und griechische Mitbürger sich bei den Blättern des frisch gepflanzen Weins bedienten, um diese zu gefüllten Weinblättern zu verarbeiten. Sie gingen mit dem Wissen nach Hause, dass es für die Pflanzen nur gut ist, wenn man ab und an ein Blatt abpflückt und diese ihre Energie in die Trauben stecken können.

 

Essbare Stadt Andernach

Offenbar begeisterte Gärtner an der Stadtmauer in Andernach. (Foto: Stadt Andernach/Maurer)

 

Ähnliche Lerneffekte erhoffen sich auch die Grünen, die die Idee nach Pankow brachten „Gerade in der Innenstadt aufwachsende Kinder könnten durch den vermehrten Anbau von Nutzpflanzen ganz neue Dinge kennenlernen“, heißt es in dem entsprechenden Antrag. Darüber hinaus habe sich für die Stadt Andernach der Wechsel von Zier- auf Nutzpflanzen als kostengünstigere Alternative herausgestellt. „Vielleicht lässt sich auch in unserem finanziell gebeutelten Bezirk dadurch Geld einsparen.“

 

Mit der Karotte nicht auf die Verkehrsinsel!

 

Nachdem sich bei der Tagung der Bezirksverordneten in der vergangenen Woche eine Mehrheit für das Projekt aussprach, soll nun in einem öffentlicher Workshop diskutiert werden, wie die Idee in Pankow umgesetzt werden könnte. Geklärt werden soll dabei auch, welche Orte im Bezirk sich für den Obst- und Gemüseanbau eignen, und ob zum Beispiel Autoabgase den Genuss beeinträchtigen.

Christoph Maurer ist auch da schon einen Schritt weiter: „Auch das Gemüse, das wir im Supermarkt kaufen, wächst an Straßen“, meint er. Solange man Kohl und Erdbeeren nicht auf Verkehrsinseln pflanze, sondern wie in Andernach in Parks und Grünanlagen, sei das unbedenklich.  

 

 

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