Wie hältst Du´s mit der Antifa?

von Christiane Abelein 24. Februar 2014

Die Piraten haben gerade so etwas wie einen Negativ-Lauf. Bei der Partei in Pankow läuft angeblich alles rund. Sicher?

Wenn es einen Preis für negative Partei-Werbung gäbe – die Piratenpartei wäre ein aussichtsreicher Kandidat dafür. Von allen Seiten hört man ein lauter werdendes Grummeln der Mitglieder über den politischen Kurs, die Piratenfraktion in der Bezirksversammlung Berlin-Reinickendorf löst sich gleich ganz auf, und wenig später bedankt sich auch noch eine der aussichtsreichten Europawahl-Kandidatinnen mit nackter Brust bei den englischen Bombern, die in Dresden rund 25.000 Menschen getötet hatten.

Nach dieser Liste setzt beinahe schon Schnappatmung ein, aber ein Ende der Pleiten und Pannen ist nicht in Sicht: Seit Ende vergangener Woche geht es zwischen den verschiedenen Ebenen der Partei so richtig zur Sache. Die oft ehrenamtlichen Administratoren haben in der Nacht zu Freitag zentrale Online-Dienste lahmgelegt, zum Beispiel das interne Wiki und einen Server der Bundespartei. Es herrscht #orgastreik im Piratenland.

 

Alles dufte in Pankow

 

Und in Pankow soll all das nicht zu spüren sein? Kaum zu glauben. Der Sprecher der Pankower Piraten, Johannes Lindenau, gibt recht nüchtern an, dass im Bezirk noch keine „abschließende Diskussion“ zu „#bombergate“ und „#orgastreik“ geführt worden sei. „Bis jetzt gibt es jedoch in Pankow meines Wissens nach keine hektischen Austritte und auch keinen Mitgliederschwund. Wir gehen unserer politischen Arbeit wie gewohnt nach und blicken mit Zuversicht auf den anstehenden Europa-Wahlkampf.“ Dazu, meint Lindenau, werde man auch wieder Mitglieder aktivieren können, die sonst weniger aktiv sind.

Denn eines räumt er durchaus ein: „Aufgrund des raschen Wachstums der Partei haben wir eine relativ inhomogene Mitgliederstruktur, was zu Differenzen in den Vorstellungen über den Weg führt, den die Partei einschlagen sollte, und letzlich Spannungen erzeugt hat, die wir nun meiner Meinung nach schnellstens im konstruktiven Dialog wieder abbauen müssen.“ Für Pankow gilt das anscheinend nicht, hier sieht Lindenau „keine großen Spannungen oder Konflikte“.

Auch nicht in der Frage, wie die Piraten mit Linksradikalen umgehen? Dazu erreichte uns vor kurzem eine Mail, offensichtlich aus den Reihen der Pankower Partei. Darin stand: „es ist erschreckend grauslich fuer mich und viele andere menschen, wie eine kleine selbstherrliche und undemokratische gruppe dieses ehemals breite engagement zugrunde richtet. und dafuer sind menschen aus prenzlberg/pankow ganz zentral verantwortlich.“ Nachfragen beantwortete der Verfasser leider nicht; anonym will er bleiben, weil angeblich „ein untragbares klima der angst“ herrscht. So ein Hinweis ist ziemlich dünn, um zu beurteilen, ob da etwas dran ist. Deshalb heißt es: Recherche auf eigene Faust.

 

Diskussion über Antifa-Flaggen

 

Das Internet ist voll von Querverweisen zwischen der Antifa und den Piraten. Dass es da eine irgendwie geartete Verbindung zwischen beidem gibt, dürfte für niemanden eine Überraschung sein. Da stolpert man über Gruppierungen wie die Pirantifa oder über Spitzenpersonal wie den Berliner Fraktionsvorsitzenden Oliver Höfinghoff, der sich nicht nur für ein Porträt des „Spiegels“ einen Antifa-Button ans Revers heftet. Anfang Januar dann weht bei der Aufstellungsversammlung für die Europawahl für alle sichtbar die Fahne der Antifaschistischen Aktion, gleiches war auch schon bei Bundesparteitagen passiert.

Die Frage, ob das rechtens sei, wurde nach Angaben des Fraktionsvorsitzenden in der Bezirksverordnetenversammlung, Jan Schrecker, auch in Pankow diskutiert: „Viele sprechen sich dafür aus, dies in Zukunft nicht zu tun, da eine Flagge nicht das geeignete Mittel sei, um eine bestimmte Haltung auszudrücken.“ Schrecker selbst gibt zu bedenken: „Hinter der Antifa verbergen sich viele einzelne Gruppen, die sicherlich wichtige und gute Projekte machen. Es gibt aber auch welche darunter, denen es nur um Krawall geht.“ Und obwohl sich die meisten Piraten politisch eher links eingruppierten, wollten sie sich nicht in eine Ecke schieben lassen.

 

Dafür oder dagegen?

 

Dazu gehört zum Beispiel das „Frankfurter Kollegium in der Piratenpartei“, das die „Zeit“ als sozialliberalen Flügel der noch jungen politischen Bewegung vorstellte. Dieses Kollegium veröffentlichte kurz nach Bekanntwerden von #bombergate einen Aufruf, in dem es heißt: „Es ist nicht länger hinnehmbar, dass eine Minderheit von antideutschen Linksradikalen die Piratenpartei als Steigbügelhalter für extremistische und gewaltbereite Aktionen missbraucht.“

Die Haltung der Pankower Piraten zur Antifa ist weniger entschieden. Bezirkssprecher Johannes Lindenau schickte uns hierzu den schönen Satz: „Die Pankower Pirat_innen schätzen und unterstützen die vielfältige, kreative, mit demokratischen Mitteln geführte Arbeit von Antifaschist_innen und antifaschistischen Gruppen gegen Rechte und Neonazis.“  Außerdem teilte er mit, dass er keine Vereinnahmung der Pankower Piraten durch Antifa-Gruppen sehe und das Thema – anders als von Schrecker dargestellt – bisher auch nicht diskutiert wurde. Alles wunderbar also.

 

Klima der Angst? Aber ja!

 

Ganz anders klingt das, wenn man mit Simon Lange von der Konrad-Zuse-Crew spricht, die sich in der Pankower Gaudystraße trifft. Er unterschreibt so ziemlich alles, was uns der anonyme Informant beschrieben hat. Natürlich gebe es Antifas unter den Pankower Piraten, sie agierten ganz offen.

Und ja, es herrsche ein „Klima der Angst“, weil Mitglieder, die sich gegen die Vereinnahmung durch Linksextremisten wehrten, diffamiert und verleumdet würden. Auch seine Crew werde immer wieder in die rechte Ecke gestellt. Lange findet die Unruhe der vergangenen Woche deshalb gut, denn: „Viele Leute haben lange geschwiegen, jetzt bricht es endlich raus.“ Im Grunde seien die Unterstützer der Antifa nämlich eine Minderheit in der Piratenpartei, allerdings eine laute, die auch vor sprachlicher Gewalt nicht zurückschrecke. 

 

Kein Geld, keine Struktur

 

Angesichts dieser Einschätzung klingt das nächste Problem wie ein kleines: Die Piraten – auch die in Pankow – scheinen nicht allzuviel von Mitgliederbeiträgen zu halten. Christoph Lauer zufolge haben Ende Januar nur 40 der insgesamt mehr als 500 Pankower Mitglieder ihren Obulus bezahlt. Das will der Prenzlauer Berger ändern. Er hat sich entschlossen, für den Vorsitz der Berliner Landespartei zu kandidieren und unterlegt mit diesen Zahlen sein Plädoyer für mehr Strukturen innerhalb der Piratenpartei.

Es wäre nicht das erste Amt für Lauer: Er war bereits Fraktionsvorsitzender der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, in das er über die Landesliste eingezogen war, nachdem er in seinem Wahlkreis Pankow 8 (Eberswalder Str., Danziger Str., Prenzlauer Allee, etc.) mit 11,8 Prozent zunächst gescheitert war. Unumstritten ist er allerdings nicht. Und wie hält er es mit der Antifa? Die Antwort auf diese unsere Frage ist er uns bisher schuldig geblieben.

Egal, wie es mit der Piratenpartei generell und bei uns im Bezirk weitergeht – an einem müssen die Verantwortlichen definitiv arbeiten: an ihrem Kommunikationsverhalten. Pankows Piratensprecher Lindau ist davon überzeugt, dass das zumindest innerhalb der Partei passieren wird. Er glaubt: „Nach dem Wirbel der letzten Tage wird mit Sicherheit eine Grundsatzdiskussion stattfinden, die letztlich zu einer Konsolidierung der Partei führen wird.“

 

Dieser Artikel wurde am 25. Februar 2014 ergänzt durch ein Statement des Leiters der Konrad-Zuse-Crew in Pankow, Simon Lange. 

 

 

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