Ist nur fair

von Thomas Trappe 22. Oktober 2013

Unser Bezirk wird sich bald offiziell Fair-Trade-Town nennen dürfen. Der Bürgermeister muss nur noch einen neuen Kaffee bestellen und eine Kommission ins Leben rufen. Eine bessere Welt ist möglich.

Dieser Text entsteht im Beisein einer Tasse dampfenden Instant-Kaffees. Kroatisches Fabrikat, mit dem sanften Odeur eines schlafenden Wiesels. Getrunken wird der Kaffee erstens mit Genuss und zweitens aus einem nur notdürftig ausgespültem Glas Bautzener Senf. Mit Kaffeeweißer, und solange das keine UN-Konvention verbieten, wird der in der Redaktion auch weiter eingesetzt. Von wegen Latte-Macchiato-Kiez, der kann uns mal. Hauptsache, das Zeug macht wach und die Magenwand bleibt auf einem die vitalen Körperfunktionen gewährleistendem Grundniveau. Mehr braucht es nicht beim Kaffee. Wenn es nach uns ginge. Geht es aber nicht. Wie das Bezirksamt jetzt mal wieder unter Beweis stellt. Die feinen Damen und Herren dort wechseln jetzt nämlich ihre Kaffeesorte. Sie möchten Fair-Trade-Town werden.

Fairtrade-Town ist ein Label, so etwas wie der TÜV für das reine Gewissen. Vergeben wird es vom Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der „Dritten Welt“ e.V. An Kommunen, die sich um den fairen Handel besonders verdient gemacht haben. Was, wenn wir das richtig sehen, vor allem heißt, dass der Bürgermeister fairen Kaffee trinkt. Und eine Kommission das angemessen überwacht. (Sie können jetzt im Geiste „We shall overcome“ summen.)

 

Klare Vorgaben für das Fair-Trade-Label

 

Die Idee, den Bezirk Pankow in eine Reihe mit, zum Beispiel, Wolfsburg und Charlottenburg-Wilmersdorf zu stellen, hatten die Bezirksverordneten; unter der Leitung der bezirklichen Wirtschaftsförderung wird nach deren Beschluss gerade ein Konzept erarbeitet, wie das große Ziel erreicht werden kann. Was gar nicht so problematisch ist, weil es dazu klare Vorgaben gibt, und zwar fünf. Wir gehen das jetzt mal schnell durch.

Erste Bedingung für die Erlangung des Fair-Trade-Logos: Bei Sitzungen des Stadtparlaments und im Bürgermeisterbüro von Matthias Köhne (SPD) muss fortan „Fair-Trade-Kaffee sowie ein weiteres Produkt aus fairem Handel verwendet werden“. Im Bericht, den das Amt jetzt vorlegte, wird erklärt, dass dies bald umgesetzt werde. Das Bezirksamt gehe zudem davon aus, dass die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) seinem Beispiel folge und „das Cateringangebot bei den Sitzungen der BVV entsprechend anpasst“. Wer Tipps hat, wo es Buletten aus fairem Handel gibt, melde sich also bitte bei der BVV.

 

Ein kleiner Schritt fürs Bezirksamt, ein großer für den fairen Handel

 

Voraussetzung zwei: Eine lokale Steuerungsgruppe. Die wird gerade von der Wirtschaftsförderung eingerichtet. Dazu werden Vertreter von Weltläden, Agenda-21-Gruppen, Schulen und Kirchen angeschrieben. Zudem hat das Bezirksamt in den vergangenen Monaten keine Mühe gescheut, 47 Geschäfte und 24 Gastronomiebetriebe im Bezirk auszumachen, in denen Fair-Trade-Produkte verkauft werden – das ist die dritte Bedingung für das Fair-Trade-Label. Die Recherche ist hart an der Grenze zum Knochenjob. Denn die Geschäfte müssen „jeweils mit Adresse, Ansprechpartner/in, Telefonnummer sowie den geführten Fair-Trade-Produkten belegt sein“, berichtet die Verwaltung. Außerdem muss bei Schulen, Vereinen und Kirchen nachgefragt werden, ob es bei Ihnen Veranstaltungen zum Thema gibt. Jeweils eine Einrichtung muss Ja sagen, und schon wäre Punkt vier abgearbeitet.

Punkt fünf, lieber Leser, haben wir gerade gemeinsam gemeistert. Der nämlich gebietet, dass „die örtlichen Medien über die Aktivitäten auf dem Weg zur Fair-Trade-Stadt“ berichten. Fühlen Sie sich auch gerade so edel? Oder, um es in den Worten des Bezirksamtes auszudrücken: „Nach Inkrafttreten der Steuerungsgruppe wird der Handel mit nachhaltigen und fair gehandelten Produkten weiter angeschoben.“

 

 

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