Das gute alte Fahrrad

von Thomas Trappe 18. April 2012

Seit fast 20 Jahren leitet Eckbert Schauer das „Ostrad“ in der Winsstraße. Er hat eine Vorliebe für Stahlräder. Weil die nicht mehr hergestellt werden, hat er eine eigene Manufaktur gegründet.

Die Schönhauser Allee ging für Fahrradfahrer gar nicht. Gut, die Straßen waren einigermaßen leer, dafür war da aber auch kaum Straße, einzig ein sich zur Mitte hin auftürmender Haufen aus Backstein und anderem Geröll. Überall sonst war es auch nicht besser, erinnert sich Eckbert Schauer, der mit seinen 44 Jahren nun auch kein alter Mann ist, aber immerhin seit 1990 genug mitbekommen hat, um zu sagen: „Es hat sich viel getan für Radfahrer in Berlin, vor allem in Prenzlauer Berg.“ Und dann sagt Schauer noch „toll“ und „gigantisch“. Aber man muss das nicht überbewerten, den Schauer scheint ein Mensch, der sich gerne begeistert, vor allem, wenn es um Fahrräder geht.

Seit 1993 ist der gebürtige Hallenser Geschäftsführer des Fahrradgeschäfts „Ostrad“ in der Winsstraße. Gegründet 1991 in Greifswalder Straße, war die Werkstatt zunächst ein genossenschaftliches Modell und Mitglied im Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe. Bei diesen Geschäftsmodell gibt es keinen Chef, alle haben Anteile an der Firma, jeder bekommt das gleiche Geld. Um es kurz zu machen: „Davon sind wir ziemlich schnell weggekommen, wir haben gemerkt, dass das nicht funktioniert.“ Heute hat Schauer acht Angestellte, er trägt die Verantwortung und kriegt wahrscheinlich auch mehr Geld. „Aber der Idealismus dieser Tage ist noch da.“

 

Retroschick läuft

 

Das Geschäft läuft gut, die steigende Zahl der Radläden in Prenzlauer Berg wird durch eine seit Ende der 90er explodierende Nachfrage nach Rädern mehr als ausgeglichen. Ein weiterer Trend kommt Schauer sehr zupass: Der immer häufiger auftretende Wunsch nach dem Edelrad. Zum Beispiel eines dieser Fahrräder, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind und sich im Design an die Klassiker, oft an jene der sächsischen Traditionsmarke Diamant, anlehnen. 

Diese Räder kennt Schauer sehr gut, denn er hatte sie bereits vor 20 Jahren verkauft, damals freilich nicht als Retroschick, sondern als handelsübliche Modelle. Irgendwann Ende der 90er änderte sich der Publikumsgeschmack oder das Angebot – Schauer ist sich da nicht sicher, was zuerst passierte –, und auch im Ostrad hielt eine neue Fahrradgeneration Einzug. Sie zeichnete sich durch ein  klobigeres Design aus und durch anderes Material: Aluminium. Es war ein rasender Prozess, heute gibt es kaum noch Räder aus Stahl. Eckbert Schauer ärgerte das. Und deshalb stellt er jetzt die Stahlrahmen selbst her.

 

Stahl ist flexibler als Alu

 

Vor einem Jahr wurde die Werkstatt in der Greifswalder Straße geöffnet, hier werden in Handarbeit Rahmen geschnitten und verlötet. Kunden, die ihren Stahlrahmen reparieren oder sich einen neuen auf den Leib schneidern lassen wollen, kommen hier her, es sind jene Kunden, die gerne mehr ausgeben. Einmal die Woche ist Eckbert Schauer mit ein paar Kollegen in der Manufaktur, man kann davon ausgehen, dass es Schauers Lieblingstag ist. Er sägt, biegt, schraubt und lötet dann, solange, bis alles wie früher ist. 

Das ist keine Nostalgie, Schauer kann seine Vorliebe für Stahl gut begründen. Während Aluminium hart und spröde ist, zeichnet sich Stahl durch Flexibilität und Robustheit aus. „Das ist ein wesentlich besseres Fahrgefühl, da über den Stahlrahmen die Stöße von der Straße abgefedert werden, während Alu sie direkt an die Wirbelsäule weitergibt.“ Auch könne Stahl, ist er mal gebogen, wieder repariert werden. „Mit Aluminium geht das nicht“. Dass Alu leichter sei als Stahl, sei ein Irrtum. „Man darf nicht, wie bei billigen Rädern früher, mit dickem Stahl arbeiten. Das ist was für den Heizungsbau.“ 

Nicht genügend alte Fachkräfte

 

Nach Schauers Zählung gibt es in Deutschland insgesamt fünf solcher Manufakturen, obwohl die Nachfrage sicher mehr zuließe. Das Problem ist ein anderes: Es mangelt an gut ausgebildeten, möglichst alten Fachkräften. „Das ganze Fachwissen ist in den vergangenen Jahren verschwunden, weil die Technik bei keinem Hersteller mehr angewendet wird“, sagt Schauer. Die meisten alten Ingenieure sind inzwischen in Pension, „oder es gibt sie gar nicht mehr“. Auch Eckbert Schauer musste das Handwerk erst mal lernen. Er holte sich dazu Heinz Paupitz in die Werkstatt. Paupitz ist eine Berliner Fahrradkoryphäe. Und Jahrgang 1924. 

Etwas komplizierter als mit dem Fachwissen ist es mit dem Material. Die Teile für die Stahlrahmen werden in Deutschland nicht mehr hergestellt, es gibt nur noch ein Werk in Taiwan. „Dort kommen sie kaum noch hinterher mit der Produktion“, sagt Schauer. Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten. Gerade bearbeitet Schauer einen alten Diamant-Rahmen, schätzungsweise 20 Jahre alt. „Das wird ein richtig gutes Rad.“

 

 

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