Mietpreise zwingen zur Doppelnutzung

von Ute Zauft 4. Oktober 2011

Viele Gewerbetreibende haben im Kiez mit Mietsteigerungen zu kämpfen. Zwei Unternehmer in der Kollwitzstraße machen das Prinzip Doppelnutzung nun salonfähig.

Martin Kramer sitzt mit seiner Kaffeetasse zwischen Kübeln voller Rosen, Chrysanthemen und Gerbera. Er wirkt etwas deplatziert, denn eigentlich ist er nur abends im Laden. Dann steht er hinterm Tresen, der tagsüber zwischen den Blumen kaum auffällt. Der Kellerladen in der Kollwitzstraße 41 hat aus der Not eine Tugend gemacht: Tagsüber ein Blumenladen, abends eine Kiezkneipe, die allerdings mehr Wein als Bier im Angebot hat.

Petra Leidholdt trocknet sich die Hände an der grauen Schürze ab und setzt sich dazu. Von 2004 bis Ende 2008 hatte sie ihren Blumenladen im Haus nebenan. „Doch dann hat der Vermieter angekündigt, zum neuen Jahr die Miete zu verdoppeln“, erzählt sie. Die neue Miete von 2600 Euro kalt hätte die Blumenhänderlin sich nicht leisten können. Einzige Alternative: Umzug. „Mein Laden lebt vor allem von Stammkunden, ein Umzug hätte da einen kompletten Neuanfang bedeutet.“ Martin Kramer, der damals schon seinen kleinen Weinkeller hatte, hörte von der Bredouille seiner Nachbarin. „Ich wohne selbst hier im Haus, wir kannten uns und mir lag einfach sehr daran, dass Petras Blumenladen in der Straße bleibt“, erzählt er. So entstand die Idee zur Doppelnutzung: Von acht bis 19 Uhr verkauft Petra Leidholdt Blumen, ab 20 Uhr gibt es im gemütlichen Kellergewölbe Wein, Bier, Käse und Oliven.

 

Das Gewerbeamt muss sein OK geben

 

Das Konzept rechnet sich: Die beiden Gewerbetreibenden teilen sich Miete und Nebenkosten. „Außerdem werden mehr Leute auf uns aufmerksam, weil die Ladentüren auch tagsüber offenstehen“, so Martin Kramer. Es käme auch schon mal vor, ergänzt Petra Leidholdt, dass sie tagsüber eine Flasche Wein verkaufe. Das Gewerbeamt hatte gegen die Doppelnutzung keine Einwände, weil keine offenen Lebensmittel im Angebot sind. Kürzlich habe ein Kunde erzählt, so Kramer, dass dieses Konzept in skandinavischen Ländern durchaus üblich sei.

Martin Kramer wohnt schon seit 13 Jahren in der Kollwitzstraße, und er hat vor drei Jahren nicht ohne Grund einen Weinkeller eröffnet. Sein Geld verdient er eigentlich woanders: Zusammen mit seinem Bruder führt er einen Pflegedienst, nebenberuflich ist ihm aber die Vielfalt in seiner Straße wichtig: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Gegend hier zu einer Art Schlafstätte geworden ist: Tagsüber arbeiten die Leute, die Abende verbringen viele mit ihren Familien zu Hause.“ Man merke zum Beispiel, dass kaum noch Studenten hier leben. Auch er hat vor allem Stammkunden, die an seinem Laden die ungezwungene Atmosphäre mögen. „Die sagen mir immer wieder: Hier fühlen wir uns wohl, weil hier noch Kiezkneipen-Flair herrscht.“

 

 

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