Ebay? Es leben die Laternenpfahl-Kleinanzeigen!

von Juliane Schader 15. Februar 2011

Seitdem die klassischen Kleinanzeigen ins Internet abgewandert sind, ist an Laternenpfählen endlich Platz für die wirklich wichtigen Inserate: Für Seniorensport ab 35, Schmuggelzigaretten und Vermutlich-Nussbaum-Stühle.

Unlängst stand ich an einer Ampel und wartete, weil mit mir eine Kindergartengruppe die Straße zu queren plante, artig auf Grün. Das dauerte, und dauerte, und weil ich ein Mensch mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Lemmings bin, begann ich vor Langeweile die Anzeigen zu studieren, die jemand mit viel Mühe und noch mehr Tesafilm um den Ampelpfahl geklebt hatte.

Ein Auto wurde da inseriert, genauer gesagt ein Sportwagen aus dem großen Markensortiment einer Firma in Wolfsburg, mit Ledersitzen und zu öffnendem Verdeck. Verhandlungsbasis 35.000 Euro, auch bekannt als Peanuts.

 

Bebilderte Pfähle machen die Stadt wohnlicher

 

Es gab eine Zeit, da hängte man, wenn man einen Kaninchenkäfig suchte oder gerne als Babysitter arbeiten wollte, kleine Zettel an die umliegenden Laternenpfähle, versah diese mit Telefonnummern auf praktischen Abrissvorrichtungen und wartete, dass etwas passierte. Das war kostengünstig, ersparte aufgrund der räumlichen Nähe zum Pfahl Reise- und Portokosten und lockerte zeitgleich das Stadtbild auf. Eine Stadt mit Bildern an den Pfählen wirkt schließlich gleich viel wohnlicher.

Dann kamen ebay-Kleinanzeigen, Immoscout und my-hammer.de, und an den Laternenpfählen wurde somit Platz frei für Absurditäten, die niemand in den Weiten des Internet verschollen wissen wollte. Sowie für Angebote von Menschen, die gar keinen Computer haben. Oder auf keinen Fall über eine IP-Adresse eindeutig zu identifizieren sein wollen.

Dieses vermute ich zumindest als Motivation für den Mann, der einmal täglich nach Polen fährt und via Pfahlpost anbietet, Zigaretten von dort mitzubringen. Vier Stangen, polnischer Verkaufspreis plus fünf Euro Transportkosten – mit dem oben genannten Sportwagen sollte er da nicht unterwegs sein, damit sich diese Reise lohnt.

Auch ein Seniorensportkurs für Menschen ab 35 wäre wohl völlig an mir vorbeigegangen, wenn nicht jede zweite Ampel mit der Anzeige dafür gespickt gewesen wäre. Ebenso wie die technikbegeisterten Menschen mit einem Faible für Word ClipArts, die gerne defekte Elektrogeräte abholen würden. Ganz zu schweigen von den kleinen Stofffledermäusen („Meine Fledi ist verschwunden“), -affen („Wer hat Charly gesehen?“) und -krokodilen („Schnappt Schnappi“), die offenbar im Sekundentakt von unachtsamen Kindern in die Gosse verloren werden.

 

Stühle für 3000 Euro kauft man im Vorbeigehen. Vielleicht. Nicht.

 

Die Wege durch die Stadt wären eindeutig eintöniger, wenn ich mich nicht beim Warten an Ampeln darüber aufregen könnte, dass jemand Stühle für 3000 Euro („Möglicherweise Nussbaum“) an einem Laternenpfahl inserierte. Als hätte ich das Geld in kleinen, nicht fortlaufend nummerierten Scheinen in der Tasche und könnte, wenn mir denn danach wäre, gleich auf dem Heimweg dieses Schnäppchen noch eben in der Nachbarstraße abholen.

Anzeigen dieser Art begegnen mir mittlerweile täglich im Prenzlauer Berg. Gar nicht wissen möchte ich da, wie entsprechende Angebote etwa in Zehlendorf aussehen: „Yacht kostengünstig abzugeben, 1,3 Millionen Verhandlungsbasis“ wäre da denkbar. „Nachmieter für Villa am heiligen See gesucht“ ebenso, oder „Schätze kostengünstig den Karatwert ihrer Diamanten.“ Statt Zigaretten aus Polen gibt es Zigarren aus Kuba („Fahre täglich nach Kuba“). Und statt Seniorensport gibt es Kinderturnen. Für die ewig Jungen ab 70.

Voraussetzung dafür ist natürlich, siehe oben, dass jemand Zeit hat, an roten Ampeln zu warten. In Prenzlauer Berg macht die Omnipräsenz von Kindern das unumgänglich, man will schließlich ein gutes Beispiel sein. In Zehlendorf vertraue ich da auf die Angst der Bewohner, außerhalb der Grünphasen nicht schnell genug über die Straße zu kommen. Man ist ja auch nicht mehr so mobil, mit Rollator.

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