R4bia-Symbol: „Ein Skandal ist es nicht“

von Christiane Abelein 15. Januar 2014

Im Falafel-Laden Salsabil 2 in der Wörther Straße ist einem unserer Leser ein R4bia-Symbol aufgefallen, das er nach einer Internet-Suche als islamistisch einstufte. Wir haben ein wenig weiterrecherchiert.

Prenzlauer Berg – Wer in Prenzlauer Berg Falafel essen will, kommt am Salsabil kaum vorbei. Gleich zwei Filialen gibt es im Kiez, beide mit exzellentem Ruf: eine in der Göhrener Straße und die zweite in der Wörther Straße. Hier im Salsabil 2 hängt am Getränkekühlschrank ein Aufkleber: leuchtend gelb, darauf eine schwarze Hand mit vier ausgestreckten Fingern, der Daumen ist einklappt. Das R4bia-Zeichen, in der einfacheren Schreibweise auch Rabia- oder Rabaa-Symbol genannt.

Einer unserer Leser wollte mehr wissen über diesen Aufkleber – und suchte ein wenig im Internet. Dort landet man recht schnell bei Fotos und Berichten zu den ägyptischen Muslimbrüdern. Und von da aus dauert es nicht lange, bis die Schlagworte islamistisch und antizionistisch auftauchen. Klingt erst mal alarmierend. Und so kam der Leser auf die Idee, uns zu bitten, der Sache nachzugehen. Gesagt, getan. Eines vorweg: So einfach, wie es scheint, ist die Sache nicht. Versuchen wir also, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

 

Massaker oder Kampf gegen die Islamisten?

 

Rabia heißt auf Arabisch zunächst nichts Anderes als Vierter. Die Handhaltung, die auf dem Aufkleber zu sehen ist, steht im arabischen Kulturraum für die Zahl vier. Rabia ist aber auch der Name einer der bekanntesten Mystikerinnen des islamischen Kulturraumes. Nach dieser Rabia al-Adawiyya sind ein Platz und eine Moschee in Kairo benannt. Und an diesem Platz nun ereignete sich am 14. August 2013 etwas, das die einen Massaker nennen und die anderen als berechtigtes Eingreifen gegen die Anhänger des islamistischen Lagers ansehen. Dabei wurden zahlreiche Menschen getötet. Wie viele es waren, weiß keiner so genau. Die Zahl, die genannt wird, hängt stark davon ab, welchem Lager die Quellen zugehören. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ beruft sich in ihrem ersten Artikel nach dem Vorfall deshalb auf Einsatzkräfte vor Ort. Sie berichten von mindestens 75 Toten und mehr als 1.500 Verletzten. Später sprach die ägyptische Übergangsregierung selbst von 387 Toten, westliche Menschenrechtsorganisationen von etwa 1.000 und die Muslimbrüder von 2.000.

Für Salim Ben, den Geschäftsführer im Salsabil, war das Ganze definitiv ein Massaker. Um diese Haltung zu verstehen, muss man kurz eintauchen in die politischen Geschehnisse in Ägypten in den vergangenen Jahren. Nach dem Sturz des jahrzehntelang herrschenden Diktators Hosni Mubarak im Februar 2011 wurden demokratische und freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Die islamistischen Parteien gewannen 70 Prozent der Stimmen, zum Präsidenten erkoren sich 51,7 Prozent der Ägypter den Muslimbruder Mohammed Mursi (hier zum Beispiel ein Bericht  bei Spiegel Online über die Abstimmung). Im Juli des vergangenen Jahres aber wurde Mursi gestürzt, vom Militär. Die Macht haben seitdem die Generäle, allen voran Abd al-Fattah al-Sisi. Er lässt in diesen Tagen über eine neue Verfassung abstimmen, das Klima in Ägypten beschreiben Medien wie die Tagesschau als angstbeladen. Wie man es auch dreht und wendet, eines ist klar: Die Situation in Ägypten ist alles andere als einfach.

 

5 Jahre Haft für R4bia-Zeichen in sozialen Netzwerken

 

Das führt uns zurück zum R4abia-Aufkleber aus dem Salsabil. Den versteht Salim Ben ganz klar als Solidaritätsbekundung für die Opfer vom Rabia-Platz. „Das Massaker war einfach schlimm“, sagt er. Und der Putsch durch das Militär? Sei ein Putsch gegen den erklärten Volkswillen. Deshalb ist das R4bia-Symbol für Salim noch mehr: Ein Zeichen gegen die Verletzung der Menschenrechte und die Demokratie weltweit.

Ob er weiß, dass das Zeichen in Ägypten mittlerweile verboten ist und die Verbreitung zum Beispiel in sozialen Netzwerken mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann? Ja, das weiß er. Und es wundert ihn nicht angesichts der Machtverhältnisse in Ägypten, wo das Militär die Muslimbrüder vor kurzem als Terrororganisation eingestuft hat (mehr dazu hier). Salim Ben bleibt dabei: Er setzt sich mit seinem Aufkleber für Demokratie und Menschenrechte ein.

Das kann man ihm nach Ansicht von Experten ruhig glauben…. weiterlesen ( zum Teil 2: „R4bia Germany-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet“).

 

Teil 1: „Ein Skandal ist das nicht“ 

Teil 2: „R4bia Germany-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet“

 

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